Wahrscheinlich ist es leichter, die Lottozahlen vorherzusagen als die Ergebnisse eines AfD-Parteitags. Wenn die knapp 600 Delegierten am Wochenende in Braunschweig zusammenkommen, um einen neuen Bundesvorstand zu wählen, dann sind Überraschungen nicht ausgeschlossen. In der immer noch vergleichsweise jungen Partei drängen Unbekannte auf Spitzenämter, können auch Favoriten mal nicht reüssieren.
„Daß vorgestanzte Listen einfach nur abgenickt werden, wie das bei anderen Parteien gang und gäbe sein mag, werden Sie bei uns nicht erleben“, betonte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, am Montag vor Journalisten in Berlin. Einer also, so könnte man sagen, aus dem Funktionsestablishment der AfD, doch sichtlich stolz auf die Basisdemokratie einer politischen Formation, die sich in so vielem als Alternative zu den etablierten Parteien versteht.
Um so spannender also, wer künftig die Parteispitze bilden wird. Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Fliegen die Fetzen oder herrschen Friede und Harmonie zwischen den verschiedenen innerparteilichen Strömungen? Welche Auswirkungen haben die jüngsten Wahlerfolge in Brandenburg, Sachsen und Thüringen? Und inwiefern bricht sich auch in der tendenziell eher unruhigen AfD der Wunsch nach einer gewissen Kontinuität Bahn?
Tino Chrupalla als Kronprinz
Im Grunde genommen, so meint ein Bundestagsabgeordneter, hänge alles davon ab, ob Alexander Gauland noch einmal antritt oder nicht. Daß der Parteisenior eigentlich keine weitere Amtszeit mehr als Co-Vorsitzender anstrebt und sich lieber zum Ehrenvorsitzenden küren lassen würde, daraus machte er keinen Hehl. Aber, das betonte er immer wieder auf die Frage nach seinen Ambitionen: wenn Not am Mann ist, stünde er bereit.
Entscheiden werde er sich vor Ort in Braunschweig. Ein solcher Notfall wäre der Moment, in dem ein von Gauland unterstützter Kandidat an der Spitze durchfiele. Auf keinen Fall soll es einen zweiten „Fall Sayn-Wittgenstein“ geben, so wie vor zwei Jahren in Hannover, als die bis dato weitgehend unbekannte Abgeordnete aus Schleswig-Holstein beinahe Parteivorsitzende geworden wäre. Eine Frau, die der Bundesvorstand nun im zweiten Anlauf aus der Partei werfen ließ.
Kein Geheimnis ist, daß Gauland den sächsischen Bundestagsabgeordneten Tino Chrupalla gerne als Sozius eines wiedergewählten Jörg Meuthen sähe. Der erfüllt quasi die Erwartungen an eine eierlegende Wollmilchsau der Partei. Denn was man sich im Umfeld des Patriarchen aus Brandenburg für diese Position wünscht, ist ein Kandidat aus dem Osten, der zum einen die aus den dortigen Wahlerfolgen abgeleiteten Ansprüche auf angemessene Repräsentanz verkörpert, die „Sprache“ der AfD in den östlichen Bundesländern spricht, das „Einer von uns“ verkörpert.
Gute Chancen für Meuthen
Jemand, der zum anderen von seiner Persönlichkeit und seinem Auftreten her aber auch den – zahlenmäßig dominierenden – westdeutschen Verbänden gut vermittelbar ist. Als selbständiger Handwerksmeister und Mittelständler trifft dies auf den Sachsen zu. Zumal Gauland stets hervorhebt, wie sehr er Chrupallas Arbeit in der Fraktion schätzt, wo der direkt gewählte Abgeordnete aus Görlitz, als Vizevorsitzender für Finanzen zuständig, manche Scharte ausgewetzt hat. Ein Duo Meuthen/Chrupalla wäre ganz im Sinne derer, die sowohl den West/Ost-Proporz als auch die Kontinuität gewahrt wissen wollen.
Doch das bedeutet nicht, daß die beiden damit „gesetzt“ sind. Daß es Gegenkandidaten geben wird, gehört zu den – wenigen – Gewißheiten in Braunschweig. Manch einer betrachtet das mit gemischten Gefühlen, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits sei es ja ganz schön, meint ein anderer AfD-Parlamentarier, daß es so viele in der Partei gebe, die sich für eine Führungsposition geeignet hielten. Andererseits sei Kontinuität und Berechenbarkeit wichtig, denn in den kommenden zwei Jahren könnten wichtige Weichenstellungen die AfD betreffen.
„Meuthen muß es wieder werden“, bekräftigt ein führendes AfD-Mitglied. „Ich halte seine Wiederwahl für wahrscheinlich“, meint ein anderer Bundespolitiker. Viel hänge von der Qualität seiner Rede ab: „Wenn das wieder so wie damals in Stuttgart oder in Köln wird, hat er die Leute sicher auf seiner Seite“, ist der AfD-Mann überzeugt. Wie die JUNGE FREIHEIT aus Parteikreisen erfuhr, wird Meuthens Kandidatur von fünf Landesvorsitzenden unterstützt: Holm (Mecklenburg-Vorpommern), Lambrou und Hermann (beide Hessen), Lucassen (Nordrhein-Westfalen) sowie Urban (Sachsen).
Curio strebt Posten an
Für Chrupalla indes, so befürchten manche, die seine Wahl gerne sähen, könnte sich gerade das Protegieren durch Gauland als ein Nachteil erweisen. Denn, so ist zu vernehmen, der – gefühlte – Kronprinzenstatus stößt bei manchen auf Ablehnung. Man will sich nichts von oben vorschreiben lassen, dieser Widerwillen ist symptomatisch für die AfD.
Und der Wunsch-Nachfolgekandidat des Noch-Co-Vorsitzenden hat gerade Konkurrenz bekommen. Kurz vor dem Parteitag warf der Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio seinen Hut in den Ring. Er möchte als Co-Vorsitzender kandidieren – möglicherweise gegen Chrupalla. Curios Name soll auf einer sogenannten Konsensliste, die in Parteikreisen kursiert, stehen. Im Bundestag hatte sich Curio jüngst zweimal vergeblich für ein Amt in der Fraktionsführung bemüht.
Doch obwohl er mit seinen Debattenbeiträgen im Bundestagsplenum bei AfD-Anhängern gut ankommt und die Videos seiner Beiträge in sozialen Netzwerken häufig geteilt werden, versagte ihm eine Mehrheit der Fraktionskollegen die Unterstützung. Das mag daran liegen, daß er eher als Einzelgänger gilt. Aber Curios rhetorische Stärken, sein „Sound“ könnten für die eher basisorientierten Delegierten – anders als bei den Politprofis im Reichstag – ausschlaggebend sein.
Mögliche Unterstützung durch Meuthen-Gegener
Zu Wochenbeginn hat die sächsische AfD daher noch einmal ihren Anspruch auf Beteiligung an der Parteispitze bekräftigt: „Die sächsische AfD ist auf diesem Weg so erfolgreich wie kein anderer Landesverband“, teilte der Fraktions- und Landesvorsitzender Jörg Urban via Pressemitteilung mit. Fast ein Drittel der Wähler, prozentual soviel wie in keinem anderen Bundesland, habe im Freistaat „für unsere politische Agenda“ gestimmt.
Deswegen „sollte, ja muß, Sachsen die politische Richtung im AfD-Bundesvorstand der Partei mitbestimmen“, betonte Urban. Medienberichte, wonach sich Mitglieder der aktuellen Parteispitze am Dienstagabend dafür ausgesprochen haben, daß Chrupalla – und nicht Gauland – antritt, sind insofern vor allem als ein Signal zu verstehen. An der grundsätzlichen Bereitschaft des gewieften Politprofis mit der Hundekrawatte, zur Not eben doch wieder bereitzustehen, änderte dies nichts.
Weniger Chancen räumen Insider unterdessen Niedersachsens Landesvorsitzender Dana Guth ein, sollte sie sich tatsächlich als Gegenkandidatin zum Sachsen Chrupalla für den Posten eines Zweiten Bundessprechers bewerben. Als Außenseiterin (was immer das in der AfD bedeutet) will sich auch die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst für die Parteispitze bewerben – mutmaßlich gegen Meuthen. Sie kandidiere, um als Frau deutlich zu machen, daß die AfD keine Alte-Männer-Partei sei, sagte Höchst in einem Video. Beobachter sind überzeugt, daß sie vor allem durch eine Gruppe von Meuthen-Gegnern unterstützt wird.
Viele Kandidaten für Partei-Vize
Die bisherige Beisitzerin im Bundesvorstand und Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, tritt für einen der Vize-Sprecher-Posten an, genauso wie Roland Hartwig, Leiter der Arbeitsgruppe Verfassungsschutz und Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen. Sie beide stehen auch auf der informellen Konsensliste. „Als mitgliederstärkster Landesverband beanspruchen wir einen Stellvertretenden Bundesvorsitzenden“, sagte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen der JUNGEN FREIHEIT.
Damit verbunden sei jedoch kein Votum für einen bestimmten Kandidaten, bewirbt sich der derzeitige Parteivize Kay Gottschalk aus demselben Landesverband NRW doch ebenfalls wieder. Auch die aktuellen Vizes Georg Pazderski und Albrecht Glaser wollen ihren Hut erneut in den Ring werfen. Bereits frühzeitig hatte dies auch der rheinland-pfälzische Fraktionschef Uwe Junge angekündigt. Unter den derzeitigen Beisitzern gilt eine Kandidatur sowohl von Beatrix von Storch als auch von Andreas Kalbitz als sicher.
Der Brandenburger Landes- und Fraktionsvorsitzende wird genauso wie der stellvertretende Schatzmeister Frank Pasemann ausdrücklich vom nationalkonservativen „Flügel“ unterstützt. Wobei in internen WhatsApp-Gruppen unterschiedliche Listen als vom „Flügel“ gewünscht kursieren. Es gebe offenbar nicht mehr den einen „Flügel“, sondern eine gewisse „Binnendifferenzierung“ dieser innerparteilichen Gruppe, sind AfD-Funktionäre überzeugt.
Was plant der Flügel?
Wie in der Vergangenheit auch, treibt viele, vor allem Journalisten, die Frage um, ob sich das Gesicht des „Flügels“, Thüringens Landes- und Fraktionsvorsitzender Björn Höcke, um einen Posten im Bundesvorstand bewerben wird oder nicht. Er selbst hatte Fragen zu entsprechenden Ambitionen stets ausweichend beantwortet. Die meisten führenden Funktionäre, so der Eindruck nach zahlreichen Gesprächen, rechnen nicht mit einer Kandidatur Höckes. Nur – ausgerechnet – die Antifa („Die zu erwartende Wahl von Björn Höcke in den Parteivorstand …“) ist vom Gegenteil überzeugt.
In einem Facebook-Beitrag zum Parteitag teilte Höcke mit, man habe „mit Andreas Kalbitz und Frank Paseman in der ablaufenden Amtszeit nur zwei ausgewiesene Flügel-Vertreter im dreizehnköpfigen Bundesvorstand“ gehabt. Das sei „eine klare Unterrepräsentation“, eine Verdoppelung „wäre zumindest angemessen“. Er betonte, die bisherigen „Flügel“-Leute im Vorstand seien „auch um Ausgleich mit anderen Strömungen und Gruppen bemüht“, dies solle so bleiben. Aber: „Keine Unterstützung des Flügels werden in Braunschweig jene Kandidaten bekommen, die in den letzten Jahren durch Wort und Tat ihre fehlende Integrationskraft bewiesen haben.“
Das richtet sich ganz offensichtlich gegen jene, die sich im Sommer in einem Aufruf („Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei“) gegen die Machtansprüche des Thüringers und seiner Gefolgsleute gewandt hatten. Dazu gehörten die Bundesvorstandsmitglieder Georg Pazderski, Kay Gottschalk, Albrecht Glaser sowie Klaus Fohrmann, genauso wie Niedersachsens Landesvorsitzende Dana Guth. Versöhnlicher heißt es am Schluß des Höcke-Statements: Weder plane der „Flügel“ einen „‘Durchmarsch’ oder einen ‘Umsturz’, noch ist Braunschweig gleich Essen“.
Auch Bundesschiedsgericht wird neu gewählt
Es werde auch keinen „klärenden Richtungsparteitag, wie manche ‘Hitzköpfe’ meinen“, geben. Das könnte auf diejenigen Stimmen gemünzt sein, die hoffen (oder befürchten), am Ende könne das Ergebnis ähnlich aussehen wie bei der Wahl des Landesvorstands in Nordrhein-Westfalen: ohne „Flügel“-Repräsentanten. Doch das ist ohnehin nicht wahrscheinlich. Es sollten alle innerparteilichen Strömungen abgebildet werden, heißt es immer wieder von Mitgliedern der Parteiführung.
Ein AfD-Abgeordneter hält einen Überraschungscoup, bei dem jemand vollkommen Unbekanntes an die Spitze kommt, für eher unwahrscheinlich. Auch die Delegierten seien mittlerweile erfahrener, ist der Politiker überzeugt. Daß es einen „Ansturm auf die Posten“ und damit mehrere Wahlgänge geben werde, das sei jedoch höchst wahrscheinlich. Relativ sicher sind sich führende Funktionäre, daß es den Delegierten vor allem um die Vorstandswahl geht. Daher würden wahrscheinlich die Sach- oder Satzungsänderungsanträge relativ schnell abgearbeitet oder gar vertagt werden.
Von denen bergen einzelne Sprengstoff. Da wird etwa von einigen aus Baden-Württemberg gefordert, die Unvereinbarkeitsliste der Partei komplett aufzuheben. Oder daß Vorstandsmitglieder, die ein am Ende erfolgloses Ausschlußverfahren gegen ein Mitglied beantragt haben, von ihrem Amt zurücktreten müssen. Mit Spannung wird deswegen auch die Neuwahl von Richtern des Bundesschiedsgerichts erwartet.
Linksextreme Gegenproteste
An der städtischen Volkswagen-Halle, in der die Delegierten ab Samstag vormittag tagen, ist bereits auf Druck des VW-Betriebsrates das Namensschild mit Platten verdeckt worden. Etwa 23.000 Unterzeichner hatten zuvor mit einer Petition die Stadt Braunschweig aufgefordert, den Mietvertrag mit der AfD zu kündigen. Der Rat der Stadt hatte jedoch mit großer Mehrheit beschlossen, den Mietvertrag mit der AfD nicht anzufechten, da aus Sicht der Stadtverwaltung eine Kündigung rechtswidrig wäre.
Unterdessen, haben auch die Gegner der AfD in Braunschweig wieder mobilisiert. Mehrere Gegendemonstrationen sind angekündigt, die erste findet unter dem Motto „Crash the Party“ bereits am heutigen Freitag abend statt. Als „radikale Linke und Antifaschist*innen aus dem ganzen Bundesgebiet“ wolle man „den Bundesparteitag der AfD stören!“ Der Einsatzleiter der Polizei, Roger Fladung, erwartet „eine sicherlich nennenswerte Größe von Gruppen aus dem linksextremen Spektrum, die gezielt durch Gewalt verhindern wollen, daß der Parteitag stattfinden kann, oder die Gewalt gegen Polizei und andere richten wollen“, sagte er der Presse. Der Vizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig rechnet mit mehr als 500 Linksextremen.
Gemeinsam mit dem örtlichen Bündnis gegen Rechts rufen zur Teilnahme an Kundgebungen gegen die AfD auch SPD, Grüne und Linkspartei auf, sowie die Gewerkschaften Verdi, IG Metall und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Ebenso wie die Deutsche Kommunistische Partei, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Den Teilnehmern der Kundgebung empfiehlt das Bündnis als Information zum Verhalten gegenüber den Sicherheitskräften die Broschüre „Was tun, wenn’s brennt“ der linksextremen „Roten Hilfe“.
Auch die Kirche ist gegen die AfD
Auch die evangelische Landeskirche Braunschweig hat sich den Protesten gegen den AfD-Parteitags angeschlossen. „Als Kirche treten wir für eine menschenfreundliche und weltoffene Stadt ein“, heißt es in einer Erklärung von Landesbischof Christoph Meyns. Der Präsident der Landessynode, Peter Abramowski, hat sogar den Aufruf des von linksradikalen Gruppen mitorganisierten Bündnisses unterzeichnet. Wie Meyns Vertretern der Synode mitteilte, habe er vereinzelt auch kritische Briefe von Kirchenmitgliedern als Erwiderungen auf seine Erklärung gegen die AfD erhalten.
Den Protesten gegen die AfD nicht anschließen will sich dagegen der Vorsitzende des CDU-Landesverbandes Braunschweig, Frank Oesterhelweg. Unter Verweis auf andere Demonstrationsteilnehmer sagte er in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung: „Es macht für mich keinen Sinn, mit Extremisten wie den Linken gegen andere Extremisten zu demonstrieren.“
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) mahnte unterdessen einen gewaltfreien Protest an. „Die Demonstranten außerhalb des bürgerlichen Spektrums, also Autonome und andere, sollten daran denken, daß Gewalt ihr eigenes Anliegen diskreditiert“, sagte Pistorius der Braunschweiger Zeitung. Als nicht verbotene Partei habe die AfD ein Recht darauf, Parteitage abzuhalten. Dagegen zu protestieren sei legitim, Gewalt aber kein Mittel der politischen Auseinandersetzung.
Guth mahnt zur verbalen Abrüstung
Die AfD-Landesvorsitzende Dana Guth, sozusagen die „Gastgeberin“ des Parteitags in Braunschweig, zeigte sich ob der angekündigten Gegenveranstaltungen besorgt. „Wir wissen von früheren Parteitagen, daß es antidemokratische Kräfte gibt, die diese Gelegenheit nutzen, um AfD-Mitglieder und Delegierte auch körperlich anzugreifen. Das macht mir Sorge.“
Sie hatte bereits zu Beginn der Woche die anderen im Landtag vertretenen Parteien aufgefordert, keine negative Stimmung zu schüren. „Ich unterstelle keinem Politiker einer Partei, die auch im Landtag sitzt, daß er zu Gewalt aufruft“, sagte Guth bei einer Pressekonferenz in Hannover. Friedlichen Protest dürfe es geben. „Aber vor unserem Delegiertentreffen in Braunschweig ist die Stimmung jetzt schon aufgeheizt – und da wäre es angebracht, verbal abzurüsten“, meinte Guth. Es sieht allerdings eher so aus, daß ihre Bitte nicht auf fruchtbaren Boden gefallen ist.
Das Braunschweiger „Bündnis gegen Rechts“ hat vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen die Auflagen der Stadt für die Demonstrationen an der VW-Halle am Sonnabend geklagt. Die Vorinstanz des Verwaltungsgerichts hatte die Auflagen für rechtmäßig erklärt. Die Stadt hatte eine der beantragten Kundgebungen komplett untersagt und die anderen Standorte rund um den Tagungsort leicht verschoben. Ziel des Bündnisses ist es offenbar, mit seinen Protesten den Zugang zu erschweren. Der bleibt nach derzeitigem Stand nur noch aus einer Richtung gewährleistet.
Der Präsident des Amtsgerichts Braunschweig, Ingo Groß, hatte bereits vor Wochen in einem Vortrag zum Thema Rechtsstaat angekündigt, seine Richter stünden in einem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst zur Verfügung, um gegen mögliche Störenfriede oder Gewalttäter zügig vorgehen zu können.