BERLIN. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht hat AfD-Wähler gegen Rassismusvorwürfe in Schutz genommen. „Wähler, die von uns zur AfD gewechselt sind, sind keine Rassisten. Das sind Menschen, die sich von der Politik und offenbar auch von meiner Partei im Stich gelassen fühlen und davon ausgehen, daß sie nur noch mit der Wahl der AfD ihren Protest ausdrücken können“, sagte sie im Interview mit dem Online-Portal web.de.
Zugleich erneuerte sie ihre Kritik an der eigenen Partei, die einfachen Wähler, Nicht-Akademiker und Arbeiter aus dem Blick verloren zu haben. „Wir müssen wieder die Stimme der Unzufriedenen werden, die sich ja aus guten Gründen eine andere Politik und mehr sozialen Ausgleich wünschen.“ Auch wenn es im vergangenen Wahlkampf nicht um das Thema Migration gegangen sei, machten sich gerade in den östlichen Bundesländern Menschen „berechtigte Sorgen, wenn sich ihre Lebenswelt grundlegend verändert“.
Wagenknecht sieht Existenz der Linkspartei in Gefahr
Ein weiterer Grund für das schlechte Resultat von 4,9 Prozent bei der Bundestagswahl sei die Entwicklung der Linkspartei zu einer Partei „des gutsituierten akademischen ‘Fridays-for-Future’-Milieus“. Auch habe es der Linken geschadet, sich bereits für eine mögliche Regierungsbeteiligung angeboten zu haben, zeigte sich die ehemalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion überzeugt.
„Wir hätten selbstbewußter auftreten und die Unterschiede zu diesen Parteien herausstellen sollen, statt ihnen hinterherzulaufen. So haben wir den einen signalisiert, daß sie ebenso gut SPD wählen können, wenn sie eine soziale Regierung wollen, und die Protestwähler haben wir auch verprellt, weil der Eindruck entstand, wir würden nach der Wahl viele Positionen über Bord werfen, um mitregieren zu können.“
Rückblickend sei das Wahlprogramm ihrer Partei „unehrlich“ gewesen, beklagte die Politikerin. Es seien Forderungen der Grünen zur Klima- und Energiepolitik übernommen worden, die bei „Wählern, die etwa auf dem Land leben und sich keinen smarten Tesla leisten können, auf Unverständnis“ stoßen. „So sollten wir nicht weitermachen, denn das gefährdet unsere Existenz“, warnte Wagenknecht. (ag)