Systematische Verletzungen des Urheberrechts, Steuergeld für eine Firma, die maßgeblich einem Bundesminister gehört, und eine Bundesregierung, die es mit der Wahrheit nicht ganz genau nimmt: Kulturstaatsminister Wolfram Weimer steht im Zentrum eines politischen Skandals.
Ausgerechnet Weimer, der US-Techkonzernen derzeit wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen an den Kragen will, ließ selbst über Jahre hinweg das geistige Eigentum von Politikern und Journalisten stehlen und auf der Webseite des Online-Magazins „The European“ veröffentlichen.
Öffentlich behauptet die Regierung, Weimer habe nichts mehr mit der von ihm und seiner Frau gegründeten Firma zu tun. Doch nicht einmal das stimmt. Recherchen der JUNGEN FREIHEIT zeigen, beide sind bis heute zu jeweils 50 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Lesen Sie hier das große JF-Dossier zur „Akte Weimer“. Alle Texte, alle Recherchen, alle Analysen im Überblick:
Die Akte Wolfram Weimer: Zwischen Interessenkonflikten und Staatsknete
Zunächst waren es „nur“ Plagiatsvorwürfe, doch nach und nach geriet Weimer auch wegen weiterer Verfehlungen in Bedrängnis. Die JF recherchierte, daß der Kulturstaatsminister nach wie vor Gesellschafter der Weimer Media Group GmbH ist. Das geht aus dem aktuellen Handelsregisterauszug hervor. Demnach halten seine Frau Christiane Goetz-Weimer und er jeweils Geschäftsanteile von 12.500 Euro. Zudem geht aus dem Handelsregisterauszug hervor, daß Weimer als Geschäftsführer seines Unternehmens, also als operativer Entscheider, erst am 8. Mai dieses Jahres ausschied. Zum Kulturstaatsminister wurde er am 6. Mai ernannt. Zwei Tage lang war er also in einer Doppelfunktion sowohl in der Politik als auch im Politik-Wirtschafts-Lobbying tätig.
Das fiel in jene Zeit, als sein Unternehmen vom 7. bis 9. Mai den eng mit der Politik verknüpften „Ludwig-Erhard-Gipfel“ in Tegernsee, dem Unternehmenssitz der Weimer Media Group, veranstaltete. Noch brisanter: Der Steuerzahler förderte die Veranstaltung mit insgesamt 199.625 Euro.
Darüber hinaus begann am Mittwoch der von der Weimer Media Group veranstaltete „Frankfurt Finance & Future Summit“. Auch dieses zweitägige Event wird mit staatlichen Fördergeldern finanziert. Die Staatskanzlei des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) teilte der JF am Dienstagnachmittag exklusiv mit, daß der „Frankfurt Finance & Future Summit“ mit 30.000 Euro von der landeseigenen Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Hessen Trade & Invest „gesponsert“ werde. Die erneute Staatsnähe war aber davor schon sichtbar: Rhein ist Schirmherr der Weimer-Veranstaltung.
Für das Event wirbt die Media Group unter anderem mit einem Foto von Weimer und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Damit erweckt es einen sehr staatsnahen Charakter, obwohl der Finanzgipfel eine Privatveranstaltung ist. Indem er mit dem Bild von sich und Merz für die Veranstaltung wirbt, könnte Weimer seine Neutralitätspflicht und – besonders wichtig – seine Pflicht verletzt haben, sein politisches Amt nicht zur Förderung privater Interessen zu verwenden. Außerdem liegt möglicherweise ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor. Denn beim Betrachter könnte aufgrund des Fotos von Weimer und Merz der Eindruck entstehen, die Bundesregierung sei Mitveranstalter oder Unterstützer des privaten Finanzgipfels.
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Weidel mahnt Verlag von Kulturstaatsminister Weimer ab
Das Internetmagazin The European, das zu Weimers Verlag Weimer Media Group gehört, führte AfD-Chefin Alice Weidel als Autorin und veröffentlichte hunderte Beiträge unter ihrem Namen. Allein: Die AfD-Chefin wußte nichts von ihrer angeblichen Tätigkeit für Weimers Portal. Ihr Sprecher machte gegenüber der JF deutlich: „Weder hat Alice Weidel je als Autorin für die Plattform The European geschrieben, noch wurde sie über die Nennung als Autorin informiert oder um entsprechende Freigabe dieser Veröffentlichungen gebeten.“
Weidel hat die Weimer Media Group inzwischen abgemahnt. Das Schreiben liegt der JF vor. Weidels Anwälte von der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Höcker werfen The European vor, das Urheberrecht in zahlreichen Fällen verletzt zu haben. Konkret monieren sie die Verletzung der Paragraphen 16 und 19a des Urhebergesetzes. Die Anwälte setzten der Media Group eine Frist bis Freitag, 24. Oktober, um eine Unterlassungserklärung abzugeben, und drohen mit einstweiligem Rechtsschutz und Strafanzeige.
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So lügt die Bundesregierung über Weimers Geschäfte
Die JF berichtete exklusiv über eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen zur Weimer Media Group. Die Antwort stammt vom August, die Bundesregierung schrieb darin: „Herr Staatsminister Dr. Weimer hat die Geschäftsführung der Weimer Media Group mit seinem ersten Amtstag als Staatsminister niedergelegt und die Verlagsgruppe verlassen.“ Doch beides trifft nicht zu, wie die Dokumente rund um den Handelsregisterauszug und insbesondere die beigefügte Gesellschafterliste belegen, die der JF vorliegen.
Weimer ist mit seiner Frau Christiane Goetz-Weimer weiterhin alleiniger Gesellschafter, also Eigentümer, der Weimer Media Group. Beide halten Anteile von jeweils 50 Prozent. Als Geschäftsführer schied er nicht am Tag seines Amtsantritts, dem 6. Mai, aus, sondern erst am 8. Mai. Da lief bereits der von der Weimer Media Group organisierte Ludwig-Erhard-Gipfel, der mit 199.625 Euro aus dem bayerischen Landeshaushalt gefördert wurde.
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Neue Vorwürfe gegen Weimer: „Das ist klassischer Internet-Betrug“
Der als „Plagiatsjäger“ bekannte Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber, der selbst zu den möglicherweise betrogenen Autoren zählt, ließ die Internetseite von The European von einem IT-Spezialisten analysieren. Der fand Weber zufolge heraus, daß die Verantwortlichen die Seite extra so programmieren ließen, daß ausgerechnet die hochkarätig besetzte Autorenseite „mit Google nicht gefunden werden kann“.
Konkret: „Es wurde ganz bewußt im Quellcode ein sogenannter noindex-Tag gesetzt, der Suchmaschinen anweist, die Unterseite nicht zu indizieren.“ Warum das so geschehen ist, wo doch gerade die Autorenseite die Visitenkarte des Portals sein müßte? Weber äußerte folgenden Verdacht: „Erstens: Die beklauten Autoren sollten sich selbst via Google nicht finden. Zweitens: Die Anzeigenkunden sollten die Autorenliste auch nicht via Google finden, denn dann hätten sie gesehen, daß diese nur aus rund 100 und nicht, wie angegeben, 2.000 Autoren besteht.“
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(dh)