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Schöpferische Zerstörung

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Cato, Palmer, Exklusiv

Wahrscheinlich starben die Dinosaurier deswegen aus: Alle paar Dutzend Millionen Jahre kommt es vor, daß ein großer Asteroid auf der Erde einschlägt und eine gewaltige Naturkatastrophe verursacht. Der letzte größere Brocken ging 1908 in Sibirien nieder; er hatte nur 30 bis 50 Meter Durchmesser, raste aber mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn Kilometern pro Sekunde durch die Erdatmosphäre, explodierte infolge seiner enormen Aufheizung kurz vor dem Aufschlag mit einer Sprengkraft von tausend Hiroshima-Bomben und knickte rund 80 Millionen Bäume – in einem glücklicherweise sehr abgelegenen Gebiet – um.

Viele Science-Fiction-Romane und -Filme handeln von solchen kosmischen Bedrohungen, aber auch in der mythischen und religiösen Literatur haben sie ihren „Niederschlag“ gefunden: Homer besingt Athene als Meteoriten: „Gleichwie ein Stern […] dem Heere gewaffneter Völker zum Zeichen strahlend brennt und im Flug unzählige Funken umhersprüht, also senkt hineilend zur Erde sich Pallas Athene zwischen die Heere hinab; und Staunen ergriff, die es ansahn.“ Und in der Johannes-Offenbarung heißt es so lapidar wie eindringlich: „Es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel.“

„Vielleicht hat jemand in Brüssel einen Artikel gelesen“

Kürzlich hat sich auch die EU-Kommission solcher Katastrophenszenarien angenommen und eine Gruppe internationaler Wissenschaftler damit beauftragt, Strategien zu entwickeln, wie dem Einschlag eines Asteroiden vorgebeugt werden könne – notfalls auch durch den Einsatz einer Atombombe, die ihn, wenn’s gut läuft, nicht zerstören, sondern von seiner Bahn abbringen würde. Konkreter Hintergrund ist die Annäherung des Asteroiden Apophis an die Erde im Jahr 2029; er wird zwar in dreißigtausend Kilometern Entfernung vorbeirasen, aber in kosmischen Maßstäben ist das nur ein knappes Vorbeischrammen. Es besteht die Gefahr, daß er uns bei seinem nächsten Besuch 2036 noch näher kommen könnte.

Nach Alan Harris, dem Leiter der Projektgruppe, liegt die Wahrscheinlichkeit dafür allerdings nur bei eins zu zweihundertfünfzigtausend. Zwar gibt es noch zahlreiche kleinere Asteroiden, deren Flugbahnen bislang nicht berechnet sind, aber auch die sollten uns, gemessen an anderen Problemen, nicht allzusehr besorgen. Der Astrophysiker wundert sich sogar ein wenig darüber, daß das Thema derzeit so ernst genommen wird, und verweist seinen Besucher von der FAZ auf diverse Zeitschriften, in denen Beiträge mit Titeln wie „Gefahr aus dem All“, „Unter Beschuß“ oder „Die Erde schlägt zurück“ erschienen sind: „Vielleicht hat jemand in Brüssel einen Artikel gelesen.“

Astralmythen und Menschenopfer

Der etwas actionlastige Name des Projekts, „Neoshield“, weist in diese Richtung. Vielleicht erhofft man sich von diesen Forschungen aber auch „Synergie-Effekte“ für andere Bereiche? Die Menschen der Bronzezeit haben sich gegen Meteoriteneinschlag noch nicht mit Atombomben verteidigen können. Sie erfanden daher – so der Kulturtheoretiker Gunnar Heinsohn – die Götter. Diese waren dann zwar keine Astronauten wie bei Erich von Däniken, kamen aber als Feuerbälle aus dem Weltraum; auch viele ihrer Attribute – Blitz, Donnerkeil oder Thorshammer – passen in diesen Zusammenhang.

Herrschten in der unmittelbar vorangehenden Kupfersteinzeit Toten- und Jagdtierversöhnungsrituale vor, so kamen in der Bronzezeit die ersten noch faßbaren Astralmythen auf – und mit ihnen Priesterfürsten und Sakralarchitektur. Zudem wurden plötzlich Menschenopfer praktiziert, die Heinsohn weniger als Gaben interpretiert, die die Götter versöhnlich stimmen sollten, sondern als kollektive Therapieversuche auffaßt: Indem man die schrecklichen Ereignisse rituell nachvollzog und dabei als Gestirne maskierte Menschen tötete, suchte man sich psychisch zu entlasten.

Zerstörung ist letztlich Neugestaltung

Heinsohns Erklärung wirft freilich viele Fragen auf: War der Asteroideneinschlag in der Bronzezeit wirklich dichter als in früheren Jahrtausenden? Vor allem aber scheint der Katastrophentheoretiker einen Sonderfall – den des zürnenden und strafenden Gottes – zu verallgemeinern: Die religiöse Grundhaltung besteht nicht in der Angst, sondern in einem Gefühl des Eingelassenseins in den Kosmos. Zwar beschreiben die Mythen auch kosmische Katastrophen, aber diese stellen Grenzfälle dar, die die alte Ordnung auflösen, um etwas Neues beginnen zu lassen.

Insgesamt wird von Germanen und Griechen (wie in der Genesis) die ordnungsstiftende Funktion der Götter betont: „Für Nacht und Neumond wählten sie Namen, benannten Morgen und Mittag auch, Zwielicht und Abend, die Zeit zu messen“, heißt es in der Völuspá. Am Ende des Weltalters „verlischt“ die Sonne, „das Land sinkt ins Meer; vom Himmel stürzen die heitern Sterne“, aber selbst Ragnarök bleibt noch – anders als in der christlichen Apokalypse – in einen zyklischen Erneuerungsprozeß eingebunden: „Seh aufsteigen zum andern Male Land aus Fluten, frisch ergrünend.“ Zerstörung ist letztlich Neugestaltung.

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