GRENOBLE. Der deutsch-französische Hochschullehrer Klaus Kinzler hat vor einer Einschränkung der Meinungs- und Forschungsfreiheit an Universitäten gewarnt. „Der heutige Forscher ist im permanenten Kampf gegen Unterdrückung, abweichende Meinungen duldet er nicht“, kritisierte der in Deutschland geborene Professor am politologischen Institut der Hochschule Sciences Po Grenoble gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung.
Zwar sei die Einrichtung „schon immer links“ gewesen, „aber man konnte über alles reden“. Heute gehe es jungen Sozialwissenschaftlern ermuntert von linken Professoren jedoch häufig nur darum, strukturellen Rassismus, Sexismus und Islamophobie zu beweisen. „Dies mittels Zirkelschlüssen, Leugnung von widersprechenden Tatsachen und Fakten, die oft nur auf Gesprächen und Gefühlen beruhten“, resümiert die Zeitung.
Sechs Wochen unter Polizeischutz
Seit Dezember 2020 war Kinzler wegen angeblich islamophober Äußerungen unter Kollegen und Studenten in die Kritik geraten, nachdem er den Begriff „Islamophobie“ als Teil einer Aktionswoche „für Gleichheit und den Kampf gegen Diskriminierung“ als unpassend beanstandete. Dessen Sinn sei fragwürdig und man könne sich fragen, ob es nur „um eine Propagandawaffe von Extremisten geht, die intelligenter sind als wir“.
Sofort hätten sich andere Professoren und linke Studentengruppen in die Debatte eingeschaltet. Kinzlers Angaben zufolge habe ihn dann sein Kollege Vincent Tournier Ende Februar darauf aufmerksam gemacht, daß es auf Facebook eine Welle von Haßbotschaften, Bedrohungen und Denunziationsaufrufen gegen ihn gebe. Kurze Zeit darauf hätten Plakate vor dem Eingang des politologischen Instituts gehangen mit der Aufschrift: „Faschisten in unseren Vorlesungssälen. Tournier und Kinzler: Rücktritt! Islamophobie tötet.“ Kinzler ließ sich krankschreiben und erhielt sechs Wochen lang Polizeischutz.
Im Mai veröffentlichte das französische Erziehungsministerium einen 55 Seiten langen Untersuchungsbericht über die Vorfälle. Den Politikwissenschaftler wühlte dessen Lektüre nach eigenen Angaben so sehr auf, daß er die ganze Nacht wachgeblieben. Am nächsten Morgen sei er während einer Fahrradfahrt eingeschlafen, gestürzt und wegen eines zerstörten zerfetzten Lungenflügels sechs Wochen im Krankenhaus behandelt worden.
Ministeriumsbericht entlastet Professoren
Der Bericht kam zu dem Schluß, Kinzler gelte unter seinen Studenten als guter Professor und daß die Vorwürfe gegen ihn und Tournier, der sich in seinen Vorlesungen mit islamistischen Strömungen befaßt, haltlos und politisch motiviert seien. Den Studentengruppen sei es allein darum gegangen, zwei Professoren zu vertreiben, „weil sie die einzigen ‘rechten’ Professoren am politologischen Institut sind“. Die Kritiker hätten mit Diffamierungen, Verdächtigungen und Denunziationsaufrufen ein Klima der Angst verbreitet. Ihre Methoden erinnerten an „dunkelste Kapitel der Geschichte“.
Die Kampagne gegen Kinzler ist kein Einzelfall. Auch in Deutschland verleumdeten linksradikale Gruppen etwa die Politikwissenschaftler Herfried Münkler, den Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera und den Historiker Jörg Baberowski in Berlin sowie den Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke in Hamburg. In den USA beklagte der Philosoph Peter Boghossian vor kurzem eine Ideologisierung der Universität und gab seinen Rücktritt bekannt. (ls)