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Die deutsche Nachkriegsrechte – Teil 3: Kein Viertes Reich – Die Sozialistische Reichspartei

Die deutsche Nachkriegsrechte – Teil 3: Kein Viertes Reich – Die Sozialistische Reichspartei

Die deutsche Nachkriegsrechte – Teil 3: Kein Viertes Reich – Die Sozialistische Reichspartei

Flugblatt, Abzeichen und Mitgliedskarte sowie Plakat der SRP, zwischen 1950 und 1952 Foto: Archiv des Autors
Flugblatt, Abzeichen und Mitgliedskarte sowie Plakat der SRP, zwischen 1950 und 1952 Foto: Archiv des Autors
Flugblatt, Abzeichen und Mitgliedskarte sowie Plakat der SRP, zwischen 1950 und 1952 Foto: Archiv des Autors
Die deutsche Nachkriegsrechte – Teil 3
 

Kein Viertes Reich – Die Sozialistische Reichspartei

Die Sozialistische Reichspartei sorgte 1951 mit Wahlerfolgen in Norddeutschland für Unruhe in der jungen Bundesrepublik. Während Zeitzeugen eine Wiederkehr des Nationalsozialismus befürchteten, zeigte sich bald, daß ihr kein dauerhafter Erfolg beschieden sein sollte.
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Fast zehn Jahre nach Kriegsende veröffentlichte Hans Zehrer, mittlerweile Chefredakteur der einflußreichen Tageszeitung Die Welt, einen Leitartikel mit der Überschrift „Noch Nazis in Deutschland?“. Seine zentrale Feststellung lautete: „… es ist doch ein Unfug, anzunehmen, so elementare Kräfte wie der Nationalsozialismus und der Kommunismus, die Millionen Menschen bewegen und zum Sterben veranlassen konnten, hätten nicht auch über Ideen verfügt, die eine geistige Legitimität besaßen.“

Ein Urteil, das im Hinblick auf den Kommunismus bei Bundesbürgern kaum auf Verständnis gestoßen wäre. Dagegen gab es unter ihnen eine kleinere Zahl, die verstockt an der „Treue zum Führer“ festhielt, und eine größere, die den „nationalen Sozialismus“ für eine gute Idee hielt, die nur schlecht ausgeführt worden war. Eine demoskopische Erhebung stellte fest, daß 57 Prozent der Befragten einer entsprechenden Aussage zustimmten.

Angesichts dessen mochte es aussichtsreich erscheinen, mit einem Programm aufzutreten, das zwar nicht offen die Restauration des NS-Regimes verlangen durfte, aber doch die Legalität wie Legitimität der Bundesrepublik bestritt und eine Art gereinigten „Volkssozialismus“ anbot. Entsprechende Erwartungen hegte man jedenfalls in der Führung der Sozialistischen Reichspartei (SRP), und tatsächlich erhielt die Partei schon bei den niedersächsischen Landtagswahlen vom Mai 1951 elf Prozent der Stimmen.

Manche fürchteten ein neues „Weimar“

Ein halbes Jahr später waren es bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen 7,7 Prozent. In Verden an der Aller stellte sie nach den Kommunalwahlen mit 27,7 Prozent sogar die stärkste Fraktion im Stadtrat. Solche Erfolge provozierten notwendig Erinnerungen an den „Erdrutschsieg“ der NSDAP von 1930. Bei den „Reichssozialisten“, weil sie hofften, die nächste „Machtergreifung“ stehe unmittelbar bevor, bei ihren Gegnern, weil sie fürchteten, daß „Bonn“ doch „Weimar“ sei und sich die Geschichte auf fatale Weise wiederhole.

Erste Ausgabe der SRP-Parteizeitung, 1951 Foto: Archiv des Autors
Erste Ausgabe der SRP-Parteizeitung, 1951 Foto: Archiv des Autors

Allerdings gab es auch besonnene Stimmen. So wies Marion Gräfin Dönhoff in einem Artikel der Zeit darauf hin, daß die Zustimmung für die SRP in erster Linie mit der psychologischen Lage „eines geschlagenen Volkes“ zu tun habe und mit den konkreten Problemen der Innenpolitik: „Da ist der Lastenausgleich, auf den Millionen von Flüchtlingen mit Ungeduld warten. Da sind die Beamten, denen der Vizekanzler … eine 20prozentige Gehaltserhöhung versprach, von der es aber am nächsten Tag hieß, sie sei undurchführbar. Da sind die zahllosen Rentenempfänger, denen seit Monaten wegen der steigenden Preise eine Zulage versprochen wird. Und da ist schließlich die gesamte westdeutsche Bauernschaft, die mit zunehmender Erbitterung feststellt, daß auch die persönlichen Zusagen, die der Bundeskanzler … gegeben hat, bis heute nicht eingelöst wurden.“

Tatsächlich bildeten die hier genannten Gruppen den Hauptteil der SRP-Wähler. Hinzuzufügen wäre noch, daß die Erfolge der Partei praktisch auf Niedersachsen und Bremen beschränkt waren, daß sie ihre Schwerpunkte eher in den kleinen Städten und in der Provinz hatte. Auffällig war der Rückhalt, den sie unter Flüchtlingen und Jüngeren fand. Vieles spricht dafür, daß die Mehrzahl der etwa 10.000 Mitglieder (die kursierende Angabe von 40.000 Mitgliedern dürfte viel zu hoch sein) zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt war. Dieser Teil der Bevölkerung, der den braunen „Erziehungsstaat“ durchlaufen hatte, reagierte offenbar besonders positiv auf bestimmte Stimulanzien, die die SRP wieder bereitstellte.

Der SRP fehlte die Basis für dauerhafte Erfolge

Dazu gehörte weniger der halb offene, halb verdeckte Antisemitismus, eher die scharfe Agitation gegen die „Verräter“ und „Erfüllungspolitiker“ oder die Willkür der Siegermächte. Anziehend wirkte aber auch die geschickte Bezugnahme auf die Veranstaltungsformen der NS-Zeit mit pathetischem Heldengedenken, schmissigen Liedern (die der frühere Musikdirektor des Reichsarbeitsdienstes in „entnazifizierter“ Uniform musikalisch begleitete) und dem Badenweiler Marsch oder Preußens Gloria, zu deren Klängen die Parteiprominenz einzog. Die SRP griff auch offener als jede andere Formation der Nachkriegsrechten auf die Uniformierung und eine Symbolsprache zurück, die in der Tradition der nationalrevolutionären Rechten der Weimarer Zeit stand. Schwarz-Weiß-Rot trat deutlich zurück gegenüber der aggressiveren Kombination aus rotem Hintergrund und schwarzem Adler für Parteiabzeichen und -fahne.

Entscheidender als die erwähnten Faktoren dürfte nur noch die Bezugnahme auf Schlüsselbegriffe der NS-Zeit, vor allem den „nationalen Sozialismus“, gewesen sein. Eine ausreichende Basis für dauernden Erfolg war das aber nicht. Der staatliche Druck auf die SRP wuchs rasch, und die Ansätze wirtschaftlicher Erholung führten prompt zur Abwendung von Teilen der Wählerschaft. Als Belastung erwies sich auch die spezifische Zusammensetzung der Funktionäre.

Dominierte den Mittelbau eine Menge „sehr alter Kämpfer“ (Michael Freund), die teilweise schon während der 1920er Jahre zur NSDAP gestoßen waren und – besonders geschätzt – in der SA einschlägige Erfahrungen gesammelt hatten, entsprach die Führung der SRP keineswegs diesem Muster. Der Parteivorstand setzte sich eher aus deklassiertem Bürgertum zusammen, das heißt aus Männern, die bei Untergang des NS-Regimes nicht nur ihre berufliche Stellung verloren hatten, sondern sich auch durch Internierung und sozialen Abstieg persönlich gedemütigt sahen.  Zu nennen sind in dem Zusammenhang vor allem der Parteivorsitzende Fritz Dorls, sein Stellvertreter Otto Remer sowie der Geschäftsführer Gerhard Krüger.

1952 erfolgte das Parteiverbot

Etwas anders gelagert war der Fall des Parteitheoretikers Wolf Graf von Westarp, der in der NS-Zeit keine besondere Rolle gespielt und zuerst für die CDU tätig gewesen war. Mit seiner Vorstellung vom Rückgewinn der deutschen Machtstellung als Zentrum eines europäischen Großraums, der sich selbständig gegen den sowjetischen wie den amerikanischen Einfluß behaupten sollte, und seinem Beharren darauf, daß es nicht darum gehen könne, das Regime Hitlers zu restaurieren, blieb er allerdings relativ einflußlos innerhalb der Partei wie ihrer Anhängerschaft.

Bezeichnend ist auch, daß Westarp in dem Augenblick, als ein Verbot der SRP wahrscheinlicher wurde und Dorls wie Remer halblaut darüber nachdachten, in die „Katakomben“ zu gehen, aus dem Untergrund den Umsturz herbeizuführen und dann eine neue „Reichsregierung“ zu bilden, seine Ämter niederlegte und kurz darauf aus der Partei ausgeschlossen wurde.

Abzeichen, Block mit Propagandamarken und Aufnahme eines Lautsprecherwagens des Deutschen Blocks, erste Hälfte der 1950er Jahre Foto: Archiv des Autors
Abzeichen, Block mit Propagandamarken und Aufnahme eines Lautsprecherwagens des Deutschen Blocks, erste Hälfte der 1950er Jahre Foto: Archiv des Autors

Diese Vorgänge im Sommer 1952 waren aber nur ein Nebenaspekt jenes Ablaufs, der zuerst zur – untersagten – Selbstauflösung der Partei führte und am 23. Oktober des Jahres mit dem Verbot der SRP durch das Bundesverfassungsgericht endete. Begründet wurde die Entscheidung unter Hinweis darauf, daß die SRP faktisch als Versuch einer Neugründung der NSDAP zu betrachten sei, ihr programmatisches Bekenntnis zur bestehenden Staatsordnung als Täuschung betrachtet werden müsse und zahlreiche Dokumente und Äußerungen ihrer Funktionäre die verfassungswidrigen Absichten der Partei belegten.

Die ehemaligen SRP-Wähler wechselten zum Bürgerblock

Bereits unmittelbar nach der Ankündigung und Einleitung des Verfahrens hatten sich in der SRP Erosionserscheinungen gezeigt. Da wegen der Kürze der Zeit an einen systematischen Aufbau sowieso nicht zu denken gewesen war, führte die staatliche Repression zum Zerfall der bereits vorhandenen Strukturen. Das Bundesverfassungsgericht untersagte außerdem die Bildung von Ersatzorganisationen. Was aber nicht bedeutete, daß es an Versuchen fehlte, die entstandene Lücke im politischen Angebot neu zu füllen.

Doch Gruppierungen wie die Deutsche Aufbauvereinigung (DAV) oder Der Deutsche Block (DDB) konnten nie an die Erfolge der SRP anknüpfen. Entscheidend dafür war die zunehmende Stabilisierung der Bundesrepublik. Die Mehrzahl der ehemaligen SRP-Wähler schloß sich den bereits etablierten Parteien, vor allem denen des Bürgerblocks, an, eine größere Gruppe ging zur Deutschen Reichspartei und eine kleinere zu jenen Formationen, die nur unter den Bedingungen des Kalten Krieges, der militärischen Konfrontation in der Mitte Europas und der deutschen Teilung hatten entstehen können und die als „Neutralisten“ bezeichnet wurden.

> Der Beitrag ist aus der Serie des Autors über die deutsche Nachkriegsrechte. Der nächste Teil erscheint am Montag. 

Bisher erschienen: 

Teil 1: Vor 75 Jahren wurde die Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei gegründet 

Teil 2: „Gegen die rote Flut“ – Der Bürgerblock 

Flugblatt, Abzeichen und Mitgliedskarte sowie Plakat der SRP, zwischen 1950 und 1952 Foto: Archiv des Autors
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