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Neue Migrationskrise: „No Way!“ statt freie Fahrt

Neue Migrationskrise: „No Way!“ statt freie Fahrt

Neue Migrationskrise: „No Way!“ statt freie Fahrt

Herbert Kickl
Herbert Kickl
Herbert Kickl: „Werden nicht Herr der Lage, wenn wir Hände zur Raute formen“ Fotos: picture alliance/Yasin Akgul/dpa / APA/picturedesk.com / JF-Montage
Neue Migrationskrise
 

„No Way!“ statt freie Fahrt

Die Lage in Griechenland ist dramatisch, und es ist sicher nicht übertrieben, von einem Angriff auf die Außengrenze der Europäischen Union zu sprechen. Wir werden indes nicht Herr der Lage werden können, wenn wir die Hände in den Schoß legen oder sie zur Raute formen. Was jetzt zu tun ist. Ein Kommentar von FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl.
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Die Lage in Griechenland ist dramatisch, und es ist sicher nicht übertrieben, von einem Angriff auf die Außengrenze der Europäischen Union zu sprechen. Die Türkei versucht sich in einer Art hybrider Kriegsführung gegen die EU mit dem Ziel, zuerst den Süden und in weiterer Folge die gesamte Union zu destabilisieren. Neben denjenigen, die derzeit versuchen, die Außengrenzen zu durchbrechen, existiert ein gigantisches Potential von Millionen Menschen, die sich – im schlimmsten Fall unter Anwendung von Gewalt – mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf den Weg nach Europa machen würden, wenn man die Vorhut gewähren läßt und Erdoğans Begehrlichkeiten nachgibt.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat sich wider jede Vernunft für eine „Koalition der Willigen“ in der EU ausgesprochen. Die deutsche Bundesregierung hat bereits bekanntgegeben, Migrantenkinder aus Griechenland aufzunehmen. Illegale Einwanderung zahlt sich aus – das ist die Botschaft, die Angela Merkel damit an die Schlepper dieser Welt und ihre Kunden aussendet. Wie im Jahr 2015 öffnet sie einen Spalt der Tür nach Europa. Denn Merkel spricht von Kindern und verschweigt dabei, daß ihnen selbstverständlich Mütter, Väter, Brüder und Onkel folgen werden. Die deutsche Kanzlerin spielt dem türkischen Diktator Erdoğan in die Hände. Das ist ein neuerlicher Sündenfall der Wiederholungstäterin Merkel auf Kosten der Europäer. Die Allianz der sogenannten Willigen ist in Wahrheit eine Allianz der willfährigen Erfüllungsgehilfen Ankaras.

Wir brauchen eine Allianz der Vernünftigen gegen Merkel und Co.

Deshalb brauchen wir eine europäische Allianz der Vernünftigen gegen Merkel und Co. Wer sich nach dem Fiasko, das sie ihrem Land und dem ganzen Kontinent 2015 eingebrockt hat, im Angesicht eines neuerlichen illegalen Migrantenansturms wieder an Merkel-Deutschland orientieren will, der ist ganz bewußt auf die Schädigung Europas aus. Diese „Koalition der Willigen“ ist eine „Koalition der Naivlinge und Unverantwortlichen“ und ist aus zweierlei Gründen brandgefährlich: Erstens knickt die EU damit erneut vor dem Erpresser Erdoğan ein. Andererseits wird dieses Verhalten eine enorme Magnetwirkung entfalten und so für massiven zusätzlichen Druck auf die Grenzen sorgen, diesmal ganz ohne Erdoğans Zutun.

In Österreich wehrt sich der – vor allem in Deutschland – maßlos überschätzte Bundeskanzler Sebastian Kurz gegen die Aufnahme zusätzlicher Migranten, allerdings nur gegen die freiwillige Aufnahme. Sollte aber die EU eine solche Aufnahme vorschreiben, wäre er bestimmt wieder der erste Musterschüler. Denn vor den beiden Europa-Gefährderinnen Ursula von der Leyen und Angela Merkel umzufallen, ist ihm schon einige Male passiert. Erinnern wir uns daran, was Frau von der Leyen ganz oben auf ihre Agenda der Kommissionspräsidentschaft gesetzt hat, nämlich die Frage der Verteilung von Migranten in der EU. Das ist ihr großes Projekt neben dem „Green Deal“. Das heißt, jetzt werden zwar vordergründig Abwehrmaßnahmen geplant, aber die Zwangs- und Pflichtverteilung von Migranten wird kommen, nicht gleich und durch die Hintertür, aber das ist der Plan.

Wichtig wären jetzt andere Maßnahmen

Wichtig wären jetzt ganz andere Maßnahmen. Der Desinformation, die von seiten der organisierten Schlepperkriminalität und vermutlich auch des türkischen Regimes betrieben wird, muß entgegengetreten werden. Auf allen Kanälen muß in den betroffenen Regionen, aber auch in den Herkunftsländern und in potentiellen Drittstaaten über elektronische Medien bis hin zu Klassikern wie dem Flugblatt oder Lautsprecherdurchsagen eine einfache Botschaft kommuniziert werden: „No way! Versucht es erst gar nicht! Ihr habt keine Chance! Europa ist eine Festung!“ Australien macht das seit dem Jahr 2013, und zwar höchst konsequent. Dort hat niemand, der als Bootsflüchtling aufgegriffen wurde, auch nur ansatzweise die Chance, eine Aufenthaltsgenehmigung in Australien zu bekommen.

Zudem wären die Länder der EU gut beraten, sich mittels umfassender Grenzschutzübungen auf den Migrantenansturm vorzubereiten. In Österreich wurde eine solche gemeinsame Übung von Polizei und Militär im Jahr 2018 auf meine Veranlassung als damaliger Innenminister bereits einmal erfolgreich durchgeführt. Damit haben wir auch ein klares Signal echter Abwehrbereitschaft in die Welt geschickt. Wir werden nicht Herr der Lage werden können, wenn wir die Hände in den Schoß legen oder sie zur Raute formen. Als Politiker sind wir verpflichtet, die Bevölkerung unseres Landes zu schützen, und zwar mit allen Mitteln, die dafür notwendig sind.

Das Vorgehen der Türkei darf nicht ohne Konsequenzen bleiben

Griechenland hat das Asylrecht temporär ausgesetzt. Das sollte Österreich auch tun. Es darf nicht mehr möglich sein, einen Asylantrag auf österreichischem Boden zu stellen. Jene, die jetzt zu Tausenden die griechische Grenze bestürmen, sind in Wahrheit illegale Einwanderer. Menschen, die in der Türkei bereits Schutz haben, nicht in die EU zu lassen, ist unser Recht und unsere Schuldigkeit gegenüber unserer eigenen Bevölkerung. Auch alle anderen, die mehrere sichere Länder durchquert haben, wo sie längst einen Asylantrag hätten stellen können, sind in Wahrheit illegale Einwanderer. Der Antrag ist dort zu stellen, und so ist es in der Genfer Flüchtlingskonvention gedacht, wo man den ersten sicheren Punkt erreicht hat. Sich über Hunderte oder Tausende Kilometer dorthin zu begeben, wo es ökonomisch am günstigsten ist, hat mit dem Asylgedanken und mit der Genfer Flüchtlingskonvention nichts zu tun.

Auch das Vorgehen der Türkei darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Das Flüchtlingsabkommen muß sofort gekündigt und durch das endgültige Aus der aktuell auf Eis liegenden EU-Beitrittsverhandlungen signalisiert werden, daß die Türkei keinen Platz in der europäischen Staatengemeinschaft hat. Wobei der Deal von Anfang an hinterfragbar war. Denn selbst wenn er funktionieren würde, wäre es ein Nullsummenspiel. Denn er besagt ja nur, daß die Türken für einen illegalen Migranten, den sie zurücknehmen, das Recht haben, uns einen legalen zu schicken.

Die illegalen Zuwanderer werden in der Türkei umetikettiert, und dann stehen sie wieder auf europäischem Boden. Dafür hat die Europäische Union Milliarden bezahlt, anstatt dieses Geld in sinnvolle Grenzschutzmaßnahmen zu investieren. Und es sind etwa zehnmal mehr Menschen aus der Türkei nach Europa gebracht worden als von Griechenland in die Türkei.

Die EU steht vor einer Grundsatzentscheidung

Abseits der aktuellen Entwicklungen steht die Europäische Union vor einer Grundsatzentscheidung, die überfällig ist: Arbeiten wir weiter im Reparaturmodus oder stellen wir das Asylsystem auf neue Beine? Und sind wir endlich bereit, die Begriffe zu entwirren und Ordnung ins Chaos zu bringen? In der politischen beziehungsweise medialen Debatte werden ja gern die Begriffe vermengt. Jeder Migrant wird zum Flüchtling erklärt. Die Genfer Flüchtlingskonvention schütze sie angeblich alle – selbst wenn sie mehrere sichere Staaten durchquert haben, bis sie in einem Land ihrer Wahl Asyl beantragen. Das war sicher nicht im Sinne der Flüchtlingskonvention.

Die Konvention unterscheidet auch zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen, die wegen eines gewaltsamen Konfliktes ihr Land verlassen haben. Völkerrechtsprofessor Michael Geistlinger von der Universität Salzburg hat in einem Interview ein schönes Beispiel formuliert, anhand dessen er den Unterschied klarmacht: „Stellen Sie sich eine Landgemeinde mit 2.500 Menschen vor. 2.400 leben unter dem Regime, beklagen sich über verschlechterte Zustände, aber sie werden nicht direkt vom Regime behelligt. Und dann gibt es einen Lehrer, der öffentlich Kritik übt. Der wird von der Polizei aufgesucht, im schlimmsten Fall sogar gefoltert. Dieser eine Lehrer ist laut Genfer Flüchtlingskonvention ein Flüchtling. Er wird persönlich verfolgt. Alle anderen, die vor den Zuständen flüchten, sind Vertriebene. Und die haben kein Recht auf eine Anerkennung als Flüchtling.“

Asyl auf den ursprünglichen Gedanken zurückführen

Also führen wir Asyl doch auf seinen ursprünglichen Gedanken zurück und bringen wir das gesamte System auf die Höhe der Zeit des Jahres 2020. Mit einem klaren strategischen Ansatz, der „innerkontinentalen Fluchtalternative“.

In einer globalisierten Welt sind Instrumente aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, die primär für Dissidenten aus den Diktaturen des damaligen Ostblocks geschaffen wurden und nicht für Menschenmassen, die sich in einer Art Völkerwanderung auf den Weg machen, nicht mehr tauglich. Es braucht die „innerkontinentale Flucht­alternative“. Das bedeutet, Asyl kann es nur mehr auf dem Kontinent geben, von dem die Migranten stammen. In anderen Worten: Die Person muß entweder in einem direkten Nachbarstaat Europas verfolgt sein oder keine realistische Möglichkeit auf Schutz in einem Land haben, das näher am Herkunftsstaat liegt als die EU. Das entspricht auch der Intention der Genfer Flüchtlingskonvention.
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Herbert Kickl, Jahrgang 1968, war von Dezember 2017 bis Mai 2019 Bundesminister für Inneres der Republik Österreich. Zuvor war der ehemalige FPÖ-Generalsekretär (2005 bis 2018) elf Jahre Abgeordneter im Nationalrat, dem österreichischen Parlament. Dort ist er nun geschäftsführender Vorsitzender der FPÖ-Parlamentsfraktion.

JF 12/20

Herbert Kickl: „Werden nicht Herr der Lage, wenn wir Hände zur Raute formen“ Fotos: picture alliance/Yasin Akgul/dpa / APA/picturedesk.com / JF-Montage
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