In der SPD herrscht Panik: 18 Jahre nach Einführung von „Hartz IV“, wollten die Sozialdemokraten dem lästigen Thema zum 1. Januar 2023 endlich ein Ende setzen. Mit der Einführung des Bürgergeldes planten sie, einen großen Schritt aus dem Schatten der Schröder-Reform der 2000er zu machen, die sie über die Jahre zu einer eigenen Ur-Sünde mystifiziert haben.
Nicht nur der Name sollte damit zu Grabe getragen werden. Auch handfeste Änderungen waren angedacht: neben einer Anhebung der Regelsätze um mehr als 50 Euro für Alleinstehende sehen die Pläne auch eine weitere Schwächung des Sanktionssystems für nicht-kooperationsbereit Arbeitslose und hohe Schonvermögen vor – mit dem Effekt, daß es sich für Geringverdiener bisweilen nicht mehr lohnt, noch arbeiten zu gehen.
Nun aber droht der rote Befreiungsschlag zu platzen: Am Donnerstag nahm der Bundestag das Bürgergeld mit den Stimmen der Ampel-Koalition zwar an, als Zustimmungsgesetz braucht es für die Verabschiedung aber auch das Plazet des Bundesrates. Und dort stellen sich Landesregierungen mit Unionsbeteiligung quer.
Ampel versucht, Union weichzuklopfen
Weil die Bundesregierung also absehbar ohne Mehrheit dasteht, verlegten sich Mitglieder der Koalitionsparteien zuletzt zunehmend auf den Versuch, die Union durch wenig sachorientierte Attacken weichzuklopfen. Diese sollte sich „schämen“, war da zu hören, das Verhalten der Christdemokraten sei „schäbig“ und „populistisch“.
Vorläufiger Höhepunkt war ein Redebeitrag von SPD-Chef Lars Klingbeil beim SPD-Debattenkonvent am Wochenende, wo er mit Blick auf CDU und CSU äußerte: „Wer sich so verhält, wer den Weg von Donald Trump der Verbreitung von Fake News einschlägt, wer der Meinung ist, man müsse das Land spalten, der hat nichts mehr in der politischen Mitte dieses Landes verloren.“
Als der SPD-Chef sich diesen Satz ins Redemanuskript schrieb, mag er sich daran erinnert haben, daß sich CDU-Chef Friedrich Merz in der Vergangenheit für derartige Angriffe empfänglich zeigte: Erinnert sei hier nur an seine Entscheidung von Anfang August, einen Auftritt bei einem transatlantischen Debattenforum in Berlin abzusagen, weil Linken einige Mitteilnehmer mißfielen. Es brauchte nur eine kurze Empörungswelle – und Merz spurte.
Merz zeigt sich defensiv
Es ist nicht Aufgabe der Opposition, der Regierung Mehrheiten zu verschaffen, die sie aus eigener Kraft nicht erreicht. Merz analysierte das am Dienstag bei einem Pressestatement durchaus korrekt: „Das Muster ist mittlerweile das folgende: Wir sollen uns staatspolitisch verantwortlich verhalten, und das besteht in der bedingungslosen Zustimmung für alles, was die Koalition vorlegt.“
„In dem Augenblick, wo wir Kritik an der #Ampel üben, werden wir in die Nähe der AfD gerückt und mit Donald Trump verglichen. Das ist eine Vergiftung des politischen Klimas. Ich werde aus diesem Grund noch in dieser Woche das Gespräch mit SPD-Chef @larsklingbeil suchen.“ ™ pic.twitter.com/7HgkJyU1Pr
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) November 8, 2022
Bleibt der CDU-Chef also dieses Mal stehen? So wie – das sei hier fairerweise zugestanden –, als die Union der Impfpflicht die Zustimmung versagte und das Vorhaben damit zu Fall brachte? Zweifel sind angebracht, denn im bereits erwähnten Pressestatement mokierte sich Merz sogleich wieder gewohnt defensiv darüber, mit AfD und Trump verglichen zu werden.
Damit trat er einmal mehr nicht aus den Narrativen von Links heraus, sondern spielte das rot-grüne Spiel mit. Um dann anschließend auch noch zu erklären, daß er gerne mit Klingbeil reden wolle, dieser ihm bisher aber noch nicht geantwortet habe. Anstatt die Regierung in ihrem Problem schmoren zu lassen, will der CDU-Chef also bei dieser zu Kreuze kriechen: Merz hat Angst, echte Opposition zu sein, außerhalb eines rot-grünen Referenzrahmens – und das ist Mist!