BERLIN. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hat die Kritik an der-Kanzlerkandidatin seiner Partei, Annalena Baerbock, als überzogen bezeichnet. „Das lief zuletzt nicht rund, das stimmt, aber lassen Sie es uns doch bitte nicht übertreiben“, sagte Kellner der Zeit. Auch der Kanzlerkandidat der Union, CDU-Chef Armin Laschet, müsse gerade Fragen zu seinem Lebenslauf beantworten. „Das Land steht vor großen Aufgaben, die wir jetzt angehen müssen. Diese Fragen sind wichtiger als Lebensläufe. Das nehmen wir in den Fokus.“
Die „kleinen Fehler“ bei Baerbock seien zudem nicht vergleichbar mit der Maskenaffäre in der Union oder „ob jemand unter Verdacht steht, auf der Payroll von Aserbaidschan zu stehen“, verdeutlichte der Grünen-Politiker, der im Herbst in den Bundestag einziehen will. Mehrere Unions-Abgeordnete waren in den vergangenen Monaten wegen ihrer Verbindungen zur rohstoffreichen Kaukasusrepublik Aserbaidschan in die Kritik geraten.
Rekordmonat bei Mitgliederzuwachs
Kellner beklagte sich über die teils massiven Angriffe auf die Grünen-Kanzlerkandidatin. „Die Menge gefälschter Fotos und gefälschter Zitate, die uns aus rechtsextremen, teils kremlnahen Kreisen erreicht, ist wirklich massiv – und als erfahrener Wahlkampfmanager kann ich Ihnen berichten, daß diese Verbreitung von Haß und Lügen Frauen sehr viel stärker betrifft als Männer.“
Auf die Frage, ob der Baerbock-Zug mit Blick auf das Abschneiden der Grünen bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt entgleise, antwortete Kellner: „Überhaupt nicht. Natürlich waren die Zuwächse geringer, als wir es uns gewünscht hätten. Aber der Wahlkampf fängt doch gerade erst an und wir haben viel zu gewinnen. Wir freuen uns darauf.“ Seine Partei erfahre viel Unterstützung. „Allein im Mai haben wir 6.000 neue Mitglieder gewonnen, das war für uns ein Rekordmonat. Wir sind jetzt 117.036 Mitglieder, fast doppelt so viele wie 2017.“
Grüne seien keine Verbots- oder Partei für Besserverdiener
Die Vorwürfe, wonach die Grünen eine Verbotspartei seien, wies Kellner zurück. „Wir schreiben niemandem vor, wie er oder sie zu leben hat. Aber wir wollen die Bedingungen schaffen, die ein gutes Leben auch in Zukunft ermöglichen. Es geht darum, Freiheit für künftige Generationen zu sichern. Auch unsere Kinder und Enkel haben das Recht, in einer intakten Umwelt zu leben.“ Zur Politik gehörten aber auch eine „kluge Regulierung“ und Verbote.
Auch seien die Grünen keine Partei der Besserverdiener, ergänzte Kellner. „Ich erlebe viele Menschen, die materiell nicht besonders gut gestellt sind, und die trotzdem eine Politik wollen, die für eine saubere Umwelt steht, für gesellschaftliche Vielfalt und ein starkes Europa. Wir werden von allen Einkommensgruppen gewählt.“
Baerbock Beliebtheitswerte sinken deutlich
Unterdessen nahm Baerbocks Beliebtheit im Vergleich zum Vormonat deutlich ab. Laut dem ZDF-Politbarometer halten aktuell 28 Prozent der Wähler die Grünen-Chefin als kanzlertauglich. Im Mai waren es noch 43 Prozent. Auch im Direktduell fiel Baerbock zurück. 59 Prozent der Befragten würden sich für Laschet, 31 Prozent für die Grünen-Kandidatin entscheiden. Ähnlich sieht es bei der Gegenüberstellung mit dem SPD-Kandidaten Olaf Scholz aus, der auf 58 Prozent käme, wohingegen für Baerbock 32 Prozent stimmen würden.
Deutlich mehr Befragte wünschen sich einen Kanzler der CDU oder SPD, als eine Kanzlerin der Grünen. Baerbock hat an Zustimmung verloren.#Politbarometer pic.twitter.com/EDa4AlFTav
— ZDFheute (@ZDFheute) June 10, 2021
Baerbock liegt nun außerdem auf dem letzten Platz der zehn wichtigsten Politiker. Auf der Skala von plus fünf bis minus fünf werteten die Befragten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit plus 2,2 als sympathischsten und leistungsstärksten Politiker. Dahinter folgen Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit plus 1,8 und sein bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) mit plus 1,4. Auf den drei letzten Plätzen liegen FDP-Chef Christian Lindner (plus 0,3), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU, plus-minus 0) und Baerbock (minus 0,2). (ls)