BERLIN. Schulden für Investitionen in die Infrastruktur erscheinen bei dem maroden Zustand von Straßen, Brücken, Schienen, Schulen und Krankenhäusern nicht unplausibel. Doch werden die kaputtgesparten Bereiche überhaupt davon profitieren? Daran hegen Wirtschaftsexperten zunehmend Zweifel.
Denn ein entscheidendes Wort im Zusammenhang mit den Ausgaben fehlt im Sondierungsergebnis von Union und SPD: „zusätzlich“. Daher mehrt sich unter Experten der Verdacht, daß mit der halben Billion Euro lediglich Lieblingsprojekte der künftigen Koalitionspartner finanziert werden sollen. Von „zusätzlichen“ Investitionen ist keine Rede – das monieren nun auch die Grünen, die für die Zweidrittelmehrheit im abgewählten Bundestag unbedingt benötigt werden.
Immer mehr Ökonomen warnen, die Sondierungs-Beschlüsse seien lediglich ein „Verschiebebahnhof“. Schon seit langem eingeplantes Geld solle durch das „Sondervermögen“, bei dem es sich um die größten Schulden in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland handelt, in Lieblingsprojekte von CDU/CSU und Sozialdemokraten fließen.
Schuldenorgie nicht für zusätzliche Investitionen?
Profitieren würden davon Steckenpferde der künftigen Koalitionäre, wie die Ausweitung der Mütterrente, das Beibehalten des hohen Bürgergeldes und eine Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie, aber keine neuen Investitionen. Der Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, kritisiert im Spiegel: Offensichtlich nutzten Union und SPD ihren neuen finanziellen Spielraum für „unsinnige Subventionen und Klientelpolitik“.
Auch die Grünen monieren scharf, daß Schwarz-Rot mit den in den Sondierungen beschlossenen Maßnahmen keinesfalls neue Investitionen für Deutschland schaffe. Das ist entscheidend, weil die Verfassungsänderungen ohne deren abgewählte Fraktion im alten Bundestag nicht beschlossen werden können. Parteichefin Franziska Brantner beklagte: „Es ist unglaublich, daß es nur neues Geld für alte Schläuche geben wird.“
Nun schloß sich der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) der Kritik an. Auf X forderte er: „Solange unklar bleibt, ob das Sondervermögen Infrastruktur auch tatsächlich für echte (!) und zusätzliche (!!) Investitionen vorgesehen ist, spricht einiges dafür, die Änderungen zu Verteidigung (sehr schnell) und Infrastruktur (ausgeruht) getrennt voneinander vorzunehmen.“
Solange unklar bleibt, ob das Sondervermögen Infrastruktur auch tatsächlich für echte (!) und zusätzliche (!!) Investitionen vorgesehen ist, spricht einiges dafür, die Änderungen zu Verteidigung (sehr schnell) und Infrastruktur (ausgeruht) getrennt voneinander vorzunehmen. 2/2
— Danyal Bayaz (@DerDanyal) March 8, 2025
Grüne bringen Merz in Not
Hinter diese Forderung stellten sich später auch die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Bremens Finanzsenator Björn Fecker (Grüne). Sie wollen nun außerdem, daß die Kommunen mindestens 40 Prozent des Sondervermögens erhalten. Dies wäre eine Verdopplung des von Schwarz-Rot geplanten Umfangs.
Die Forderungen der Grünen, die ohnehin schon eine Umwidmung für Klimaschutz verlangen, bringen Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) in Schwierigkeiten. Denn mit den Sondervermögen ist er vor allem den Sozialdemokraten entgegengekommen. Er brach damit sein Wahlversprechen, keine neuen Schulden zu machen. Nun müßte er seine Pläne noch weiter anpassen. (fh)