Die Enthüllungen über exorbitante Gehälter, Selbstbedienungsmentalität, Nepotismus und politische Gefälligkeiten beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) haben ARD-Chef Tom Buhrow die Flucht nach vorn antreten lassen. In einer Rede vor dem Übersee Club in Hamburg forderte er „einen gedanklichen Neuanfang. Ohne die typischen Selbstverteidigungsreflexe. Ohne Denkverbote.“
Er plädierte für den Ausbruch „aus dem bisherigen System“ und einen neuen „Generationenvertrag“, organisiert durch einen „Runden Tisch, der einen neuen Gesellschaftsvertrag ausarbeitet. Eine Art verfassungsgebende Versammlung für unseren neuen, gemeinnützigen Rundfunk.“ Die konventionelle Wortwahl ist verräterisch: Einiges soll sich ändern, damit im Prinzip alles beim Alten bleibt. An eine Abschaffung oder wenigstens Absenkung der Zwangsgebühren denkt Buhrow nicht.
Gerechterweise ist festzuhalten, daß die völlige Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht wünschenswert ist. Das Niveau der Privatsender wirkt abschreckend. Denkbar wäre die Vereinigung und Verschlankung von ARD und ZDF zu einem Verbund aus einem kompetenten und sachlich berichtenden Nachrichtensender und einem anspruchsvollen Kulturkanal.
Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt
Vorstellbar wäre eventuell noch ein Billig-Kanal mit Tatort-Folgen, Kochsendungen, Trödelmärkten, Volksmusik-Shows und abendlichen Geschwätzrunden, wo C-Promis ihre losen Gedanken äußern. Offenbar gibt es einen Bedarf dafür; seine Befriedigung sollte man nicht gänzlich den Privatsendern überlassen. Stundenweise könnte man Landesfenster einbauen und gleichzeitig die lächerlichen Vollzeitprogramme der Landessender einsparen.
Doch das wirkliche Problem des ÖRR wie auch der großen privaten Medienkonzerne liegt tiefer. Der Begriff „Vierte Gewalt“ trifft weder auf die einen wie auf die anderen zu, er ist eine glatte Lüge. In der Migrations-, Klima- und Corona- und Ukraine-Berichterstattung passen zwischen Exekutive, Legislative, Judikative und Medien kein Blatt Papier. Überhaupt ist das Prinzip der Gewaltenteilung – zu dem die gegenseitige Kontrolle gehört – so gut wie außer Kraft gesetzt.
Politik und Medien verschwimmen immer mehr
Und falls ein unvorhergesehenes Sandkorn ins Getriebe gerät, springt die eine Instanz der anderen hilfreich zur Seite und entfernt das Hindernis. So erklärte das Bundesverfassungsgericht im Juli 2021 die Weigerung Sachsen-Anhalts, die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu genehmigen, für unzulässig. Die Sender, so das Gericht, müßten befähigt bleiben, die Wirklichkeit durch „authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten“, sie unverzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund rücken.
So weltfremd können Richter gar nicht sein, um zu glauben, daß der ÖRR diese Aufgabe erfüllt oder auch nur anstrebt. Die Sätze sind ein weiterer Beleg dafür, daß die drei klassischen und die sogenannte vierte Gewalt zu einem politisch-medialen-digitalen Komplex verschmolzen sind. Es wäre daher nur folgerichtig, wenn demnächst die Presse ganz offiziell aus einem regierungsamtlichen, steuerfinanzierten Reptilienfond bezuschußt würde.
Es braucht eine Stunde Null
Die deckungsgleiche Ausrichtung sämtlicher großer Medien in den genannten Krisen und Kampagnen zielt auf die Informations- und Meinungssteuerung, auf die Indoktrinierung und Manipulation des Publikums ab. Indem die Medien etwa der redseligen Klima-Queen Luisa Neubauer eine öffentliche Dauerpräsenz verschaffen, gaukeln sie ihre intellektuelle und gesellschaftliche Relevanz vor, die nach dem Prinzip der Schweigespirale irgendwann, wenn nicht geglaubt, wenigstens resignierend akzeptiert wird.
Buhrow will die Medien nicht objektiv und frei, sondern raffinierter aufstellen. Auf daß niemand sich selbst überlassen bleibt und das System in Zweifel zieht.
Am Anfang einer echten Reform des ÖRR müßte dessen zweite Stunde Null stehen.