Auf einer rosafarbenen Toilette sitzt ein geschminkter Mann mit Bart. Auf dem Kopf: Hörner wie die eines Geißbocks. Er trägt ein lilafarbenes Kleid. „Meine Pronomen, out of drag: er, und in drag: er oder sie“ sagt er. Nur Eingeweihte verstehen, was er meint. Seit 2016 bietet das Format „Auf Klo“ solchen Menschen eine Bühne. Es ist Teil des öffentlich-rechtlichen Online-Jugendsenders „funk“, welcher jedes Jahr 44,4 Millionen Euro an Produktionskosten unter anderem die Toilette runterspült. Über das genaue Budget von „Auf Klo“ mit seinen 345.000 Abonnenten bei Youtube teilt das anonym bleibende „funk“-Presseteam mit: „Die individuellen Vereinbarungen unterliegen der Vertraulichkeit.“
Die Inhalte von „Auf Klo“ sollen Menschen eine Stimme geben, „die in unserer Gesellschaft nur selten die Möglichkeit bekommen, ihre Erfahrungen und Lebenssituationen zu teilen“. Diese These kann aber nicht überprüft werden, denn auf Anfrage gibt der Online-Sender keine Auskunft, wie oft bestimmte parteinahe Jugendorganisationen und Mitglieder der LGBTQ-Community eingeladen wurden. Der Hinweis auf Paragraph 12a des Landesmediengesetzes Rheinland-Pfalz stimmte sie nicht um. Schon im ersten Interview auf dem Youtube-Kanal des Formats spricht die damalige Moderatorin und spätere Grimme-Preisträgerin Mai Thi Nguyen-Kim mit einer übergewichtigen Frau, die sich als „nicht-binär“ bezeichnet. Das bedeutet, nicht anzuerkennen, ausschließlich weiblich oder männlich zu sein.
Inhalte gehen nicht konform mit dem Biologielehrbuch
Auch auf der Social-Media-Plattform Instagram lädt „Auf Klo“ immer wieder Bilder und Videos hoch. Ein Beispiel: Ein Instagram-Post zeigt eine Zeichnung von zwei nackten, behaarten Männern, welche jedoch statt einem Penis eine Scheide besitzen. In der Beschreibung steht: „Es gibt nicht nur Frau oder Mann, sondern noch unglaublich viele weitere Geschlechter. Denn: Geschlecht ist ein Spektrum!“ Ein Blick in mein Biologielehrbuch zeigt: Nein, Geschlecht ist kein Spektrum. Es gibt genau zwei Geschlechter. Die funktionell bestimmten biologischen Aspekte verkennt die „Auf Klo“-Redaktion.
Nächste Sendung: Der Sprecherin der Fridays-For-Future-Bewegung (FFF), Pauline Brünger, bietet das Format beispielsweise in einem völlig unkritischen Interview die perfekte Bühne, um ihr Denken zu verbreiten. In dem Youtube-Video „Klima-Angst: was soll ich noch machen?“ weist Moderatorin Lisa Sophie Laurent auf einen Link in der Beschreibung hin, welcher auf die FFF-Website führt: „Falls ihr jetzt auch Lust bekommen habt, euch zu engagieren, schaut mal in der Infobox vorbei.“ Das Format konfrontiert als nächstes unter anderem im Youtube-Video „Shitstorm für Rassismus: Was hast du gelernt, Stefanie Giesinger?“ den Zuschauer mit Rassismus. Auf der rosafarbenen Toilette interviewt die blondierte Moderatorin Maria Popov Model Stefanie Giesinger. Viel mehr als ein Interview der „Germanys next Topmodel 2014“ – Gewinnerin Giesinger, wirken ihre Aussagen wie ein Akt der Reue der hübschen jungen Frau, um öffentlich nicht weiter von links zerfleischt zu werden. Doch, was war überhaupt passiert?
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Rassismus: Was für „schlechte Menschen, Nazis, AfD-Wähler“
2019 unternahm Stefanie Giesinger eine Reise ins südostafrikanische Malawi, um vor Ort unter anderem in einer Schule zu helfen. Natürlich, wie heute üblich, teilte die Influencerin die Aktion auch medial. So weit, so gut. Jedoch brach ein „Shitstorm“ los. In unzähligen Kommentaren wurde ihr „White Saviorism“ vorgeworfen, zu deutsch ein „weißer-Retter-Komplex“. Moderatorin Popov erklärt den noch nicht Indoktrinierten, daß mit dem Freiwilligendienst von weißen Europäern in Afrika die „Abhängigkeit des globalen Südens aufrechterhalten“ und oft „rassistische Stereotype bedient“ würden. Im Anschluß sagt Giesinger, Rassismus sei vor ihrer Afrika-Hilfsaktion etwas gewesen, „was nur schlechte Menschen, Nazis, AfD-Wähler reproduzieren“. Popov hinterfragt das natürlich nicht.
Während des Interviews werfen beide regelrecht mit Schlagwörtern um sich, dabei wirkt Giesinger wie ein kleines Schulmädchen, welches von Popov nach den aktuellen „Antirassimus“-Vokabeln abgefragt wird. „Colour-blind“ folgt. Das Model erklärt ergeben auf Nachfage: „Colour-blind ist, wenn man keine verschiedenen Hautfarben sieht.“ Nebenher stempelt Popov das Nicht-Sehen von institutionellem Rassismus als „Bildungslücke“ ab. Die Maxime, daß Menschen aller Hautfarben gleichwertig sind, zählt für Giesinger im Kampf gegen den Rassismus scheinbar nicht mehr. Zwischen Hautfarben zu unterscheiden, ist wieder in. Auch im Youtube-Video „Rassismus im Drogeriemarkt: Kein Make-up für mich!“ beschwert sich eine schwarze Frau namens Ashley über von ihr empfundenen Rassismus. Sie finde hierzulande kein passendes Make-up für sich.
Nachdem sie auf eigene Nachfragen bei Kosmetikunternehmen die Antwort erhielt, daß es sich angesichts drei Prozent schwarzer Bevölkerung in Deutschland nicht lohne, mehrere dunkle Make-up-Töne herzustellen, schließt sie mit einer Klarheit, die jeden Wirtschaftswissenschaftler umhaut: „Es macht doch gar keinen Unterschied, wenn man sagt, wir stellen auch ein paar dunkle Shades in die Regale, weil logistisch macht das gar keinen Unterschied.“ Daß hier Marktgesezte und Logik ausgesetzt werden, fällt abermals der Moderatorin nicht auf.
Format ist so beliebt wie schwarze Pflaster in Deutschland
Daß aber in den meisten Make-up-Produkten der Mineralstaub „Mica“ enthalten ist, thematisiert weder die Interviewte noch Moderatorin Eda Vendetta. Mica wird meist in ostindischen Minen von Kindern abgebaut. Die schwarze Ashley hinterfragt auch die Farben von Pflastern: „Warum sind alle Pflaster ‘hautfarben’?“ Daß Pflaster eigentlich keine modischen Accessoires sind, sondern dem Schutz von Wunden dienen, ist allen beteiligten so egal wie die Gesetze der Ökonomie.
Laut der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten soll der Sender „funk“ die „Lebenswirklichkeit und die Interessen junger Menschen als Zielgruppe in den Mittelpunkt stellen“. Außerdem diene der Jugendsender „zur Erfüllung der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Zielgruppe“. Angesichts der beschriebenen banalen bis blöden Inhalte von „Auf Klo“ gilt es zumindest zu bezweifeln, ob das Format diesem Auftrag nachkommt.
In der erwähnten freien Wirtschaft scheinen sich überdies ähnliche Projekte wie „Auf Klo“ nicht durchzusetzen. Als „Auf Klo“-Redaktionsleiterin Popov beim privaten TikTok-Kanal „mitreden“ wollte, scheiterte das Projekt. Kurz nach dem Start stieg die 28jährige gebürtige Bulgarin wieder aus. In der Kommentarspalte vieler Videos von „mitreden“ sammelten sich negative Kommentare. Im Januar 2022 wurde das Format eingestellt.
JF 20/22