Faktisch war die am 21. Januar 1951 in Kassel gegründete Deutsche Reichspartei (DRP) die einzige „reguläre Partei“ der „Nationalen Opposition“. Alle anderen gehörten eher zur Kategorie der „politischen Gemeinde“ (Gerhard Opitz). Diese Sonderstellung war im Grunde schon nach dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei gesichert. Rasch gelang es der Partei, den größeren Teil der SRP-Anhänger zu binden. Allerdings sah sich die Führung damit auch in der Sandwich-Position zwischen jener deutschnationalen Klientel, die in Richtung Bürgerblock schielte, und jenen Radikalen, die den Legalismus nur zähneknirschend hinnahmen.
Um die bei der Stange zu halten, aber auch um „Ehemalige“ und „von irgendwelchem Groll erfüllte Elemente“ zu gewinnen, wie es in einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß, agitierte man scharf gegen „Besatzer“, „Erfüllungspolitiker“ und „Lizenzparteien“, griff da und dort Stilelemente der NS-Jahre auf, hielt die soldatische Tradition hoch und verwarf das offizielle Geschichtsbild als Produkt der „Umerziehung“.
In den Anfangsjahren dienten der Schriftsteller Hans Grimm und das „Stuka-As“ Hans-Ulrich Rudel als Aushängeschilder der Partei und konnten eine erhebliche Anziehungskraft entfalten. Grimms 1950 veröffentlichtes Buch Die Erzbischofsschrift war ein Bestseller, und als er seine Thesen auf Einladung des Kieler Asta der Studentenschaft vorstellte, verabschiedete ihn das Auditorium mit Beifall. Rudel, der höchstdekorierte deutsche Soldat des Zweiten Weltkriegs, trat 1953 als Spitzenkandidat der DRP an und erreichte bei öffentlichen Veranstaltungen bis zu 8.000 Teilnehmer.
Das war aber nur die eine Seite der Reichspartei. In ihrem (erst 1958 verabschiedeten) Programm bekannte sie sich explizit „zur Demokratie der Freiheit und Ordnung“, unter Vorbehalt auch zum Grundgesetz. Die Reserve rechtfertigte man damit, daß DDR wie Bundesrepublik als „provisorische Staatsgebilde“ betrachtet werden müßten, „entstanden aus dem Willen der Besatzungsmächte“. Man müsse verhindern, daß sie zu dauerhaften „Separatstaaten“ würden, da die Partei als „Oberstes Ziel … die Wiederherstellung des Deutschen Reiches“ betrachte. Die sollte auf dem Weg von Verhandlungen der Siegermächte unter deutscher Beteiligung vonstattengehen; als Gebietsstand war an den von 1937 unter Einschluß des Sudetenlandes gedacht.
DRP hielt sich neutralistische Option offen
So massiv sich die DRP gegen den Verdacht wehrte, „vergangene und überwundene Formen“ restaurieren zu wollen, so überraschend war ihr Bekenntnis zu einem „Sozialismus“ als Muster der am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft. Die Verfassung des angestrebten „neuen Reiches“ sollte weniger der des Bismarckstaates, stärker der der Weimarer Republik entsprechen. Das galt vor allem in Bezug auf die Machtfülle eines Reichspräsidenten an der Spitze des Staates.
Auch für die Außenpolitik suchte die DRP den Anschluß an die Tradition. Sie strebte für das Reich als Führungsmacht Europas eine Mittlerstellung an. Die These, man gehöre „zur Weltbewegung des Nationalismus zwischen West und Ost“ zeigte wie die Forderung, ein Zusammenstoß deutscher Blockstreitkräfte müsse unter allen Umständen verhindert werden, daß sich die DRP die neutralistische Option bewußt offenhielt.
Konnte die Reichspartei in ihrer Anfangszeit auf lokaler und regionaler Ebene einige Erfolge erringen, war das doch – ähnlich wie schon im Fall der DKP-DRP* oder der SRP – auf den „postfaschistischen Boom“ (Oliver Sowinski) der Nachkriegsrechten zurückzuführen. Der erwies sich als ausgesprochen kurzlebig. Schon im Vorfeld der Bundestagswahl von 1953 wurde erkennbar, daß der Spielraum für die DRP dramatisch schrumpfte. Hinzu kam die Feindseligkeit aller anderen Parteien, der Gewerkschaften, der Presse und des Rundfunks sowie die Maßnahmen der offiziellen Stellen.
Wahlerfolge blieben die Ausnahme
Die – haltlose – Drohung Adenauers während des Wahlkampfs, einen Verbotsantrag gegen die Reichspartei zu stellen, dürfte nur ein letzter Schlag gewesen sein. Großen Teilen der Öffentlichkeit erschien die DRP längst als „Rabaukenpartei“. Mit nur 1,1 Prozent der Stimmen scheiterte sie deutlich an der gerade eingeführten fünf-Prozent-Klausel.
Letztlich war damit der Versuch bereits erledigt, das politische Spektrum um eine starke Rechtspartei zu ergänzen, und je weiter die Stabilisierung der Bundesrepublik fortschritt, desto weniger Anziehungskraft konnte die DRP entfalten. Viele ihrer Anhänger arrangierten sich überraschend schnell mit den neuen Gegebenheiten und wanderten zur CDU/CSU, zur FDP oder zur DP ab. Nur in Niedersachsen konnte man auf Dauer eine Landtagsfraktion erhalten, da die Ergebnisse – 3,7 Prozent im Jahr 1955 und 3,5 Prozent im Jahr 1959 – wegen des Fehlens einer Sperrklausel genügten, um Mandate zu gewinnen; ansonsten gelang es lediglich in Rheinland-Pfalz einen punktuellen Erfolg zu erzielen und 1959 einmalig 5,1 Prozent der Stimmen zu erreichen.
Auf Bundesebene blieb es dagegen bei enttäuschenden Zahlen – nur etwa ein Prozent der Wähler gaben im Durchschnitt der DRP ihre Stimme -, was sich auch dahingehend auswirkte, daß die Partei von staatlichen Zuwendungen ausgeschlossen blieb. Gleichzeitig fehlten potente Spender, und der permanente Geldmangel der Partei führte dazu, daß sie keinen professionellen Apparat aufbauen konnte. Die Zahl der Männer und Frauen, die zur Mitarbeit in einer immer stärker verfemten Partei bereit waren, blieb auch aus diesem Grund begrenzt.
Der Druck auf die DRP nahm zu
Dagegen herrschte ein Überangebot an Enttäuschten, die die rechten Konkurrenzparteien verließen, an Abenteurern, Verschrobenen, verkrachten Existenzen, fehlgeleiteten Idealisten und Anhängern des „Bewegungs“-Prinzips, die sich eine Art Parallelwelt mit Parallelkarrieren zu schaffen suchten. Deren Einfluß wuchs in dem Maß, in dem sich die höhnisch als „Reaktionäre“ und „Besitzbürger“ Bezeichneten aus der DRP zurückzogen. Hinzu kam, daß das kulturelle Milieu, das die Reichspartei anfangs trug, seine Anziehungskraft nach und nach verlor. Was eben noch als diskutabel gegolten hatte, erschien nun bestenfalls nostalgisch, schlimmstenfalls „nazistisch“.
Der Druck von außen erreichte einen Höhepunkt nach dem Skandal, den die Beteiligung von DRP-Mitgliedern an den Kölner Synagogenschmierereien 1959 auslöste. Zwar mußte das folgende Verbot des rheinland-pfälzischen Landesverbandes wieder aufgehoben werden, aber die Untersuchung hatte deutlich erkennen lassen, daß viele Funktionäre und Mitglieder der Partei ein rein taktisches Verhältnis zur Verfassungsordnung hatten und bei Gelegenheit durchblicken ließen, daß sie eigentlich „das Alte“ wiederhaben wollten. Den Ruch der „Antisemitentruppe“ und des Unterschlupfs für alte und neue Nazis wurde die Reichspartei nicht mehr los.
Das galt, obwohl sehr schnell klar wurde, daß im Kölner Fall der Osten seine Hand im Spiel gehabt hatte. Mit dem Verdacht, als dessen Einflußagent zu agieren, sah sich kurz nach den Ereignissen ausgerechnet Adolf von Thadden konfrontiert, der schon für die DKP*-DRP* im Bundestag gesessen und seit je die Fäden der Partei in der Hand gehalten hatte.
Die Mitglieder gingen von der Fahne
Tatsächlich war Thadden aber nur Opfer einer Kabale des Vorsitzenden Heinrich Kunstmann. Kunstmann ging es darum, den Widerstand Thaddens und seiner Anhänger gegen einen nationalneutralistischen Kurs zu brechen. Aber sein Vorstoß scheiterte, Thadden wurde rehabilitiert und löste Kunstmann 1961 an der Spitze der DRP ab. Kunstmann verließ daraufhin mit seiner Gefolgschaft die Partei und bildete eine glücklose Deutsche Freiheits-Partei (DFP).
Hatte sich die Zahl der DRP-Mitglieder im Lauf der Zeit von 1.000 auf 6.000 gesteigert, verlor sie nun fast ein Drittel ihrer Mitglieder. Nach dem erneuten Scheitern bei der Bundestagswahl von 1961 – man erreichte nur 0,8 Prozent der Stimmen – sowie den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen von 1963 stand aber fest, daß nicht nur die Reichspartei im Verfall begriffen war.
Interne Intrigen verhinderten Erfolge
Ein Bericht des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Verfassungsschutz wies darauf hin, daß die „Nationale Opposition“ seit dem Ende der 1950er Jahre auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Stärke reduziert worden sei und schon wegen der Zersplitterung „zur politischen Bedeutungslosigkeit“ verurteilt bleibe.
Eine Feststellung, die ein Insider, Richard Schuster, der letzte Generalsekretär der DP, um die Binnenperspektive ergänzte, wenn er betonte, daß für die Schwäche und Handlungsunfähigkeit der politischen Rechten in Nachkriegsdeutschland nicht nur und nicht einmal in erster Linie äußere Umstände verantwortlich gemacht werden könnten: Denn seit 1945 hätten „in allen Rechtsparteien – Splittergruppen vielleicht ausgenommen – widerliche persönliche Intrigen und Machtkämpfe die Bildung einer großen, demokratischen und fähigen Rechten verhindert. Der Glaube, daß dies nun anders werde, dürfte sich als Aberglaube“ erweisen.
> Der Beitrag ist Teil einer Serie des Autors über die deutsche Nachkriegsrechte. Der nächste Teil erscheint am Donnerstag.
Bisher erschienen:
Teil 1: Vor 75 Jahren wurde die Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei gegründet
Teil 2: „Gegen die rote Flut“ – Der Bürgerblock
Teil 3: Kein Viertes Reich – Die Sozialistische Reichspartei
Teil 4: Wiedervereinigung durch Blockfreiheit – Die Nationalneutralisten