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Gran Canaria: Vom Urlaubsparadies zum Flüchtlingshotspot

Gran Canaria: Vom Urlaubsparadies zum Flüchtlingshotspot

Gran Canaria: Vom Urlaubsparadies zum Flüchtlingshotspot

Migrante
Migrante
Afrikanische Migranten auf Gran Canaria Foto: Hinrich Rohbohm
Gran Canaria
 

Vom Urlaubsparadies zum Flüchtlingshotspot

Die Kanaren entwickel sich derzeit immer mehr zum neuen Hotspot für Migranten aus Afrika. Allein in diesem Jahr sind bereits knapp 20.000 von ihnen auf den Atlantik-Inseln, hundert Kilometer von der westafrikanischen Küste entfernt, angekommen. Fast zehnmal so viele wie in den Jahren zuvor. Eine Reportage von Hinrich Rohbohm.
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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Sie kommen in der Abenddämmerung. Soeben haben 40 Migranten mit ihrem Boot den Strand von Maspalomas auf Gran Canaria erreicht. Ein Polizeihubschrauber ist in der Luft, überfliegt das betroffene Gebiet. Ein Boot der spanischen Küstenwache fährt in Ufernähe auf und ab, stoppt für einige Minuten, um erneut am besagten Strandabschnitt langsam entlang zu fahren.

Polizei- und Krankenwagen kommen herbei, rasen durch den Dünensand. Dann sehen es auch die wenigen am Strand verbliebenen Touristen. 40 Marokkaner und Schwarzafrikaner. Ausschließlich Männer. Im Gänsemarsch und von der Polizei eskortiert laufen sie über den vom Regen der vergangenen Tage naß und klebrig gewordenen Strand. Sie tragen Jacken, Pullover und Masken. Nur wenige werden Augenzeuge dieser Begebenheit. Denn jetzt, wo die Sonne untergegangen und die letzten romantischen Erinnerungsfotos davon im Handy abgespeichert sind, haben sich die coronabedingt ohnehin wenigen verbliebenen Pauschalurlauber längst zu den Abendbuffets ihrer Hotels aufgemacht.

Afrikanische Migranten werden von der Polizei begleitet vom Strand weggebracht Foto: Hinrich Rohbohm

Unterdessen reichen Rettungshelfer den Migranten Plastik-Wasserflaschen gegen eine mögliche Dehydrierung auf See. Im Zwielicht der hereinbrechenden Nacht erreicht die Gruppe die befestigte Strandpromenade, wo sie die Polizei zunächst festsetzt. Zugangsstraßen werden abgesperrt, die Angekommenen von der Öffentlichkeit abgeschirmt.

Linke Vorwürfe gegen Frontex

Szenen wie diese geschehen derzeit fast täglich auf den Kanaren, die sich gerade zum neuen Hotspot für Migranten entwickeln. Allein in diesem Jahr sind bereits knapp 20.000 von ihnen auf den Atlantik-Inseln, hundert Kilometer von der westafrikanischen Küste entfernt, angekommen. Fast zehnmal so viele wie in den Jahren zuvor. Allein in der vergangenen Woche kamen mehr als 2.000.

Der Gründe: Zum einen die Wetterverhältnisse. Winde und Temperaturen lassen eine Überfahrt über das Mittelmeer zu dieser Jahreszeit kaum noch zu. Darüber hinaus werden die bisherigen Hotspot-Routen im östlichen und zentralen Mittelmeer inzwischen konsequenter kontrolliert als noch in den Jahren zuvor.

Wohl auch das dürfte ein Grund dafür sein, weshalb dieser Tage die Europäische Grenzschutzagentur Frontex in die Kritik der radikalen Linken geraten ist. Deren Vorwurf: Die Grenzschützer würden insbesondere in der Ägäis sogenannte Pushbacks durchführen. Damit sind Einsätze gemeint, bei denen Migrantenboote in EU-Gewässern ohne Prüfung eines Asylanspruches über die EU-Außengrenze zurückgeschoben werden.

Eine Anschuldigung, die die Agentur jedoch entschieden zurückweist. Konkrete Beweise für diesen Vorwurf lägen der Behörde nicht vor. Migrantenboote abzufangen und aufzufordern, den Kurs zu ändern, sei dagegen durch die EU-Verordnung zur Überwachung der Seeaußengrenzen gedeckt.

Camp wegen Überfüllung geschlossen

Doch während man sich auf den bisherigen Hotspot-Inseln wie Lesbos in Griechenland oder Lampedusa in Italien inzwischen auf die Situation eingestellt hat, mangelt es auf den Kanaren noch an der entsprechenden Infrastruktur für die Bewältigung dieses größten Migrantenstroms seit 2006.

Ein weiterer Grund für den plötzlichen Ansturm: Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben zahlreiche Afrikaner ihre Jobs und damit ihr Einkommen verloren. Jetzt wollen sie neue Einnahmequellen in der EU finden.

Die lokalen Behörden trifft das alles weitgehend unvorbereitet. Entsprechend gering sind die Kapazitäten zur Unterbringung der Migranten. Ein provisorisches Camp im Hafen des wenige Kilometer von Maspalomas entfernten Ortes Arguineguin wurde in dieser Woche wegen Überfüllung geschlossen.

Inzwischen werden die Migranten in wegen der Corona-Krise leerstehenden Hotels untergebracht. Eines davon ist das Hotel Waikiki in dem Touristen-Hotspot Playa der Ingles. Eine Schranke versperrt den Weg zum Hoteleingang. Daneben bewacht Sicherheitspersonal das Gebäude. Schwarzafrikaner stehen und sitzen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, schlagen sich die Zeit tot. Andere Migranten sitzen auf den Balkonen ihrer Hotelzimmer.

Wut der Einheimischen

Afrikaner vor einem Hotel Foto: Hinrich Rohbohm

Eine Szenerie, die hochexplosiven sozialen Sprengstoff birgt. „Wir können unsere Häuser und Wohnungen nicht mehr bezahlen und die werden hier kostenlos in Vier-Sterne-Hotels untergebracht“, klagen Einheimische in Gesprächen mit der JF. An den Wochenenden kommt es inzwischen regelmäßig zu Protestkundgebungen der einheimischen Bevölkerung.

Ein Zustand, dessen Brisanz auch den lokalen Behörden nicht verborgen geblieben ist. Mit Hochdruck werden derzeit mehrere Aufnahmelager auf militärischem Gebiet errichtet. Weitab von den Augen der Öffentlichkeit und für sie auch nicht zugänglich. Womit die Migrationskrise einmal mehr aus den Augen und damit aus dem Sinn der Menschen wäre.

Und während die sozialistische Regierung Spaniens offiziell noch erklärt, keine Migranten auf das Festland verlegen zu wollen, pfeifen es auf Gran Canaria bereits die Spatzen vom Dach, daß viele der illegal ins Land Gekommenen schon jetzt auf Staatskosten ausgeflogen werden, um die Kanaren zu entlasten und vor allem eines zu vermeiden: Das Bild der Inselgruppe als sichere Urlaubsdestination zu gefährden.

Afrikanische Migranten auf Gran Canaria Foto: Hinrich Rohbohm
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