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Infektionsschutzgesetz: Repression nach Zahlen

Infektionsschutzgesetz: Repression nach Zahlen

Infektionsschutzgesetz: Repression nach Zahlen

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) Debatte zum Infektionsschutzgesetz deutscher Bundestag
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) Debatte zum Infektionsschutzgesetz deutscher Bundestag
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) bei der Debatte zum Infektionsschutzgesetz im Bundestag Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Infektionsschutzgesetz
 

Repression nach Zahlen

Mit dem geänderten Infektionsschutzgesetz setzt die Regierung elementare Grund- und Bürgerrechte per Verordnungsautomatismus außer Kraft. Hätten die Regierenden in Ungarn oder Polen ein solches Gesetz auf den Weg gebracht, der „Diktatur“-Alarmruf wäre sofort zur Hand gewesen. Ein Kommentar von Kurt Zach.
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In künftige Geschichtsbücher über die ausklingende deutsche Spätdemokratie könnte der 21. April 2021 als historisches Datum eingehen. Mit 342 zu 250 Stimmen hat der Deutsche Bundestag beschlossen, im Namen des „Infektionsschutzes“ elementare Grund- und Bürgerrechte per Verordnungsautomatismus außer Kraft zu setzen.

Hätten die Regierenden in Ungarn oder Polen ein solches Gesetz auf den Weg gebracht, der „Diktatur“-Alarmruf wäre sofort zur Hand gewesen. Der autoritäre Ungeist offenbart sich im apodiktischen Verzicht auf tragfähige Begründungen.

Die Regierung verlangt flächendeckende Ausgangssperren und Eingriffe in Freiheitsrechte, das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und körperliche Unversehrtheit, weil sie sie haben will und behauptet, das für die „Pandemiebekämpfung“ zu benötigen. Empirische Erkenntnisse, die dem entgegenstehen, interessieren sie schlicht nicht.

Autoritäre Demagogie

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) ließ die Katze aus dem Sack: Ohne dieses Gesetz keine „Notstandsregelungen“. Notstandsgesetze? Die sieht die Verfassung, vom Verteidigungs- oder Katastrophenfall abgesehen, ausdrücklich nicht vor, und eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit haben die Koalitionsfraktionen in ihrem Hauruck-Verfahren auch bei weitem nicht zusammenbekommen.

Aber das interessiert Brinkhaus, der im Bundestag eine gruselige Vorstellung in autoritärer Demagogie ablieferte, offenkundig auch nicht. In seiner Hybris verstieg er sich zu der Behauptung, es gehe um ein „Gesetz für das Leben“, als könnten die von der Regierung geforderten Maßnahmen, und nur diese, Leben retten und Tod verhindern.

Wer dem nicht zustimmt, hat folglich auch keine begründete andere Meinung, sondern will Krankheit und Tod. Bei diesem manichäischen Gut-Böse-Denken endet dann in der Tat die politische Auseinandersetzung und herrscht nur noch die „Moralklapperei“, wie der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland in einer Rede konstatierte, die offenkundig auf die Geschichtsbücher zielte.

Nachfragen unerwünscht

Wo die Moral klappert, sind auch Gegendemonstranten keine Bürger, die ihre von der Verfassung garantierten Freiheitsrechte gegen die staatliche Gewalt wahrnehmen, sondern „Querulanten“, die die selbsternannten Guten an ihrem Rettungswerk hindern wollen. Entsprechend wurden sie von einem massiven Polizeiangebot auf Distanz gehalten. Auch die Wasserwerfer standen zur Einschüchterung wieder bereit.

Die am 21. April 2021 beschlossene Novelle des Infektionsschutzgesetzes schafft eine gefährliche Blaupause. Repressives staatliches Handeln wird an vermeintlich objektiv zwingende Zahlen gekoppelt und jedes Hinterfragen verweigert. Es sei jetzt „nicht die Zeit für politische und wissenschaftliche Diskussionen“, erklärte Brinkhaus – für einen Fraktionsvorsitzenden eine mehr als merkwürdige Auffassung von der Rolle eines Parlaments und seiner Abgeordneten.

An ihrer Statt entscheidet künftig ein „Inzidenzwert“, also die Zahl der in sieben Tagen registrierten „Infektionen“ (korrekt: Positiv-Testungen auf das Virus), ob die Bürger nachts eingesperrt, die Schulen geschlossen, menschliche Kontakte verboten und körperliche Eingriffe in Form sogenannter „Schnelltests“ erzwungen werden.

Mißtrauen ist gerechtfertigt

Geliefert wird die Zahl von einem Regierungsinstitut, das auch freihändig über die Parameter entscheidet, nach denen sie ermittelt wird. Die nachträglichen Korrekturen am Gesetz – Verkürzung der Einschlußzeiten, dafür Senkung der Schwelle für Schulschließungen – bekräftigen noch die exekutive Willkür, die in dieser Zumutung steckt.

Das Mißtrauen in die Beteuerungen, es handele sich, wieder einmal, „nur“ um einen einmaligen und befristeten Eingriff, ist in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Ist die Grenze erst einmal überschritten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste pseudo-objektive Zahlenwert alarmistisch um die Ecke kommt, um das Leben der Bürger und das gesellschaftliche Gefüge „alternativlos“ auf den Kopf zu stellen.

Ist es demnächst der CO2-Ausstoß oder die Erderwärmung, die zur Frage von Leben und Tod erklärt wird und unhinterfragbares Regierungshandeln erzwingen soll? Die Republik hat sich nach diesem Corona-Jahr verändert, die Machtgewichte haben sich verschoben – und nicht zum Guten.

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) bei der Debatte zum Infektionsschutzgesetz im Bundestag Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
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