Wer die falsche Partei wählt, ist ein Krimineller. Sagt jedenfalls, notdürftig verklausuliert, kein geringerer als unser Herr Bundespräsident, wenn er Metaphern aus dem Strafrecht bemüht, um Wahlentscheidungen zu bewerten: „Kein mündiger Wähler kann sich auf mildernde Umstände herausreden“, doziert das Staatsoberhaupt, „wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen“.
Wen Frank-Walter Steinmeier damit adressierte, wußte jeder im Saal, auch wenn er es nicht offen aussprach: Natürlich jene Partei, deren wachsende Umfragewerte ihm in den letzten Wochen schon öfter die Sorgenfalten unter die weiße Haarpracht gefurcht haben und die seine Parteifreundin und Chefin der in der Wählergunst von besagter Schwefelpartei abgehängten SPD in größerer stalinistischer Unbekümmertheit am liebsten gleich ganz verbieten möchte.
Frank-Walter, der Spalter
Die wenigen, die diesen neuesten präsidialen Verbalausfall überhaupt zur Kenntnis genommen haben, haben ihn wohl ebenso unbeeindruckt an sich vorbeirauschen lassen wie alle vorangegangenen. Der Apparatschik Steinmeier ist nun mal auch im höchsten Staatsamt stets Parteisoldat geblieben. Im Grunde hält er jedesmal dieselbe farblose und vorhersehbare Funktionärsrede und nutzt jeden noch so hehren historischen Anlaß, um über oppositionelle Abweichler herzuziehen und die Bürger in Gute und Böse zu sortieren.
So auch diesmal. Frank-Walter, der Spalter, unterscheidet zwischen den Braven, die sich folgsam hinter der auch von ihm vertretenen weisen Führung und ihren unfehlbaren Ratschlüssen scharen, um „die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen“, und eben jenen unartigen anderen, die er ohne viel Federlesens als „Verfassungsfeinde“ brandmarkt. Man könne ja durchaus mal anderer Meinung sein und sich sogar streiten – solange man die von ihm und seinesgleichen definierte Linie nicht ablehnt, versteht sich –, aber jene „Verfassungsfeinde“, die könne unser Grundgesetz nun mal „nicht integrieren“.
In Steinmeier steckt noch der linksradikale Agitator von einst
Das mag erstaunen, hat es die Bundesrepublik Deutschland doch in vielen Fällen ermöglicht, selbst ausgewiesene Systemverächter in hohe und höchste Staatsämter aufsteigen zu lassen. Der linksextreme Sturmtruppenkommandant Joschka Fischer brachte es bis zum Bundesaußenminister, der kommunistische Sektierer Jürgen Trittin immerhin zum Bundesumweltminister, um nur einige zu nennen; selbst ein Frank-Walter Steinmeier, der in Jugendjahren die Publikationen eines verfassungsfeindlichen linksradikalen Verlags redigierte und vollschrieb, stieg am Ende der Karriereleiter sogar noch zum Staatsoberhaupt auf.
Tief drinnen ist er aber offenbar noch immer der linksradikale Agitator von einst geblieben, der sich im permanenten geistigen Bürgerkrieg gegen den inneren Feind wähnt, den er zumindest rhetorisch aus der Gemeinschaft ausschließt. Daß er ausgerechnet das 75jährige Gedenken an den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee parteipolitisch mißbraucht, um über mißliebige Bürger und Wähler herzuziehen, ist von bitterer historischer Ironie.
Die Schöpfer des Grundgesetzes haben aus leidvoller Erfahrung mit dem Totalitarismus viel Mühe darauf verwandt, die Grundrechte als bürgerliche Abwehrrechte gegen einen potentiell übergriffigen Staat zu formulieren, der der Versuchung erliegen könnte, politische Rechte willkürlich nach ideologischer Zuverlässigkeit von oben zuzuteilen. Es scheint, daß Frank-Walter Steinmeier geistig noch immer nicht im demokratischen Rechts- und Verfassungsstaat angekommen ist, den er als Staatsoberhaupt zu repräsentieren hätte.