5.000 schwarz vermummte Linksextremisten und nirgendwo Polizei. Unter dem Motto „Wir sind alle LinX“ marschierten johlend die Randalierer am 18. September stundenlang durch die Leipziger Innenstadt. Auch um ihre Solidarität mit Lina E., einer Linksextremistin, der wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung der Prozeß in Dresden gemacht wird, zu demonstrieren.
Dabei griffen sie die Polizeidirektion, mehrere Banken und ein Studentenwohnheim mit Steinen, Flaschen und Böllern an. Außerdem zerrten die Vermummten ein Banner mit einer Morddrohung gegen einen Polizeibeamten durch die Straßen. Stundenlang herrschte Gesetzlosigkeit in der Stadt. Sieben Beamte wurden verletzt. Jetzt bekennen die Extremisten: Es war nie eine friedliche Demo in Leipzig geplant! Und im Sächsischen Landtag hagelte es am Donnerstag Vorwürfe gegen eine Abgeordnete.
Unter dem Titel „Autonome Auswertung zu ‘Wir sind alle Linx’“ erschien anonym am 27. September um 14.38 Uhr auf der linksextremen Szeneplattform „Indymedia“ eine mehrere Seiten lange „Analyse“ der Demonstration durch die Teilnehmer selbst. „Zu allererst, wir halten die Demo für einen vollen Erfolg“, schreiben die Linksextremisten. „Wir hatten das Gefühl, an einer der größten autonomen Demos und Krawallen der letzten zehn Jahre mitzumachen. Weder G20, Tag-X-Demos in Berlin, 1.-Mai-Randalen oder ‘Wir sind alle Indymedia’ waren so schwarz, konnten so lange ohne Polizeispalier laufen und über mehrere Stunden massiv die Cops angreifen.“
Zuvorderst stellen die anonymen Verfasser klar, daß es der Plan von Anfang an war, eine hochaggressive Demonstrationstaktik zu fahren: „Wer allen Ernstes glaubt, daß Menschen von militantem Antifaschismus durch eine friedliche Demo überzeugt werden kann, oder Lina dadurch freikommt, dem können wir nicht helfen.“ Damit nicht genug: „Es ist aber auch wichtig, daß es Demos gibt, die Aufstände starten. Demos, wo wir unsere eigene Kraft spüren, über uns selbst hinauswachsen und lernen Konflikte zu führen. Es muß unregierbare Demonstrationen geben.“
„Jeder Jugendliche träumt davon, an so einer Randale teilzunehmen“
Die Verfasser sehen einen medialen Nutzen in ihrem aggressiven Auftreten. Darüber hinaus erhoffen sie, so Krawall-Nachwuchs zu gewinnen: „Die Bilder, die produziert wurden, sind durch ganz Deutschland gegangen, sogar bis in die ‘Tagesschau’. Jede*r Jugendliche in ganz Deutschland wird fasziniert Twitter durchstöbert haben und davon träumen, selbst an so einer Randale teilzunehmen. Alle wütenden Menschen werden mit glänzenden Augen die Bilder von vermummten Steinewerfer*innen verfolgt haben.“
Zwar geben sie sich selbstkritisch, wenn sie schreiben: „Natürlich haben die Bilder auch einen Nachteil, sowohl Rechte als auch Polizist*innen werden diese für die Bestätigung ihres Weltbildes, zur Ausbau ihrer Macht und für repressive Forderungen nutzen.“ Doch die Linken bilanzieren abschließend: „Aber seien wir ehrlich, dies passiert bei jedem Regelbruch von linker Seite. Die Bilder nutzen sowohl ihnen als auch uns.“
Doch auch das Kleinreden oder Kleinschreiben der Brutalität dieser Demo durch Politiker und Journalisten, die den Linksextremisten wohlgesonnen sind, nutzten den Linksextremisten, resümieren die Verfasser, zu ihren Gunsten aus: „Wenn Linksliberale die Revolte nun daraufhin herunterspielen, kann uns das auch recht sein. Je weniger Verfolgung durch Medien und Polizei wir erleiden müssen, desto besser.“
„Die Aufgabenteilung lief hervorragend ab“
Wen die Linksextremisten damit meinen? Immerhin Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Linken, ist die Anmelderin der Demonstration gewesen. Ist sie nur ein willfähriges Werkzeug der Linksextremisten, oder doch mehr? In der Landtagsdebatte am heutigen Donnerstag forderten mehrere Abgeordnete Konsequenzen, bis hin zum Rausschmiß Juliane Nagels aus der Linksfraktion. „Schämen Sie sich nicht dafür, was Sie den Bürgern antun?“, sprach CDU-Innenexperte Rico Anton Juliane Nagel direkt an. „Sie laden Gewalt nach Leipzig ein.“
Die Analyse der Taktik nimmt einen breiten Raum in dem Artikel ein: Der schwarze Block sei einer der größten, den die Verfasser jemals erlebt hätten. „Die Aufgabenteilung lief hervorragend ab.“ Menschen im sogenannten postautonomen Nika-Block („Nationalismus ist keine Alternative“, Anm. d. Red.) hätten vorab „massiv Pyro besorgt und von Anfang an eingesetzt“.
Die Abschottung und Unkenntlichmachung der Demoteilnehmer durch das Hochhalten von Transparenten und Regenschirmen, die so als Sichtschutz dienen, „sollte wieder bei jeder weiteren Demo beibehalten werden“. Dadurch sei die Hemmschwelle für militantere Aktionen perfekt gesunken. Das Umziehen und Untertauchen nach Angriffen sei so gewährleistet. Nichtsdestotrotz wird darauf hingewiesen, weiterhin Pyrotechnik entlang den Demostrecken zu deponieren.
Auffällig war, daß viele Demonstrationsteilnehmer ihre Turnschuhe mit schwarzem Klebeband umwickelt hatten. Dies fordern nun die Verfasser allerdings auch von Sympathisanten, die den Zug nur begleiten, nicht daran teilnehmen: „Es ist schön, wenn viele Menschen, auch wenn diese selbst nicht aktiv werden, sich schwarz anziehen, um Masse zum Untertauchen zu stellen. Es wäre nur wünschenswerter, wenn diese sich auch komplett unkenntlich machen, um das Untertauchen zu erleichtern. Frisuren, Tattoos, Aufnäher, Buttons und Markenlogos sollten nicht sichtbar sein!“
Die Analyse endet mit einer Drohung
Die Einschätzung allerdings, daß ein begleitendes Spalier durch Polizisten unmöglich gewesen sei, weil der Demoblock so groß gewesen sei, scheint eine Selbstüberschätzung. Die Polizei hätte durchaus flankieren können, sie tat es einfach nicht. 1000 Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein. Nur wenige waren zu sehen. Wenn, dann liefen die Beamten in Parallelstraßen auf und ab.
Selbstkritisch werden die Verfasser zum Schluß: Sei es, daß man zu spät zum Rückzug geblasen habe und so Festnahmen erfolgen konnten, oder daß es bedauerlicherweise keine Plünderungen gegeben habe. Das liest sich dann folgendermaßen: „Da das Kreuz auch fast zwei Stunden bullenfrei war, hätte der Rewe auch geplündert werden können. Plünderungen müssen nicht angekündigt oder komplett von einzelnen Gruppen ausgeführt werden. Es würde die Hemmschwelle für andere schon senken, wenn angefangen wird Steine auf Fensterscheiben von Lebensmittelmärkten zu werfen oder Türen aufgebrochen werden.“
Und sie geloben Besserung: „Auch an der Stelle wollen wir nicht andere kritisieren, sondern uns selbst entschuldigen, daß wir diese Möglichkeit nicht sofort erkannt haben. Nächstes Mal sind wir weniger überrascht von der eigenen Stärke. Verspochen!“ Das klingt nicht wie eine Drohung, das ist eine Drohung.