Unter dem Titel „Die Bremer Asyl-Affäre – Systemfehler oder Einzelfall“ diskutierte Anne Will am Sonntag abend mit ihren Gästen über den Bamf-Skandal. Als Aufhänger der Sendung diente die „Zukunft Deutschland“ -Demonstration der AfD in Berlin. Anders als sonst so oft, wenn wenn im Öffentlich-Rechtlichen über die AfD spricht, durfte diesmal mit Parteichef Alexander Gauland sogar jemand von der AfD mitreden.
Allerdings eröffnete die Moderatorin die Sendung direkt mit einem Blick auf die Kundgebung in Berlin, in dem sie die Demonstranten aufteilte in: „Rund 5.000 Menschen, die mit der AfD gegen die Flüchtlingspolitik und, wie sie behaupten, damit für Deutschland demonstrieren, auf der einen Seite; und, auf der anderen Seite, fünfmal so viele Menschen, 25.000, die auch für Deutschland, und zwar für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland, demonstriert haben“. Die Rollenverteilung von „gut“ und „böse“ war also klar und wurde dem Zuschauer gleich zu Beginn regierungskonform von den Moderationskarten ab- und vorgelesen.
Dann debattierten Gäste und Moderatorin, ab wann ein Minister mit unangenehmen Hinweisen aus Behörden „belästigt“ werden soll. Hierbei schoben sich vor allem Niedersachsens Ministerpräsident Boris Pistorius (SPD) und Stephan Mayer von der CSU immer wieder den schwarzen Peter hin und her.
Einzelfälle – aber wie viele?
Relativ einig waren sich alle, bis auf Gauland, daß kein Systemversagen vorliege. Bei den Bamf-Vorfällen handele es sich um Einzelfälle! Um wie viele kann keiner sagen.
Christine Adelhardt, die als Redakteurin beim NDR die Affäre in Bremen federführend recherchiert hatte, betont, daß sie anfangs eigentlich in einer ganz anderen Sache unterwegs war und nicht damit gerechnet hatte, was sie da aufdeckt. Man bekommt im Laufe der Sendung immer mehr den Eindruck, es ist ihr ein wenig unangenehm, den Stein gegen die eigene Haus-Ideologie überhaupt ins Rollen gebracht zu haben.
Nach 15 Minuten kam Alexander Gauland das erste Mal zu Wort. Er forderte einen Untersuchungsausschuß. Anne Will hakt nach: „Was genau soll der Untersuchungsausschuß aufklären, Herr Gauland?“ Gauland hätte jetzt einfach sagen können: „Was Untersuchungsausschüsse eben so aufklären.“ Er bleibt aber Gentleman und weist darauf hin, daß die Öffnung der Grenzen für die unkontrollierte Einwanderung der wirkliche Anfang des Dilemmas war.
Inquisitorischer Tonfall
Will, wieder im gleichen inquisitorischen Tonfall: „Was ist gemeint mit die Grenzen öffnen, Herr Gauland? Die Grenzen waren offen, sie sind nur nicht geschlossen worden.“ Das „Herr Gauland“, betonte die ARD-Frau mit so viel überzeugter Verachtung in der Stimme, daß man sich irgendwie sicher ist, daß Gauland der einzige Gast in der Runde ist, den Will auch privat siezt.
Der AfD-Mann führt davon unberührt aus: Wer behaupte, jeder Flüchtling sei ein Geschenk, dürfe sich nicht wundern, wenn das Bamf sie auch für ein Geschenk hält. Katrin Göring-Eckardt fand das „ganz billig“. Gauland und die AfD würden versuchen, mit Demonstrationen wie der am Sonntag in Berlin das Land zu spalten. Vielleicht haben ihr auf der AfD-Demo die „Nie wieder Deutschland“-Transparente und die „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ -Sprechchöre gefehlt, wie es sie auf den „versöhnlichen“ Demos gibt, auf denen grüne Spitzenpolitikerinnen mitlaufen.
Grüne gegen Ankerzentren und Untersuchungsausschuß
Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß will Göring-Eckardt – vorerst – nicht. Vermutlich so lange nicht, wie die AfD im Parlament sitzt.
Auch die in ihrer Partei so sehr verhaßten Ankerzentren für Asylbewerber will die Fraktionsvorsitzende der Grünen nicht. Auch diese findet sie billig. So richtig lieb und teuer sind Göring-Eckardt offenbar nur „Flüchtlinge“ – und natürlich: Bienen, Schmetterlinge und Vögel.
Am Ende wird es noch einmal richtig interessant. Die öffentlich-rechtliche Moderatorin fordert von Gauland fragend Verständnis dafür ein, daß jemand seinen Paß nicht vorzeigt, „weil er nicht zurück will, dahin wo er nicht leben will“. Mit dieser bestechenden Argumentation muß man natürlich jeden aufnehmen, im besten Deutschland, das wir je hatten.