BERLIN. Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hat angesichts des Friedensabkommens zwischen den USA und den afghanischen Taliban vor einer neuen Flüchtlingswelle gewarnt. „Man muß in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß, wenn dieses Abkommen Wirklichkeit wird, von dem Moment an eine große Flüchtlingswelle auf uns zukommen wird. Viele Mädchen, Frauen, wesentliche Teile der Großstadt-Bevölkerung Afghanistans, vor allem diejenigen, die mit den westlichen Truppen kooperiert haben – sie alle werden sich auf den Weg machen. Auf den Weg machen müssen, weil sie nach diesem Friedensvertrag mit den Taliban um ihr Leben fürchten müssen“, sagte er der Welt am Sonntag.
Deutschland müsse außerdem sein Verhältnis zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verbessern. Das sei trotz derzeit vorherrschender negativer Emotionen ihm gegenüber der einzige Weg, um den Syrien-Konflikt und die aktuelle Flüchtlingskrise an der türkisch-griechischen Grenze zu bewältigen.
„In der AfD herrscht Putin-Seligkeit“
Zugleich sprach sich der ehemalige Vize-Kanzler gegen Grenzschließungen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie aus. „Man kann nicht wieder die nationalen Grenzen hochziehen. Die Nationalstaaten haben eine wichtige Rolle zu spielen als Akteure, sinnvoll wird das Ganze aber nur in einem größeren Verbund. Das ist die Europäische Union.“
Fischer warf der CDU vor, sich bislang nicht zu den außenpolitischen Vorstellungen der AfD geäußert zu haben. „Denn die AfD will weg von Adenauer, weg von der Westbindung – in der AfD herrscht Putin-Seligkeit. Diese Partei stellt die Grundlagen unserer Republik infrage. Warum hat die Union das nie offensiv debattiert?“, fragte der Grünen-Politiker. (ag)