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Streiflicht: Das Schutzgeld wird fällig

Streiflicht: Das Schutzgeld wird fällig

Streiflicht: Das Schutzgeld wird fällig

Izmir
Izmir
Flüchtlinge im türkischen Izmir Foto: picture alliance/AA
Streiflicht
 

Das Schutzgeld wird fällig

Die Türkei ist unverkennbar ein politischer Profiteur der Asylkrise. Einmal erfolgreich eingesetzt, wird Erdoğan das Instrument des Schleusentores nicht mehr aus der Hand legen. Wie eine Daumenschraube kann der Migrantenstrom mal geöffnet und mal geschlossen werden. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Die Türkei ist unverkennbar ein politischer Profiteur der Asylkrise. Beim EU-Türkei-Sondergipfel am vergangenen Wochenende in Brüssel hielt Ankaras Premierminister Ahmet Davutoglu strahlend Hof. Ehrfürchtig näherten sich europäische Staatschefs Erdoğans Statthalter und suchten seine Nähe. Vorbei die Zeit, als man glaubte, mit den Erben des Osmanischen Reiches wie mit Bittstellern eines Dritte-Welt-Staates umspringen zu können.

Das Land am Bosporus hat die weiche Stelle der EU und vor allem Deutschlands erkannt – und es nutzt die Möglichkeit entsprechend den eigenen nationalen Interessen virtuos aus. Der wirtschaftliche Riese EU zeigt sich im Falle der illegalen Migration als politischer Zwerg. Die Gemeinschaft ist unfähig, ihre Außengrenzen zu kontrollieren. Das liegt bekanntlich nicht an technischen Möglichkeiten, es fehlt alleine am politischen Willen.

Türken sollen unangenehme Arbeit abnehmen

Da die deutsche Bundeskanzlerin sich bislang konsequent weigert, geltendes Recht an unseren Grenzen durchsetzen zu lassen, und auch die EU nicht zwingt, die Außengrenzen mit allen Mitteln zu schützen, hoffen nun die politisch Verantwortlichen auf die Türken, daß sie ihnen gnädigerweise die unangenehme Arbeit abnehmen, den Zug der Völkerwanderung über Ägäis und Balkan abzuschnüren.

Die europäischen Politiker seien „auf den Knien“ zu Erdoğan „gerutscht“, konstatierte der französische EU-Diplomat und langjährige Pariser Botschafter in Ankara, Marc Pierini, gegenüber der Financial Times und ergänzt: „Und nun spielt er mit uns!“ Die immer wieder aus guten Gründen in die Länge gezogenen EU-Aufnahmeverhandlungen sind aus Sicht der Türkei eine tiefe Demütigung – nun „genießt Erdoğan die Rache“ (Le Monde).

Großes Erpressungspotential

Das Aufatmen im Berliner Regierungsviertel ist zu spüren, als Medien Anfang der Woche melden, die türkische Polizei habe schon kurz nach dem Sondergipfel mal eben in einem Einsatz 1.300 Flüchtlinge an der Westküste aufgegriffen und mutmaßliche Schlepper festgenommen. Plötzlich geht das. Visafreiheit ab Oktober 2016, Beschleunigung des Beitrittsprozesses, Hilfsmilliarden – das Schutzgeld ist erpreßt, die Familie handelt.

Einmal erfolgreich eingesetzt, wird Erdoğan das Instrument des Schleusentores nicht mehr aus der Hand legen. Wie eine Daumenschraube kann der Migrantenstrom mal geöffnet und mal geschlossen werden. Das Erpressungspotential bleibt so lange virulent – bis Deutschland sich dazu aufrafft, die Herrschaft über Recht und Gesetz an den Grenzen wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dazu fehlen bislang Mut und Entschlossenheit. So lange wird die Türkei ihre Spielräume nutzen. Makaber bleibt es, daß sie für diesen Machtpoker mit dem Schicksal von Flüchtlingen spielt.

JF 50/15

Flüchtlinge im türkischen Izmir Foto: picture alliance/AA
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