BERLIN. Noch bevor die Evaluierung der Corona-Beschränkungen vorliegt, läßt Karl Lauterbach (SPD) durchblicken, er werde sie ignorieren. Denn es sickert durch, daß viele Maßnahmen nichts gebracht haben oder sogar schädlich waren. Doch genau die will der Gesundheitsminister im Herbst wieder anwenden.
In einem Podcast äußerte Lauterbach jetzt Kritik an dem Expertenrat, der überprüft, ob Maskenpflicht, Lockdowns, Schulschließungen, 2G und Ausgrenzung von Ungeimpften die Corona-Pandemie tatsächlich eingedämmt haben. Die Evaluierung ist gesetzlich vorgeschrieben und muß bis 30. Juni vorliegen.
Lauterbach tut das Gremium, das von Bundestag und Bundesregierung eingesetzt wurde, bereits jetzt ab. „Da waren nur zwei Virologen drin, die restlichen Mitglieder waren eigentlich nur Juristen. Das war virologisch sehr schmal besetzt“, bemängelte er im Podcast „Apokalypse und Filterkaffee“. Und dann sagte er, wie er mit der Evaluierung umgehen wolle: „Die machen ihr Gutachten. Das wird uns abgegeben, fertig ist.“ Auch danach drehe sich die Welt weiter.
Und die soll sich in Lauterbachs Sinne drehen. Schon jetzt fordert er einen scharfen „Instrumentenkasten“ für den Herbst. Darin sollen dieselben harten Beschränkungen enthalten sein wie jene, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren angewendet wurden. Eine Evaluierung, die feststellt, daß die Maßnahmen nicht wirksam waren, wäre da hinderlich.
Maskenpflicht hat nichts gebracht
Zuletzt hat ein Expertenrats-Mitglied, der Kinderarzt Reinhard Berner, mithilfe einer Metastudie herausgefunden, daß Schulschließungen und Maskenpflicht nichts zur Eindämmung des Virus‘ beigetragen haben. Sie seien sogar schädlich gewesen.
Es ist nicht das erste Mal, daß Lauterbach die Arbeit der Kommission und deren Zusammensetzung diskreditiert. Er hatte auch schon darauf gedrungen, die Veröffentlichung des Gutachtens zu verschieben, war damit aber gescheitert. Aus seiner Sicht liegen in Deutschland nicht ausreichend Daten vor, um überhaupt einschätzen zu können, ob die Corona-Politik nützlich gewesen ist. Aus demselben Grunde verließ sein Vertrauter, der Virologe Christian Drosten, kurz darauf den Expertenrat. Auch dieser Schritt sollte das Vertrauen in die Kompetenz des Gremiums erschüttern.
Unterstützung erhält Lauterbach von den Grünen. Deren Gesundheitspolitikerin Paula Piechotta schwächt die Bedeutung des bevorstehenden Gutachtens ebenfalls bereits jetzt ab. Die Evaluierung können „allenfalls Baustein auf dem Weg zu einem vollständigen Bild der Lage“ sein, aber „nicht letzte Instanz“.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) fürchtet, „daß es schon vor der Abgabe des Evaluationsberichtes darum geht, ein bestimmtes politisches Narrativ aufrechterhalten zu können“. Der Bild sagte er, es werde eine „Beweislastumkehr“ vorgenommen: „Nach zweieinhalb Jahren Pandemie müssen nicht die Bürger nachweisen, daß die Maßnahmen wirkungslos sind. Der Staat muß nachweisen, daß bestimmte Grundrechtsbeschränkungen wirkungsvoll sind. Kann er das nicht, sind diese Maßnahmen nicht anzuwenden.“ (fh)