Anzeige
Anzeige

Entschuldigung für „Sozialtourismus“-Aussage: Merz: Ein Christdemokrat, der kriecht und trotzdem stolpert

Entschuldigung für „Sozialtourismus“-Aussage: Merz: Ein Christdemokrat, der kriecht und trotzdem stolpert

Entschuldigung für „Sozialtourismus“-Aussage: Merz: Ein Christdemokrat, der kriecht und trotzdem stolpert

CDU-Chef Friedrich Merz: Prangerte er am Montag abend noch mit geschwollener Brust einen „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtlinge, folgte noch vor dem Mittag des Folgetags die kleinlaute Entschuldigung
CDU-Chef Friedrich Merz: Prangerte er am Montag abend noch mit geschwollener Brust einen „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtlinge, folgte noch vor dem Mittag des Folgetags die kleinlaute Entschuldigung
CDU-Chef Friedrich Merz: Prangerte er am Montag abend noch mit geschwollener Brust einen „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtlinge, folgte noch vor dem Mittag des Folgetags die kleinlaute Entschuldigung Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa
Entschuldigung für „Sozialtourismus“-Aussage
 

Merz: Ein Christdemokrat, der kriecht und trotzdem stolpert

Prangerte Merz am Montag noch einen „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtlinge an, rudert er nun schon wieder zurück. Die Erwartungen an den CDU-Chef liegen für viele Konservative bereits bei null. Dennoch schafft er es, sich selbst zu unterbieten. Ein Kommentar von Zita Tipold.
Anzeige

Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

CDU-Chef Friedrich Merz ist wie die Deutsche Bahn: Man erwartet schon gar nichts mehr und wird trotzdem enttäuscht. Mit seinen strategischen Fehltritten, dem farblosen Kurs des „Parteichefs für alle“ und seinem Einknicken bei Grundsatzfragen schafft er es immer wieder, die Erwartungen noch einmal zu unterbieten.

Ein „Merz“ könnte überdies nun die neue Zeitrechnung dafür werden, wie schnell Politiker ihre eigenen Aussagen nach einem Lüftchen der Kritik wieder zurücknehmen. Bei dem Christdemokraten ging es in diesem Fall besonders schnell. Prangerte er am Montag abend noch mit geschwollener Brust einen „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtlinge an, folgte noch vor dem Mittag des Folgetags die kleinlaute Entschuldigung. „Zu meinen Äußerungen gibt es viel Kritik. Ich bedaure die Verwendung des Wortes ‘Sozialtourismus’. Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems.“

Es sei ihm nur darum gegangen, auf die mangelnde Registrierung der Migranten hinzuweisen. Die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert seien, habe er nicht kritisieren wollen. „Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung“, schloß er seine Abbitte auf Twitter.

Melnyk bescheinigt Merz „billigen Populismus“

Kritik von der Gegenseite reicht offenbar aus, um den vermeintlich allzu standhaften Politiker gehörig ins Wanken zu bringen. „Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind, ist schäbig. ‘Sozialtourismus’ war 2013 das Unwort des Jahres – und ist auch 2022 jedes Demokraten unwürdig“, schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf Twitter.

Grünen-Chefin Ricarda Lang empörte sich: „Wie paßt es eigentlich mit der viel beschworenen Solidarität der Union mit der Ukraine zusammen, daß Friedrich #Merz im Kontext von Menschen, die vor diesem furchtbaren Angriffskrieg fliehen, von ‘Sozialtourismus’ spricht?“ Als ihm der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk auch noch „billigen Populismus“ bescheinigte, wurde es dem CDU-Politiker offenbar zu viel. Immerhin hatte er sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der AfD distanziert und damit gedroht, Parteikollegen, die eine Zusammenarbeit mit dieser anvisieren, rauszuschmeißen.

Merz ist und bleibt eben Christdemokrat und damit Schönwetter-Politiker. Gegen eine ausufernde Migrationspolitik oder die Nutznießer der sozialen Hängematte in Deutschland poltert die CDU bekanntlich nur, wenn sie Opposition spielen muß. Ihren Widerstand gegen die vom verarmenden Mittelstand finanzierten Geldgeschenke an Einwanderer stellte sie in den vergangenen Jahren ihrer Regierungszeit bestens unter Beweis: Es gab keinen. Stattdessen sendete sie Signale der angeblichen Humanität und Aufnahmebereitschaft.

Merz bei Frauenquote: Erst Skepsis, dann Begeisterung

Natürlich ist es nicht der erste Fall, in dem Merz einknickt. Schon bei der Frauenquote ließ er sich vom Winde tragen, wohin auch immer ihn dieser tragen sollte. Erst äußerte er sich „skeptisch“ gegenüber einer solchen Maßnahme, die allenfalls die „zweitbeste Lösung“ sei, um den Frauenanteil in der CDU zu erhöhen, später warb er auf dem Bundesparteitag für die Quote.

Eigentlich sollte der Sauerländer der CDU doch ein kerniges, neues Image geben. Es hieß, nun komme der Merz, der den Frühling bringt. Am Ende bekamen die Christdemokraten aber den gleichen opportunistischen Muff wie in den Jahren zuvor. Diesmal verpackt in Gelehrten-Brille und ernstes Stirnrunzeln für die Kameras. Manch einen verstimmten Ex-CDU-Wähler ritt es gar, von einem konservativen Aufbruch zu träumen. Doch Merz kann gar nicht so oft beteuern, nie konservativ gewesen zu sein, wie naive Anhänger der „guten alten Zeiten“ ihm gegen seinen Willen entsprechende Positionen zuschreiben. Den Hoffnungen einiger seiner Unterstützer wird er schlicht nicht gerecht. So bekundete etwa der Medien- und Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz, er habe sich in Merz geirrt.

In jedem Fall sollte der Langen Müller Verlag schleunigst den Titel für seine neue Merz-Biographie überdenken, die Ende Oktober erscheint. „Der Unbeugsame“ wirkt angesichts seiner jüngsten Rückzieher jedenfalls wie blanker Hohn. Eher hält der Mann mit dem Rückgrat aus Gummi gerne den Kopf unten, um möglichst wenig Schlamm ins Gesicht zu bekommen. Es heißt, wer kriecht, kann nicht mehr stolpern. Merz ist da eine Ausnahme.

CDU-Chef Friedrich Merz: Prangerte er am Montag abend noch mit geschwollener Brust einen „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtlinge, folgte noch vor dem Mittag des Folgetags die kleinlaute Entschuldigung Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag