Zwei Jahre nach der Silvesternacht in Köln – und Deutschland debattiert. Über schlüpfrige Witze, falsch geparkte Männerhände und ähnliche sexuelle Schandtaten, die sich teilweise vor Jahrzehnten ereignet haben sollen. Ein offenkundiger Widerspruch, dem in Berlin auf einer Podiumsdiskussion mit Birgit Kelle und Don Alphonso nachgegangen wurde. Geladen hatte die Initiative „Frauen für Freiheit“, die als Reaktion auf das Schweigen nach den Silvesterübergriffen entstand.
Moderiert wurde die Diskussion von Initiativgründerin Rebecca Schönenbach, die auch den Part des Advocatus Diaboli übernahm. Die ursprünglich dafür vorgesehene Feministin hatte abgesagt. Schuld war diesmal nicht das Patriachat, sondern Druck aus der Szene. So war es Schönenbach, die die Veranstaltung mit der provokanten Frage einleitete, ob nicht konservative Wertvorstellungen, wie sie der oberbayerische Patriarch Don Alphonso und das „Muttertier“ Kelle vertreten, dem islamischen Frauenbild entsprächen.
„Die glückliche Mutter am Herd, ist das nicht etwas, das auch eurem Bild sehr entgegenkommt?“ Kelle konterte, daß sie eher Parallelen zwischen dem heutigen Feminismus und Islamisten sehe. Es sei erstaunlich, wenn Jungfeministinnen Vorstellungen zur Bekleidungen entwickelten, die mit denen eines Salafisten wie Pierre Vogel einhergingen. „Wenn nackte Haut zu zeigen uns neuerdings degradiert und das Kopftuch das neue Symbol der Freiheit der Frau ist“, zeige das eher eine bemerkenswerte Konformität.
Empörung über Nichtigkeiten
Don Alphonso – schneidig angetreten in oberbayerischer Tracht – offenbarte dazu in dem Gesprächskreis geheime Phantasien. Als junger Mann in München habe er einen Skandal erlebt. Ein Restaurant warb damals mit dem Bild einer Frau, an deren Dekolleté eine Nudel klebte. Von hinten versuchte eine Männerhand diese Nudel zu greifen. Aufruhr bei der CSU, die das Plakat verbieten lassen wollte. SPD und Grüne stemmten sich im Stadtrat erfolgreich dagegen, die Werbung durfte bleiben.
Jetzt sei aktuell in München ein neuer Streit entbrannt. Ein großes Plakat an einem Baugerüst werbe mit dem Bild einer Frau im Bikini. Nun seien es SPD und Grüne, die im Stadtrat dagegen Sturm liefen, während die CSU gar kein Problem erkennen könne. „Ich habe mich nicht entwickelt. Ich fand das Plakat damals gut. Und das Plakat heute finde ich auch gut.“ Doch was ist mit den Parteien? „Ist die CSU heute eine linke Partei und damals nicht? Oder sind jetzt SPD und Grüne rechte Parteien?“
Anekdoten, Absurditäten und Paradoxien wurden an dem Abend zusammengetragen, die alle auf eine Frage hinausliefen: Wie kann es sein, daß man sich einerseits über Nichtigkeiten empört, andererseits aber schweigend hinnimmt, daß der öffentliche Raum für Frauen immer kleiner wird? Verschiedene Erklärungsmodelle wurden erörtert, wobei eine Erklärung auch in der Diskussion mit dem Publikum anklang: Feigheit. Die Feigheit, sich sein eigenes, ungeheures Versagen einzugestehen.
Der Abend klang aus bei gemeinsamen Essen. Mit Nudeln und Dekolleté und Gesprächen unter Erwachsenen. (FA)
Ein ausführlicher Bericht erscheint in der kommenden Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT