Die öffentliche Hinrichtung des Bundesgenossen, der seit drei Jahren mit seiner Nation mit hunderttausend Gefallenen, Verwundeten und Millionen Vertriebenen tapfer ums Überleben kämpft, wie es Trump und sein Vize Vance vor laufender Kamera brutal vorführten, ist historisch bisher einzigartig. Man stelle sich einmal vor, Roosevelt hätte dies mit Churchill 1941 so gehalten.
Zugegeben, der von wohlfeilen EU-Solidaritätsbekundungen („We stand by Ukraine“) verwöhnte Selenskyj verhielt sich taktisch ungeschickt. Er hätte wie vor ihm Macron und Starmer devot der Weisheit des narzisstischen Präsidenten huldigen müssen, artig „Danke“ sagen und die nach Mafia-Art verlangten 500 Milliarden an Bodenschätzen von Seltenen Erden als Schutzgeld an die USA verpfänden sollen.
Und irgendwie zu hoffen, daß die Amerikaner auch ohne Sicherheitsgarantien ihre Schätze schützen würden, obwohl Putin ihnen sofort angeboten hatte, sie könnten sie von ihm auch billiger haben. Ganz offenkundig war die häßliche Szene geplant, um den gedemütigten Selenskyj für einen russisch-amerikanischen Diktatfrieden weichzuklopfen.
Was tun, wenn russische Verbände Lemberg erobern?
Doch kann man nach diesem Hinauswurf eigentlich nur noch das Schlimmste erwarten. Worst case. Die ukrainische Front bricht. Selenskyj wird gestürzt, ein rußlandhöriger Satrap vom Typ Jukanowitsch übernimmt und die russischen Truppen stehen mit Beutewaffen bestens ausgestattet in drei Wochen in Lemberg in der Westukraine an den EU-Außengrenzen.
Alternativ: Die Ukrainer leisten weiter in diesen Abnützungsschlachten, unterstützt von den Europäern, deren praktische Solidarität (abgesehen von vollmundigen Bekundungen) von Ost nach West rapide abnimmt, tapfer und erfolgreich Widerstand bis zu einem Waffenstillstand, bei dem Putin und Trump mit einem dicken Bleistift (wir kennen dies aus den Pariser Vorortverträgen von 1919 und dem Hitler-Stalin Pakt von 1940) die neue Grenze ziehen.
Europa und die Ukraine wanken, doch es ist kein Bismarck in Sicht
Wer überwacht diese dann vor Ort in der Ukraine? Nichtexistierende EU-Truppen, UNO-Blauhelme, unbewaffnete OSZE „Eisverkäufer“ in Weiß? Schon das Budapester Memorandum von 1994, bei dem sich Rußland, die USA und Großbritannien für den Schutz der ukrainischen Außengrenzen im Gegenzug für dessen Auslieferung von Atomwaffen an Rußland verpflichteten, war offenkundig das Papier nicht wert.
Für eine kurze Schrecksekunde stelle man sich vor, was einen Friedrich Merz, eine Ursula von der Leyen oder gar einen Olaf Scholz erwarten würde, sollten sie sich noch in das Oval Office trauen. Andererseits hat der Wüterich im Weißen Haus es geschafft, binnen weniger Wochen so viele Handelskonflikte und im Tagesrhythmus Streitereien von seinen Nachbarn Kanada und Mexiko angefangen über Dänemark, fast der ganzen weiteren EU, Kolumbien, Panama bis Südafrika angezettelt, daß ihm für seine angekündigte Generalabrechnung mit China kaum noch Partner und Bundesgenossen bleiben.
Die Stunde der geopolitischen Realpolitik hat geschlagen. Leider ist weit und breit kein Bismarck in Sicht.