Anzeige
Marc Jongen, ESN Fraktion
Anzeige
ESN Fraktion, Europa der Souveränen Nationen, ESN Stellenanzeigen

Kritiker sind Feinde: Ja, wir sind gespalten!

Kritiker sind Feinde: Ja, wir sind gespalten!

Kritiker sind Feinde: Ja, wir sind gespalten!

Ein Blitz scheint eine deutsche Flagge in zwei Teile zu spalten.
Ein Blitz scheint eine deutsche Flagge in zwei Teile zu spalten.
Ein Blitz scheint eine deutsche Flagge in zwei Teile zu spalten. Foto: picture Alliance / Klaus Ohlenschläger / dpa
Kritiker sind Feinde
 

Ja, wir sind gespalten!

In der öffentlichen Rhetorik ist Spaltung ein schlimmes Übel. „Spalter“ ist dabei, wer anders denkt als die Mehrheit. Tatsächlich sind die Kritiker des angeblichen gesellschaftlichen Konsens die einzigen, die die realen Spaltungen benennen, von denen die Verantwortlichen nichts hören wollen. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
Anzeige

Unwort, Umfrage, Alternativ

Folgt man der öffentlichen Rhetorik, dann sind die Spaltungen, die von brandgefährlichen Spaltern verursacht werden, die schlimmsten aller politischen und gesellschaftlichen Übel. Der gefährlichste Spalter ist natürlich Donald Trump, der die amerikanische Gesellschaft und darüber hinaus den Westen gespalten hat.

In Osteuropa spalten autoritäre Regierungen die europäische Wertegemeinschaft, weil sie sich der muslimischen Einwanderung widersetzen. In Deutschland werden Haßverbreiter, Ausgrenzer, Rassisten, Verschwörungsgläubige, Klimaleugner, Islamophobe, Sexisten, Covidioten und natürlich die Rechten als Spalter identifiziert.

Die Spalter zerteilen laut Wörterbuch ein Ganzes, sie zerstören eine Einheit, etwa die Einheit des Staates, der Gesellschaft, der Nation. Gäbe es die oben genannten Spalter nicht oder könnte man sie eliminieren, so muß man annehmen, würden alle die Hand sich reichen und Harmonie, Vernunft, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte das Land, Europa und die Welt bis in den letzten Winkel erfüllen.

Moderne und eine traditionelle Art des Spaltens

Merkwürdigerweise wurde auch der CDU-Politiker Friedrich Merz, der keiner der genannten Kategorien des Bösen angehört, als Spalter bezeichnet. Grund ist sein – vermutlich zutreffender – Vorwurf an das Parteiestablishment, es wolle mit der Verschiebung des Parteitags seine Wahl zum Vorsitzenden verhindern.

Das Wort bezeichnet offenbar zwei unterschiedliche Spalter-Qualitäten, eine traditionelle und eine moderne. Auf die traditionelle Bedeutung bezieht sich der vormalige Spiegel-, jetzt Focus-Autor Jan Fleischhauer, wenn er sagt: „Ich bin absolut für Spaltung. Ich halte Spaltung in einer Demokratie für das Normalste der Welt. Mir geht nichts so sehr auf die Nerven wie die Kuhstallwärme der Gesinnungsgemeinschaft.“

Fleischhauer moniert die Schläfrigkeit des politischen Diskurses und die dahinterstehende Erwartung, der Konsens müsse feststehen, bevor der Streit überhaupt erst begonnen hat. Er orientiert sich am Demokratie-Ideal, wonach der öffentliche Austausch von Argumenten, der Meinungsstreit, idealerweise zur besten aller möglichen Lösungen führt.

Begriff dient der Feindmarkierung

Die „Kuhstallwärme“ gehört zum Biedermeier der alten Bundesrepublik, der sich zum Teil aus der Geschichte erklärt. In der Weimarer Republik waren die politischen Lager so unversöhnlich aneinandergeraten, daß am Ende alle gemeinsam in den Abgrund rauschten. Herbert Wehner erklärte 1960 als Fraktionschef der SPD im Bundestag: „Das geteilte Deutschland (…) kann nicht unheilbar miteinander verfeindete christliche Demokraten und Sozialdemokraten ertragen.“

Zum „Konsens der Demokraten“ gehörte auch die stillschweigende Akzeptanz der Bundesrepublik als ein Protektorat, das politisch unter Aufsicht und moralisch unter Bewährung stand. Das führte zu einer politischen Bräsigkeit, die sich habituell im CDU-Kanzler Helmut Kohl personifizierte. Kohl sei, so Karl Heinz Bohrer, „eine Art Refrain auf den Durchschnittstypus einer westdeutschen Kleinstadt – und Westdeutschland bestand nur aus solchen Kleinstädten“. Als der ebenso bräsige Johannes Rau 1987 als SPD-Kanzlerkandidat gegen ihn antrat, wählte er das bezeichnende Motto: „Versöhnen statt spalten.“

In der alten Wortbedeutung meint „Spaltung“ also Abweichung von einer politischen Mentalität. Im modernen Gebrauch geht es ums politische Prinzip. Der Begriff dient der Feindmarkierung. Als Feind wird markiert, wer gegen die Transformation der Gesellschaft in eine „neue Normalität“ und die Degenerierung des Nationalstaates zur neu aufgesiedelten Verwaltungseinheit eines Global-Regimes opponiert.

„Spalter“ sind die Kritiker

Das neue Ganze, das in Deutschland gerade geschaffen wird, umschließt neben den Staatsbürgern, die „schon länger hier leben“, auch alle, die „neu dazugekommen sind“ (Angela Merkel) und prospektiv sogar jene, die erst noch im Begriff sind, hierher aufzubrechen. Dieser Prozeß hat bereits zur Aufspaltung der relativ homogenen Einheit in eine multitribale Konfusion geführt, in der sich immer weniger Beteiligte an rechtsstaatliche Normen und immer mehr an ihre Stammeszugehörigkeit und an religiöse Vorschriften gebunden fühlen.

Ausgerechnet die Kritiker der offenkundigen Spaltungen und Fragmentierungen werden mit der geballten Macht des politisch-medialen Komplexes als „Spalter“ ins Aus gestellt. Dem liegt ein heilsgeschichtliches respektive ideologisches Politikverständnis zugrunde: Für das künftige Glück der globalen Menschengemeinschaft müssen Opfer erbracht werden. Wer sich dieser Einsicht verschließt, ist ein Häretiker, ein Feind – ein Spalter eben.

So schied der vormalige Bundespräsident Joachim Gauck die Landeskinder, die zum hellen Deutschland gehören, von den Finsterlingen aus Dunkeldeutschland. Letztere, so die Insinuation, seien moralisch minderwertige, unmaßgebliche Feinde der im Entstehen begriffenen, neuen Republik.

Gesunder Menschenverstand trifft auf unlautere Gegner

Damit sie gelingt, wird die Gesellschaft in besinnungslosen Taumel versetzt. Die Kämpfe gegen Rechts, gegen die Klimaerwärmung, gegen Corona absorbieren alle Aufmerksamkeit und Kraft und dulden keine Zweifel. Selbst der FDP-Vorsitzende Christian Lindner mußte sich vorhalten lassen, seine Kritik an den Corona-Maßnahmen befördere „die derzeit immer stärker werdende Spaltung in der Bevölkerung“. Hier geht es nicht um demokratischen Meinungsstreit, sondern um die Behauptung absoluter Wahrheiten. Das Zeitalter der Ideologien hatte 1989 nicht geendet, es hatte nur eine Pause eingelegt. 

Früher waren die Ideologen ehrlicher. Sie heuchelten keinen demokratischen Konsens, sondern sprachen von antagonistischen Gegensätzen, deren Austrag Sieger und Verlierer kennt. Was die einen als Gewinn einzustreichen hofften, sollten die anderen als Verlust hergeben.

Jeder Versuch, den Spalter-Vorwurf zu widerlegen, ist Zeitverschwendung. Ja, das Land ist gespalten, aber anders als Politik und Medien behaupten. Täuschende Konsensangebote à la „Wir müssen reden!“ sind Aufforderungen zur Unterwerfung. Der gesunde Menschenverstand muß die Illusion aufgeben, mit der permanenten Kriegserklärung an ihn ließe sich eine Übereinkunft erzielen, und präzise die realen Spaltungen benennen, solange das noch möglich ist.

JF 46/20

Ein Blitz scheint eine deutsche Flagge in zwei Teile zu spalten. Foto: picture Alliance / Klaus Ohlenschläger / dpa
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag