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Wirtschafts- und Finanzkrise in der Türkei: Erdogan, die Inflation und der Koran

Wirtschafts- und Finanzkrise in der Türkei: Erdogan, die Inflation und der Koran

Wirtschafts- und Finanzkrise in der Türkei: Erdogan, die Inflation und der Koran

Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Foto: picture alliance / AA | Dogukan Keskinkilic
Wirtschafts- und Finanzkrise in der Türkei
 

Erdogan, die Inflation und der Koran

Die Türkei kämpft mit einer galoppierenden Inflation. Doch Präsident Recep Tayyip Erdogan hält an seinem Kampf gegen die „Zins-Plage“ weiter fest und beschleunigt damit die Talfahrt der türkischen Lira. Ein Grund ist sein Umbau des Landes zu einer islamischen Diktatur. Ein Kommentar.
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Seit Jahren ist Sand im Getriebe der türkischen Volkswirtschaft, der Motor stottert. Und nun befindet sich auch die türkische Währung im Sturzflug. Die Lira verliert täglich an Wert, auf dem Geldmarkt herrscht Endzeitstimmung, die Inflation liegt bei 20 Prozent. Lebensmittel kosten zum Teil 50 Prozent mehr als vor einem Jahr, da sich die Importe rasant verteuern.

Die Preise für Mieten, Benzin, Gas und Strom gehen durch die Decke. Das treibt viele Menschen auf die Straßen. Am Sonntag demonstrierten Tausende Menschen gegen die Geldpolitik der türkischen Regierung. Doch Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hält an seinem Kampf gegen die „Zins-Plage“ weiter fest und beschleunigt damit die Talfahrt der türkischen Lira.

Der galoppierenden Inflation könnte man mit einer strengen Zinspolitik entgegenwirken, doch Erdogan setzt alles daran, eine Zinserhöhung zu verhindern. Auf sein Geheiß hat die türkische Zentralbank den Leitzins sogar noch weiter gesenkt, zum dritten Mal in diesem Quartal. Von 16 auf nun 15 Prozent. Am Ende der Woche erwarten Ökonomen sogar eine weitere Senkung.

Religiös motivierte Anti-Zinspolitik

Der türkische Präsident propagiert, daß hohe Zinsen die Inflation begünstigen würden. Der Wertverlust der türkischen Währung von rund 47 Prozent allein im laufenden Jahr beeindruckt Erdogan nicht. Um das zu verstehen, muß man wissen, daß seine blinde Sturheit auch religiöse Gründe hat. Der Islam verbietet die Zinsnahme.

Erdogan treibt den Umbau der Türkei von einer demokratischen Republik zu einer islamischen Diktatur unbeirrt voran. Dafür nimmt er auch den drohenden Staatsbankrott in Kauf. Er ist davon überzeugt, daß Zinsen „Sünde“ und „Vater und Mutter allen Übels“ seien. Hinter der Währungskrise sieht er eine Türkei feindliche „Zinslobby“. Mahnende Stimmen läßt er verstummen. So hat er seit 2019 drei Notenbankchefs verheizt. Im Finanzministerium sieht es ähnlich aus.

Halal-Banking

Vergangenes Jahr war der Finanzminister und Schwiegersohn des Präsidenten, Berat Albayrak, zurückgetreten. Nach nur einem Jahr Amtszeit tauschte Erdogan dann den Nachfolger Lütfi Elvan gegen dessen Stellvertreter Nureddin Nebati aus. Nebati ist ein treuer Verfechter der Niedrigzinspolitik seines Regierungschefs und ein tief religiöser Moslem, mit dem sich ein islamkonformes Finanzsystem etablieren lassen kann.

Nach dem islamischen Halal-Finanzmodell werden bei Kreditvergabe keine Zinsen, sondern „Beteiligungskosten“ oder extrem hohe „Bearbeitungsgebühren“ verrechnet. Was unterm Strich reine Augenwischerei ist, denn es läuft letztendlich auf dasselbe hinaus: Geld leihen kostet Geld. Doch das „Islamic Banking“, das Scharia-konforme Finanzprodukte anbietet, ist auch in Europa auf dem Vormarsch. Das operative Geschäft besteht hauptsächlich aus dem Handelsgeschäft, Leasing und der Beteiligungsfinanzierung, denn der Koran erlaubt Erträge, die sich aus einem Handel oder einer Investition in eine bestimmte Ware ergeben. Doch kann man nach diesem Modell langfristig eine erfolgreiche Volkswirtschaft führen?

Erdogans Politik könnte Folgen für Deutschland haben

Das Zinsverbot im Islam kommt dem Selfmade-Diktator ganz gelegen. Er braucht eine elegante Ausrede, um sein Gesicht zu wahren. Denn sonst würde er zugeben müssen, daß er sich schlicht und einfach verzockt hat. Das spektakuläre Wirtschaftswachstum der Türkei der vergangenen zwei Jahrzehnte ist auf Pump finanziert.

Billige Kredite feuerten den privaten Konsum an und begünstigten teure Investitionen. Damit erreichte das Bruttoinlandsprodukt jährlich neue Rekorde. Nun aber herrscht Katerstimmung. Was hilft das ganze Geld, wenn es keine Kaufkraft mehr hat? Ökonomen zeichnen ein düsteres Bild für die Türkei: Nächstes Jahr soll die Inflation sogar bis auf 30 Prozent klettern.

Das sollte Deutschland und Europa nicht unbekümmert lassen, denn Erdogan zückt gerne die Migrationskarte, wenn er Geld aus Europa braucht.

Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Foto: picture alliance / AA | Dogukan Keskinkilic
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