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Filmkritik „Honecker und der Pastor“: Der DDR-Staatschef erfährt Barmherzigkeit

Filmkritik „Honecker und der Pastor“: Der DDR-Staatschef erfährt Barmherzigkeit

Filmkritik „Honecker und der Pastor“: Der DDR-Staatschef erfährt Barmherzigkeit

Erich Honecker (l., gespielt von Edgar Selge) ist auf Barmherzigkeit angewiesen Foto: Conny Klein / ZDF
Erich Honecker (l., gespielt von Edgar Selge) ist auf Barmherzigkeit angewiesen Foto: Conny Klein / ZDF
Erich Honecker (l., gespielt von Edgar Selge) ist auf Barmherzigkeit angewiesen Foto: Conny Klein / ZDF
Filmkritik „Honecker und der Pastor“
 

Der DDR-Staatschef erfährt Barmherzigkeit

Die Geschichte klingt unglaublich: Der ehemalige DDR-Staatschef Erich Honecker steht nach dem Zusammenbruch der SED-Diktatur auf der Straße. Niemand will ihn und seine Frau aufnehmen. Doch ein evangelischer Geistlicher öffnet ihm aus Barmherzigkeit die Tür seines Pfarrhauses. Eine Filmkritik.
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„Wenn das stimmt, den Film darüber will ich sehen.“ So einer der beliebtesten deutschen Schauspieler – Jan Josef Liefers – in der Gesprächsrunde „Riverboat“ am 18. März. Der „Tatort“-Star hat erst zehn Jahre nach dem Ereignis, das ihm vorkam „wie im Märchen“, davon erfahren. Entsprechend fasziniert drehte er zwei Jahrzehnte später dann den Film „Honecker und der Pastor“, der am 21. März im ZDF zur Hauptsendezeit gezeigt wurde. Er recherchierte viel und erfuhr, daß alles stimmte, was er zuvor kaum glauben konnte: Ausgerechnet der Pastor Uwe Holmer, dessen Familie unter dem DDR-Staatsoberhaupt Erich Honecker gelitten hatte, gewährte dem Kommunisten Obdach.

Rückblende in die späte Phase der SED-Diktatur: Noch am 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 huldigten die Genossen Honecker frenetisch in Ost-Berlin. Unter dem Eindruck der Friedlichen Revolution zwang ihn das SED-Politbüro nur zehn Tage später zum Rücktritt als Staatschef. Nach dem Fall der Mauer am 9. November war die Partei nicht mal mehr in der Lage, ihm eine Wohnung zu besorgen. Was für ein tiefer Fall!

Weil das Regierungsviertel in Wandlitz mittlerweile geschlossen war, waren Honecker und seine Frau plötzlich obdachlos. Da sich unter den Sozialisten niemand fand, der das „Diktatorenpärchen“ (so Liefers) aufnehmen wollte, fragte die SED ausgerechnet bei der Evangelischen Kirche in Ost-Berlin an, ob sie helfen könne – also bei einer Institution, die sie durch ihre Diskriminierungspolitik geradezu marginalisiert hatte. Bekannten sich 1946 noch fast 94 %  der Bürger in der Sowjetischen Besatzungszone dazu, einer Kirche anzugehören, so waren es nach 40 Jahren Sozialismus nur noch rund 20 %.

Den Honeckers blieben zwei Koffer

Die Kirche erkundigte sich schließlich bei dem evangelikalen Pfarrer Holmer, ob er bereit sei, Erich und Margot Honecker in sein Pfarrhaus im brandenburgischen Lobetal nordöstlich von Berlin aufzunehmen. Holmer leitete dort die diakonischen Hoffnungstaler Anstalten, wo laut seiner Aussage „Menschen ein Zuhause fanden, die im Sozialismus keinen Platz haben“ (beispielsweise Schwerbehinderte und Obdachlose).

„Honecker und der Pastor“: Trailer zum ZDF-Spielfilm

Am 29. Januar 1990 wurde der an Nierenkrebs erkrankte Honecker aus der Charité entlassen. Einen Tag später zog das einst mächtigste Paar der DDR mit zwei kleinen Koffern ins Zimmer der jüngsten Kinder von Holmer und seiner Frau Sigrid ein. Der 14jährige Kornelius und sein vier Jahre älterer Bruder Traugott räumten ihr Zimmer.

Keines von Holmers  älteren zehn Kindern durfte in der DDR  Abitur machen, weil sie sich geweigert hatten, an der atheistischen Jugendweihe teilzunehmen und in die kommunistischen Jugendorganisationen einzutreten. Hauptverantwortliche für die weitreichenden Benachteiligungen junger Christen war die Ministerin für Volksbildung gewesen: Margot Honecker (1927-2016). Das jüngste Holmer-Kind ging dann ausgerechnet für diese Frau in dem 700-Einwohner-Dorf Lobetal einkaufen.

Holmer handelte aus Barmherzigkeit

Die Barmherzigkeit des Ehepaars Holmer wurde besonders von Opfern des SED-Regimes, aber auch in manchen Kirchenkreisen kritisiert. Dabei konfrontierte Holmer seine Gäste in vielen Gesprächen durchaus mit dem Schlimmen, für das sie Verantwortung trugen. Aber vergebens. Die Honeckers zeigten keinerlei Unrechtsbewußtsein. Das änderte auch das Verhalten von Holmer nicht. Als im Film Dutzende sein Pfarrhaus belagern und Gefahr für Leib und Leben der Honeckers besteht, stellt sich Holmer mit seiner Frau vor die aufgebrachte Menge und ruft ihr zu: „Wenn ihr den Honecker haben wollt, müßt ihr mich und meine Frau umbringen.“

Das Motiv des frommen Pastors ist Barmherzigkeit, „die Haupttugend des Evangeliums und damit für Christen“. In einem Interview bekannte er: „Wir beten jeden Sonntag in unserer vollbesetzten Kirche: ‘Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern’. Wenn wir das jetzt nicht tun, dann können wir aufhören zu beten.“

Die Verbrechen des sozialistischen Systems werden in dem Film nicht verharmlost. Bei einem Fernsehinterview mit Pastor Holmer beklagte eine junge Frau, wie sie und andere im Jugendwerkhof in Torgau an der Elbe brutal mißhandelt wurden. In den rund 30 Umerziehungsanstalten wurden Tausende schwer erziehbare oder regimekritische 14- bis 18Jährige faktisch inhaftiert. Bis heute leiden noch viele von ihnen unter dem Terror, den sie dort erlebt hatten. Geradezu symbolhaft klebt der Dresdner Liefers bei seinem einzigen Auftritt in dem Film ein Wahlplakat von 1990 an: „Nie wieder Sozialismus!“

Holmer kritisiert die Evangelische Kirche

Nach zwölf Wochen im Pfarrhaus kamen die Honeckers in ein sowjetisches Militärhospital ins brandenburgische Beelitz. Margot reiste nach Chile aus. Erich folgte ihr später. Wegen Krankheit wurde der Diktator nie verurteilt.

Erich Honecker (1912-1994) wird in dem Film genial gespielt von Edgar Selge, seine Frau von Barbara Schnitzler, der Tochter des Chefkommentators im DDR-Fernsehen, Karl-Eduard von Schnitzler (1918-2001). Dieser war wegen seiner Haßattacken gegen den Westen bekannt als „Sudel-Ede“. Holmer verkörpert authentisch Hans-Uwe Bauer.

Uwe Holmer lebt im Alter von 93 Jahren im mecklenburgischen Serrahn, kümmert sich auch dort um Behinderte und schreibt eifrig Kommentare, in denen er vor allem kritisiert, daß die C-Parteien sich nicht mehr gegen Abtreibung engagieren und seine Evangelische Kirche sich viel zu viel um Politik und zu wenig um die Vermittlung des christlichen Glaubens kümmere. Hat die EKD deshalb kaum Werbung für den berührenden und tief bewegenden Film und die dazu gehörige ebenso sehenswerte Dokumentation gemacht? Oder weil Holmer einst ein führender Repräsentant der theologisch konservativen Protestanten war, der Evangelikalen?

Jahrzehnte gehörte er ihrem Dachverband an, der Evangelischen Allianz. Damit aber hätte  die unter schlechtem Image und einer Austrittswelle leidende Volkskirche eine Chance verpaßt, auf einen ihren Pastoren aufmerksam zu machen, der beispielhaft das Evangelium von Jesus Christus vorlebt.

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Die beiden Filme sind in der ZDF-Mediathek abrufbar. Wer Näheres über Holmer erfahren will, dem sei das Zeitzeugenportal www.glaube-mut-freiheit-ddr.de empfohlen. 

Helmut Matthies, evangelischer Pfarrer und bis 2017 Leiter der evangelischen Nachrichtenagrentur IDEA. 

Erich Honecker (l., gespielt von Edgar Selge) ist auf Barmherzigkeit angewiesen Foto: Conny Klein / ZDF
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