Die Zustimmung zu den wegen der Coronapandemie ausgesprochenen Kontaktsperren ist riesig. Laut Umfragen sollen 95 Prozent der Bundesbürger die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit befürworten und Politik und Medien loben die Bevölkerung für ihre große Disziplin in der Krise. Kaum jemand wagt es derzeit, die massive Beschneidung der Bürgerrechte zu hinterfragen. Dabei könnten die eingeführten Regeln und die teils empfindlichen Strafen juristisch auf äußerst tönernen Füßen stehen. Dies machte jetzt die Juristin Jessica Hamed in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau deutlich.
Hamed, der von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt im Februar der Titel „Fachanwältin für Strafrecht“ verliehen wurde, gehört zu den wenigen Juristen, die sich derzeit trauen, öffentlich zur Rechtslage Stellung zu beziehen. Ihr Urteil: Vielen Menschen werde durch die Schließung von Geschäften die Ausübung ihres Berufs untersagt, so daß dort in den Kernbereich der Berufsfreiheit und gegebenenfalls in die Eigentumsfreiheit eingegriffen werde.
Sie kritisiert: „Die Versammlungsfreiheit – eines der wichtigsten Grundrechte in einem Rechtsstaat – ist faktisch aufgehoben.“ Zudem sei mit den politisch beschlossenen Maßnahmen „die Glaubensfreiheit durch die Schließung religiöser Begegnungsstätten massiv eingeschränkt“. Auch in die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ werde eingegriffen, wenn der Staat Kontaktverstöße bis in die eigenen vier Wänden hinein verfolge. Mit anderen Worten: „Es ist kaum ein Grundrecht nicht massiv in seinem Kernbereich betroffen.“
Politiker und Bürger schweigen
Dennoch scheint sich derzeit kaum jemand um die uns so plötzlich weggenommen Grundrechte zu scheren. Nicht die Politiker, die diese Grundrechtsbeschneidungen auf Geheiß der Virologen ausgesprochen haben. Sie drohen damit, Deutschland in eine Art Rätediktatur zu verwandeln, in der immer die jeweiligen Experten bestimmen, was der Rest des Volkes zu tun und zu lassen hat.
Nicht die Bürger selbst, die in ihrer Todespanik offenbar bereit sind, alles aufzugeben, was das Leben lebenswert macht. Schon gar nicht die großen Medien, die in einer Mischung aus Clickbaiting und Obrigkeitshörigkeit zum Katalysator dieser Massenpanik geworden sind.
Auch Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Psychologie oder eben der Rechtswissenschaft wagen es bislang nur sehr zaghaft, den oft ziemlich dürftigen Analysen der Virologen zu widersprechen. Kritik an den politisch Verantwortlichen hört man auch nicht. Obgleich unzählige Menschen und Unternehmen durch die beschlossenen Maßnahmen vor der Existenzvernichtung stehen oder bereits pleite sind, ertragen sie die Situation. Das tun sie in einer bravbürgerlichen Duldungsstarre, aus der allerdings kaum neues Leben entstehen wird.
„Deutschland ist nicht Italien“
Diese gesellschaftliche Lähmung beunruhigt auch Jessica Hamed. Sie begründet die Lähmung mit der „Angst vor der Situation“, aber auch mit der „Angst vor massivem Gegenwind“, wenn man sich in der Krise kritisch zu Wort meldet. Das Gebot der Stunde scheint zu sein: „Inter arma enim silent leges.“ Im Krieg schweigen die Gesetze, wie schon der römische Politiker Cicero wußte.
Hamed kritisiert auch den derzeit von vielen so gelobten bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Sie spricht dabei einen weiteren Punkt an, der in der öffentlichen Debatte hierzulande bislang viel zu kurz gekommen ist: „Marcus Söder verweist immer wieder darauf, dieses oder jenes hätten andere Länder auch gemacht. Dabei wird verkannt, daß sich die Länder im Hinblick auf ihr Gesundheitswesen, der Bevölkerungszahl, -dichte und des Alters, Vorerkrankungen, Sozialverhalten, Lebenssituation usw. erheblich unterscheiden. Deutschland ist nicht Italien oder Großbritannien.“
Regierung hätte auf Warnungen hören müssen
Tatsächlich sind die Unterschiede in den Gesundheitssystemen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Staaten so groß, daß jede Argumentation mit der Übertragung der dort möglicherweise richtigen Mittel auf Deutschland hochgradig unseriös ist.
In einem ist sich die Juristin mit den Virologen einig. Die Bundesregierung hätte schon vor Jahren auf die Warnungen und Risiko-Analysen von Experten hören und entsprechend handeln müssen. Im Hinblick darauf müsse man sich zu gegebener Zeit fragen, ob wir hier Zeugen eines beispiellosen politischen Versagens geworden seien und wie wir das in Zukunft vermeiden können.