Sobald darüber diskutiert werden muß, wie weit Meinungsfreiheit überhaupt gehen darf, ist sie bereits in Gefahr. Der linke Taschenspielertrick, die Freiheit der Meinungsäußerung nach der Gesinnung und politischen Richtung dessen zu bewerten und zu sortieren, der sie in Anspruch nimmt, machte auch die Bundestagsdebatte über die aktuelle Bedrohung der Meinungsfreiheit über weite Strecken zur heuchlerischen Schauveranstaltung.
Wer sich als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit brüstet, weil er „sogar“ bereit ist, „Leute wie“ FDP-Chef Christian Lindner, Ex-Innenminister Thomas de Maizière (CDU) oder den AfD-Mitgründer Bernd Lucke zu Wort kommen lassen will, hat in Wahrheit ein Problem mit ihr. Die Grenzen zieht nicht ideologische Sympathie oder Antipathie, sondern ausschließlich das Strafrecht – und auch dessen Ausgestaltung muß Gegenstand einer freien und ungehinderten Debatte sein können.
Das Diffamieren abweichender Meinungen mit justitiabel nicht zu fassenden Gummischlagwörtern wie „Haßrede“ oder „Hetze“ ist damit bereits ein direkter Angriff auf die Meinungsfreiheit. Daß zahlreiche Redner in der Bundestagsdebatte genau dieses Argumentationsmuster bemühten, ist mehr als ein Treppenwitz: Es demonstrierte vor allem in der praktischen Anwendung, wie berechtigt der Vorwurf des „Gesinnungstotalitarismus“ ist, den AfD-Abgeordnete an das linke Spektrum richteten.
Zensur wird ausgelagert
Heuchlerisch ist schon, wenn erst dann eine Einschränkung der Meinungsfreiheit überhaupt wahrgenommen wird, wenn diese den Club derer erreicht hat, die sich selbst als alleinige „Demokraten“ definieren und andersdenkende Gegner als „Nichtdemokraten“ vom Diskurs ausschließen wollen.
Heuchlerisch ist erst recht, wenn ausgerechnet von linker Seite scheinheilig darauf hingewiesen wird, das Grundrecht der Meinungsfreiheit sei ja ein Abwehrrecht gegen staatliche Willkür und könne deshalb von privaten Akteuren gar nicht gefährdet werden.
Dabei ist die finanzielle und politische Verhätschelung eben solcher „Aktivisten“ und „Engagierter“ nichts anderes als der Versuch, Zensur und Gesinnungsterror an unkontrollierbare nichtstaatliche Akteure auszulagern. Im Jargon der Kulturmarxisten heißt das „Zivilgesellschaft“ und meint etwas grundsätzlich anderes als die „bürgerliche Gesellschaft“, nämlich ein unerläßliches Werkzeug zur Eroberung der Diskurshegemonie.
Abschaffung durch die Hintertür
Dieser Kompaß fehlt in der Regel auch jenen Politikern, die wegen ihrer Mitgliedschaft in Union oder FDP aus alter Gewohnheit noch als „bürgerlich“ einsortiert werden. Auch deshalb kratzte die von der FDP beantragte Debatte allenfalls an der Oberfläche. Lediglich Wolfgang Kubicki (FDP) und Thomas de Maizière schürften etwas tiefer.
Wer sich unter Berufung auf die Meinungsfreiheit gegen Schlägertrupps und Niederbrüller wehrt, will sich nicht gegen „Kritik“ immunisieren, sondern die Möglichkeit verteidigen, daß diese überhaupt geäußert werden kann. Die Drohung mit der Vernichtung der sozialen und beruflichen Existenz bei Äußerung abweichender Meinungen ist auch dann eine Grundrechtseinschränkung, wenn sie von „zivilgesellschaftlichen“ Hilfstruppen ausgeht.
Die selbstgefälligen Lobredner des „besten Deutschlands“ ignorieren, daß auch die freiheitlichste Verfassung durch die Hintertüre ausgehöhlt und ins Gegenteil verkehrt werden kann. Manche legen es sogar bewußt darauf an. Der Kampf um die Wiedergewinnung der Meinungsfreiheit muß erst noch geführt werden.