BERLIN. In der Debatte um die pädophile Vergangenheit der Grünen hat der Mitbegründer der Partei, Eckhard Stratmann-Mertens, den Grünen-Europa-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit schwer belastet. Cohn-Bendit hatte in den siebziger und achtziger Jahren über intime Kontakte mit Kindern berichtet, später seine Äußerungen aber als fiktiv abgetan und als Provokation dargestellt.
Stratmann-Mertens, der für die Grünen von 1983 bis 1985 und von 1987 bis 1990 im Bundestag saß, aus Streit über den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr die Partei aber 1999 verließ, bezeichnete Cohn-Bendits nachträgliche Erklärungen nun als unglaubwürdig. Dem WDR sagte er: „Ich war damals ja auch als Student in Frankfurt, als Cohn-Bendit und Joschka Fischer da waren. Ich habe an denselben Demonstrationen teilgenommen. Und ich muß sagen: Ich glaube Cohn-Bendit kein Wort, wenn er seine Äußerungen zum Sex mit Kindern heute als Provokation, als reine Theorie hinstellt.“
Insgesamt zeigte sich Stratmann-Mertens kritisch, was den Umgang der Grünen mit Pädophilen in den eigenen Reihen in der Frühphase der Partei betrifft. Es habe 1980 eine Gruppe gegeben, die sich Indianerkommune nannte. Diese hätte an einigen Bundesparteitagen teilgenommen und sich als Kinderrechtsinitiative bezeichnet, die offen für pädosexuelle Kontakte warb.
„Man hätte diese Leute viel früher rausschmeißen müssen“
„Auf Parteitagen lagen dann teilweise Erwachsene rum, die mit Jugendlichen knutschten. Es war zum Kotzen. Aber aus einer falsch verstandenen Liberalität wurde da in den Anfangsjahren der Grünen nicht eingegriffen. Das grün-alternative Selbstverständnis lautete halt: Alles ist zunächst einmal erlaubt, was für sexuelle Befreiung steht“, erläuterte der frühere Grünen-Politiker. Heute sehe er dies sehr kritisch. „Man hätte diese Leute viel früher rausschmeißen müssen“, gestand Stratmann-Mertens.
Erst am Wochenende hatte die Welt am Sonntag von neuen Pädophilie-Vorwürfen berichtet. In den Achtziger Jahren sei das damalige Landesvorstandsmitglied in Nordrhein-Westfalen, Hermann Meer, an sexuellen Übergriffen auf Minderjährige in einer Wohngemeinschaft beteiligt gewesen sein soll. Dies hätten zwei ehemalige WG-Mitglieder ausgesagt.
Die CDU-Politikerin Erika Steinbach forderte die Grünen daraufhin auf, zu den Vorfällen Stellung zu beziehen. Das Pädophilie-Problem der Grünen werde offenbar immer größer. „Das Maß ist voll. Die Grünen müssen Konsequenzen ziehen und die Opfer müssen gehört werden. In ihrem Interesse vor allem muß lückenlos aufgeklärt und zur Verantwortung gezogen werden“, verlangte sie. Dies müsse noch vor der Bundestagswahl im September geschehen.
„In erster Linie aber muß sich diese Partei von denen distanzieren, die sexuellen Kindesmißbrauch eine selbsterfundenen Entkriminalisierung angedeihen lassen wollten und dieses Verbrechen nicht nur verharmlosen, sondern auch noch gesellschaftsfähig machen wollten, wie es führende Politiker der Grünen mit ihren damaligen Plädoyers für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik anstrebten.“