Der Berliner Super-Wahlsonntag liegt mehr als eine Woche zurück und immer neue Pannen kommen ans Tageslicht. Schon während des Urnengangs waren chaotische Zustände aufgetreten: stundenlanges Warten auf die Stimmabgabe, fehlende und falsche Wahlzettel, abgewiesene Wähler.
Wie nun bekannt wurde, sollen außerdem Wahlunterlagen an Minderjährige ausgeteilt worden sein. Gegenüber der Welt gaben mehrere 16jährige an, statt nur den Wahlzettel für die Neubesetzung der Bezirksverordnetenversammlung auch die für die Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl sowie den Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungskonzernen erhalten zu haben. Offenbar wußten die jeweiligen Wahlhelfer nicht, daß 16- und 17jährige nur an der einen Abstimmung teilnehmen durften.
Der Bezirkswahlleiter von Berlin-Neukölln, Kristian Schiemann, äußerte gegenüber der Zeitung: „Es ist leider nicht auszuschließen, daß Wahlvorstände in Einzelfällen gegebenenfalls versehentlich auch unter 18jährigen die Stimmzettel für die Bundestagswahl und beziehungsweise oder den Volksentscheid übergeben haben. Allerdings liegen mir und dem Wahlamt keinerlei derartigen Erkenntnisse vor.“
Weitergabe von Wahlzetteln bietet Manipulationsmöglichkeit
Sein Amtskollege für die Stadtteile Blankenburg und Weißensee, Marc Albrecht, schob die Verantwortung an die jugendlichen Wähler weiter. „Es liegt auch in der Eigenverantwortung der Jugendlichen, nicht zu wählen, falls ihnen Stimmzettel ausgehändigt werden. Das können wir von jedem erwarten, nicht an Wahlen teilzunehmen, für die er nicht zugelassen ist.“ Zugleich betonte er, es gebe keine Indizien, daß Unberechtigte in größerer Zahl an den Wahlen teilgenommen hätten.
Zudem war nun eine weitere Manipulationsmöglichkeit bei den Berliner Wahlen bekannt geworden. So hatte das Portal „wahlrechte.de“ die Berliner Landeswahlleitung schon vor dem Urnengang auf eine Regelungslücke hingewiesen. So sei es für Personen, die an allen vier Abstimmungen teilnehmen durften, möglich gewesen, Briefwahlunterlagen anzufordern und diese an Nichtwahlberechtigte weiter zu geben. Sie selbst konnten demnach am Wahltag im Wahllokal neue Stimmzettel bekommen. Nichtwahlberechtigte – wie Minderjährige und EU-Ausländer – hätten so ihre anonymisierten Stimmzettel per Briefwahl einreichen können.
„Gesamtbild einer überforderten Wahlorganisation
Die Senatsverwaltung räumte auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT ein, vor der Wahl von der Regelungslücke gewußt zu haben und Gegenmaßnahmen ergriffen zu haben. Inwiefern die Lücke dennoch ausgenutzt wurde, sei „noch nicht“ bekannt. Die Niederschriften der Wahlvorstände seien noch nicht abschließend ausgewertet.
Das Fazit des Wahlportals lautet unterdessen: „Der Vorgang paßt ins Gesamtbild einer überforderten Wahlorganisation.“