Heinrich Bedford-Strohm und Josef Schuster haben eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Nicht als Privatleute, sondern als EKD-Ratsvorsitzender und mithin als oberster Repräsentant der evangelischen Christen, und als Vorsitzender des Zentralrates der Juden. Das Datum ist kein Zufall, sondern die Verknüpfung mit dem Tag der deutschen Einheit beabsichtigt. Allerdings geht es in dem Text weniger um Einheit als vielmehr um Ausgrenzung – vermeintliche und tatsächliche.
Nach Auffassung von Bedford-Strohm und Schuster wird heute „unsere“ innere Einheit bedroht. Und diese Bedrohung hat die Rechte zu verantworten: vom Nationalsozialistischen Untergrund und den Kameradschaften über die Populisten und die AfD bis hin zu den Vordenkern der Neuen Rechten. Es wird kein Unterschied gemacht, nirgends, denn nach Auffassung von Bedford-Strohm und Schuster sind die „Übergänge in Programm und Personen zwischen einem radikalisierten Rechtspopulismus und verfassungsfeindlichem Rechtsextremismus fließend geworden“.
Sie meiden den Dialog
Man könnte darüber achselzuckend hinweggehen, wenn solche Einlassungen von einem Fernsehkommentator oder einem Qualitätsjournalisten oder einem Politologieprofessor oder einem Vertreter der etablierten Parteien geäußert würden. Aber aus der Feder von Männern, deren Prestige darauf beruht, daß sie bedeutende religiöse Gemeinschaften vertreten, ist derlei nicht akzeptabel. Denn die Art und Weise der Argumentation läßt nicht nur Sorgfalt und Sachkenntnis vermissen, sondern auch die Anerkennung der moralischen Grundsätze, die Bedford-Strohm und Schuster selbst ins Feld führen.
Wenn es stimmt, daß der „gesellschaftliche Ausschluß einer Minderheit ein Ausschluß aller Minderheiten“ ist, dann machen Bedford-Strohm und Schuster sich schuldig im Sinne ihrer eigenen Anklage. Sie grenzen aus, was sie als „rechts“ bezeichnen, meiden den Dialog, suchen kein Gespräch, diffamieren und verdrehen Aussagen, die ihnen nicht passen und haben keine Skrupel, „ganze Menschengruppen unter Verdacht“ zu stellen.
Wahre Bedrohungen werden verschleiert
Das heißt, sie erlauben sich ein Freund-Feind-Denken, das sie so wortreich verdammen, und verschleiern, was das Gemeinwesen tatsächlich in seinem Fortbestand bedroht: die Massenmigration, der Zerfall unserer kulturellen Identität, zu der doch das Christentum und das Judentum gehören, der islamistische Terror, der Hedonismus, die kriminellen Großstrukturen, das Versagen der Eliten, zu denen Bedford-Strohm und Schuster gehören.
Das ist weder mit Ahnungslosigkeit noch mit Zufall zu entschuldigen. Vielmehr geht es zwei Funktionsträgern darum, ihren Einfluß und den Einfluß ihrer Institutionen zu verteidigen. Daher die Entschlossenheit, mit der sie jede bessere Einsicht verweigern und jenes alte Denken verteidigen, zu dessen Repertoire auch der Antifaschismus gehört. Für den gab und gibt es nur einen Gegner und der steht rechts, und weil er ganz sicher ein „neues `33“ vorbereitet, ist jeder als Bundesgenosse lieb, der sich in die gemeinsame Front einreiht, um zu verhindern, was nicht verhindert wurde, als die braunen Kolonnen durch Deutschland marschierten.
Fatale Folgen von nachholendem Widerstand
Die fatalen Folgen dieser Art von nachholendem Widerstand sind sattsam bekannt, und man kann sie auch am Verhalten des von Bedford-Strohm und Schuster als Kronzeugen genannten Victor Klemperer deutlich machen. Klemperer hatte als Jude die Verfolgung durch das NS-Regime erdulden müssen, aber im Untergrund überlebt. Von ihm stammen eindrucksvolle Reflexionen über die totalitäre Sprache.
Aber das hinderte ihn nicht, 1945 in die KPD einzutreten, sich vom DDR-System hofieren zu lassen und über Jahre hinweg im Scheinparlament der Volkskammer als Abgeordneter zu sitzen. Nach dem Bericht eines ehemaligen Studenten trat er 1950 im Blauhemd der FDJ vor seine Studenten, beschwor den notwendigen Kampf gegen den westlichen Aggressor und feierte den Genossen Stalin als größten Wissenschaftler der Gegenwart.
Keine Entschuldigungen
Im Falle Klemperers kann man Entschuldigungen für das Versagen der Urteilskraft vorbringen. Dasselbe gilt nicht für Bedford-Strohm und Schuster. Sie berufen sich auf ihre heiligen Schriften, also werden sie mit dem Maß gemessen, mit dem sie messen: aus der Tora: „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse heißen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!Weh denen, die bei sich selbst weise sind und halten sich selbst für klug!“ (Jesaja 5.20).
Und aus dem Evangelium: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?Oder wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge?“ (Matthäus 7.3f.)