Als ich hörte, daß die Frankfurter Buchmesse dieses Jahr eigens ein „Awareness-Team“ einsetzt, um dafür zu sorgen, daß sich alle Schneeflöckchen wohlfühlen und keine böse rechte Person ihre Meinung zu laut kundtut, fühlte ich mich unweigerlich an die „Moralpolizei“ erinnert, die in streng islamischen Ländern wie dem Iran oder Saudi-Arabien patrouilliert und fragwürdige Regeln bewacht und durchsetzt. Laut dem Direktor der Buchmesse, Jürgen Boos, ist man auf den Bund für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit (BDB) im Februar aufmerksam geworden und so sollen sich drei Mitarbeiter des BDB-Teams auf der Messe „einmischen, wenn sie eine Auseinandersetzung, eine Ausgrenzung, gefühlte Bedrohung oder Benachteiligung beobachten“.
Ausschlaggebend für diese Maßnahme sei der Boykottaufruf der Autorin Jasmina Kuhnke (a.k.a. Quattromilf) im vergangenen Jahr gewesen. Sie hatte sich wegen ihrer dunklen Hautfarbe nicht sicher gefühlt, da auch „rechte Verlage“ auf der Buchmesse präsent waren. Als Antwort auf diese „subjektive“ Angst haben die Verantwortlichen für dieses Jahr sogar einen „Code of Conduct“ erlassen, was die „Werte für ein respektvolles Miteinander“ betonen soll.
Wer bestimmt, was unangebracht ist?
Auf der Homepage der Buchmesse heißt es über den „Code of Conduct“, man wolle allen Teilnehmenden der Frankfurter Buchmesse „ein gutes Messe-Erlebnis bieten – unabhängig von Geschlecht und geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung und Identität, Behinderungen, ethnischer Herkunft, Nationalität, Alter, Sprache, Religion oder Weltanschauung.“
Weiter heißt es, daß „keinerlei Belästigungen, Übergriffigkeiten oder unangebrachte Äußerungen“ toleriert werden und da werde ich hellhörig. Wer bestimmt, was unangebrachte Äußerungen sind? Daß man niemanden beleidigt, weiß wohl jeder, der eine gute Kinderstube genossen hat. Für die Einhaltung einer grundlegenden Etikette braucht es kein „Awareness-Team“. Was mich selbst betrifft, sehe ich jedoch ein erhebliches Konfliktpotential beim Thema „geschlechtlicher Identität“. Wenn ich also sage, dass ein Mann ein Mann ist und noch lange keine Frau, nur weil er Perücke und Stöckelschuhe trägt, dann wäre das laut der Moralpolizei der Buchmesse eine „unangebrachte Äußerung“ und ich würde verwarnt oder sogar der Messe verwiesen werden.
„Awareness-Team“ sorgt für Ponyhofstimmung
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau äußert sich Messe-Direktor Jürgen Boos über die Möglichkeit, rechte Verlage von der Buchmesse auszuschließen. Er verweist auf die Rede- und Meinungsfreiheit und daß die Buchmesse für „freedom to publish“ stehe, wenn man aber genau liest, kann man ein gewisses Bedauern erahnen. Der Direktor verweist nämlich darauf, daß man in der weltweiten Buchbranche die „Leitmesse“ sei und ein Ausschluß besagter Verlage „aufgrund unserer Moralvorstellungen“ nicht nachhaltig wäre, da die Teilnahme per einstweiliger Verfügung eingeklagt werden könne. Die Brisanz dieser Forderung ist Boos wohl bewußt, denn er stellt die Gegenfrage: „Wenn wir anfangen, da zu zensieren, wo hören wir dann auf?“
Eine offizielle Zensur gibt es selbstverständlich nicht in Deutschland, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Aber mit der Installation eines „Awareness-Teams“ ist den verantwortlichen Veranstaltern ein beachtenswertes Kunststück gelungen: Die Frankfurter Buchmesse kann sich nach außen tolerant und diskursoffen zeigen, während die Awareness-Patrouille unbequeme Stimmen neutralisiert und für Wokeness und Ponyhofstimmung sorgt.