BERLIN. Politiker von CDU und AfD haben das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kritisiert, wonach arbeitslose EU-Ausländer einen Anspruch auf Kindergeld in Deutschland haben. Der CDU-Politiker Christoph de Vries warnte mit Blick auf das Urteil vor einem „Kindergeld-Tourismus nach Deutschland“. Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht, eine „rechtssichere Lösung zu finden, die so etwas verhindert“, forderte er gegenüber der Bild-Zeitung. Sein Parteifreund Dennis Radtke mahnte, gegen Sozialbetrüger müsse der Staat „konsequent vorgehen“.
Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, René Springer, monierte, der Europäische Gerichtshof vergreife sich „wieder einmal an deutschen Steuergeldern“. Die Begründung des EuGH, wonach Kindergeld keine Sozialleistung sei, weil es nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts diene, sondern dem Ausgleich von Familienlasten, nannte er „bizarr“. Mit diesem Urteil blase Brüssel „zum Angriff auf den deutschen Sozialstaat“. Springer bezeichnete die Europäische Union (EU) als „Gemeinschaft des Rechtsbruchs“ und sieht seine Partei in ihrer Forderung bestätigt, „dieser EU endlich den Rücken zu kehren“.
Auf europäischer Ebene ist es das unausgesprochene Ziel, Nationalstaaten zu überwinden.
Wen wundern da Entscheidungen des europäischen Gerichtshofes, die sich gegen Nationalstaaten richten.#Kindergeld#EuGH pic.twitter.com/ZbOQ9FN2bZ
— René Springer (@Rene_Springer) August 1, 2022
EU wertet deutsche Rechtslage als Ungleichbehandlung von Ausländern
Hintergrund ist ein Urteil des EuGH, wonach der deutsche Staat Eltern, die aus anderen EU-Staaten zugezogen sind, in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts nicht generell Kindergeld vorenthalten darf. EU-Bürger können sich bis zu drei Monate in jedem anderen EU-Staat aufhalten, um dort nach Arbeit zu suchen. Ein Paß eines EU-Staats reicht als Aufenthaltsberechtigung aus. Nach deutschem Recht haben die Betroffenen während dieser drei Monate bisher keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Anspruch auf Kindergeld besteht seit Juli 2019 erst, wenn die Eltern in Deutschland Erwerbseinkünfte beziehen.
Einer Familie aus Bulgarien wurde deshalb Kindergeld verwehrt. Sie hatte dieses beantragt, ohne ein Erwerbseinkommen zu haben. Die Familienkasse verweigerte die Auszahlung, das Finanzgericht Bremen legte den Streit dem EuGH vor. Es vermutete eine Ungleichbehandlung mit deutschen Bürgern. Denn diese erhalten nach einer Rückkehr aus einem anderen Mitgliedsstaat auch ohne Erwerbstätigkeit Kindergeld. Der EuGH pochte daraufhin auf eine Gleichbehandlung ausländischer EU-Bürger mit Inländern. Eine Ausnahme sei nach EU-Recht nur für die Sozialhilfe vorgesehen. Das Kindergeld sei aber keine Sozialhilfeleistung. Es diene nämlich nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts, sondern dem Ausgleich von Familienlasten. (st)