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Verfassungsschutzbeobachtung der AfD: Zweierlei Prüffall

Verfassungsschutzbeobachtung der AfD: Zweierlei Prüffall

Verfassungsschutzbeobachtung der AfD: Zweierlei Prüffall

Thomas Haldenwang
Thomas Haldenwang
Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang: Behörde nimmt AfD nun stärker ins Visier Foto: picture alliance / NurPhoto
Verfassungsschutzbeobachtung der AfD
 

Zweierlei Prüffall

Die Einstufung der AfD zum Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz stellt eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung mit der größten Oppositionsfraktion im Bundestag dar. Es ist bemerkenswert, wie wenig die Praxis des Inlandsgeheimdienstes öffentlich diskutiert und in Frage gestellt wird. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Dieser Vorgang hätte normalerweise das Zeug zu einer Staatsaffäre: Laut Medienberichten soll der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, den Landesämtern mitgeteilt haben, die AfD am 25. Februar zum Verdachtsfall erklärt und damit die Beobachtung der Gesamtpartei eingeleitet zu haben. Damit tritt eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung mit der größten demokratischen Oppositionsfraktion im Bundestag in Kraft.

Es ist bemerkenswert, wie wenig die höchst umstrittene Praxis des Inlandsgeheimdienstes öffentlich diskutiert und in Frage gestellt wird. Es stinkt zum Himmel, daß diese Entscheidung zehn Tage vor zwei Landtagswahlen in wichtigen Flächenstaaten (Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) und ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl lanciert wird. Nicht nur Verfassungsrechtler sehen dies als einen eklatanten Eingriff in den demokratischen Wettbewerb der Parteien.

All dies muß Gegenstand von juristischen Auseinandersetzungen werden, zu denen letztinstanzlich wohl erst entschieden wird, wenn die Wahlen bereits vorüber sind und die Rufschädigung bereits gewirkt hat.

An Medien „durchgestochen“

Der Vorgang ist ein Paradebeispiel dafür, wie Behörden für den innenpolitischen Kampf zwischen Parteien instrumentalisiert und dabei juristische Spielräume kreativ ausgelegt werden. Aufgrund bereits laufender Klagen der AfD vor Verwaltungsgerichten gegen die drohende Einordnung als Verdachtsfall mußte sich der Verfassungsschutz ausdrücklich verpflichten, sich nicht zu einer Beobachtung öffentlich zu äußern.

Statt sich an die Vorgabe streng zu halten, wurde die Information aus den Reihen des BfV mit demselben, vielleicht noch dramatischeren Effekt an die Medien „durchgestochen“. Die Wirkung, die massive Beeinträchtigung für die AfD, tritt auch so ein. Alleine deshalb ist der Rücktritt von Haldenwang fällig, der entweder sein Haus nicht im Griff hat oder sich als politischer Aktivist versteht.

Der Verfassungsschutzpräsident hat auf einer zurückliegenden Pressekonferenz übrigens ausdrücklich festgehalten, daß die AfD nicht wegen ihrer Programmatik, sondern wegen anstößiger Äußerungen von Funktionären und Mitgliedern unter Verdacht gestellt werde. Insbesondere geht es um einzelne Akteure des inzwischen aufgelösten „Flügels“. Mit anderen Worten: Die AfD ist mit dem, was sie im Kern politisch vertreten und durchsetzen möchte, nicht angreifbar.

Übergriffe auf AfD

Wenn der Verfassungsschutz derzeit seiner Funktion im Zusammenhang mit der AfD tatsächlich nachkommen wollte, dann müßte er die massiven gewalttätigen Angriffe in den Mittelpunkt stellen, denen Mitglieder, Funktionäre und Geschäftsstellen der Partei ausgesetzt sind. Die Bundesregierung mußte aufgrund einer AfD-Anfrage im Bundestag gerade erst einräumen, daß 2020 Politiker und Mitglieder der AfD die mit Abstand am meisten attackierten Vertreter vor allen anderen Parteien sind – die Täter kommen fast ausschließlich aus der linksradikalen Szene.

Der Verfassungsschutz könnte auch thematisieren, wie die gleichberechtigte Organisationsmöglichkeit der AfD massiv behindert wird, indem Linksextremisten systematisch Vermieter von Hallen und Tagungsorten angreifen und bedrohen, so daß die AfD beispielsweise in Berlin seit über einem Jahr gar keine Parteitage mehr durchführen kann.

Keinen medialen Aufschrei und keine Stellungnahme löste übrigens aus, als vor einigen Tagen die Welt meldete, daß 20 Abgeordnete und damit ein Drittel der Linksfraktion im Bundestag Gruppierungen unterstützen, die vom Verfassungsschutz als linksextrem beobachtet werden und die an gewalttätigen Kampagnen gegen die AfD beteiligt sind.

Für die AfD bedeutet die Lage, daß sie sich nun noch entschiedener und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln juristisch zur Wehr setzen muß. Es rächt sich, daß die Partei die drohende Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz und diese Gefahrenlage zu lange auf die leichte Schulter genommen hat. Sie wird insbesondere Beamte und Staatsbedienstete nur in der Partei halten können, wenn sie diese Abwehr überzeugend durchführt.

Politischer Mißbrauch des Verfassungsschutzes

Es machen der AfD in dieser perfiden, unfairen Auseinandersetzung zusätzlich destruktive Kräfte in den eigenen Reihen zu schaffen, die von Anfang an im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeihung bereit waren eine Beobachtung und erfolgreiche Stigmatisierung der Partei durch den Verfassungsschutz in Kauf zu nehmen und diese Entwicklung sogar durch Auftreten und Verbalradikalismus provozieren.

Angesichts der serienweise zuvor gescheiterten Versuche, den Platz einer Partei rechts der Union zu besetzen, war schon bei der Gründung der AfD eines klar: Daß es das Schlüsselproblem sein wird, zu verhindern, daß sich die Partei in eine Isolation treiben läßt und es den Verfassungsschutzbehörden, die schon immer politisch mißbraucht wurden, sogar freiwillig erleichtert, sie unter Beobachtung zu stellen.

Die AfD ist der Prüffall für das Funktionieren unseres demokratischen Systems: Ist es möglich, neben den übrigen etablierten Parteien mit einer neuen Formation gleichberechtigt am Meinungsstreit unter fairen Bedingungen teilzunehmen oder wird diese Teilhabe eingeschränkt, sogar mit Hilfe von staatlichen Behörden?

Die AfD ist aber auch der Prüffall für die Politikfähigkeit und die realpolitische Zurechnungsfähigkeit des sie tragenden Milieus.

Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang: Behörde nimmt AfD nun stärker ins Visier Foto: picture alliance / NurPhoto
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