Bei der AfD scheint in diesen Tagen die Uhr abzulaufen. Ultimaten kursieren. Den Rücktritt von Hans-Olaf Henkel als stellvertretender AfD-Chef in der vergangenen Woche werden Historiker später als Anfang vom Ende der Partei notieren – wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Doch das Beben hatte sich durch tektonische Verschiebungen angekündigt. Nach einem politischen Senkrechtstart ohne Beispiel vor zwei Jahren zerbricht die AfD jetzt an inneren Widersprüchen und personellen Gegensätzen.
Beeindruckte die AfD zu Beginn durch eine kollegiale Führungsmannschaft, so tobt seit Monaten in einem der Partei zunehmend feindlicher gesonnenen medialen Umfeld eine Schlammschlacht, bei der immer neue Tiefpunkte erreicht werden. Die junge Partei fand parallel zum atemberaubenden Wachstum nicht ausreichend Zeit und Energie, programmatische Klarheit zu schaffen und persönliche Bindungen an der Spitze zu festigen. Das rächt sich jetzt.
Drohender Weg in die politische Sackgasse
Ein liberal-konservativer Flügel gruppiert sich um Bernd Lucke, der seinen Rückhalt in der Partei schwinden sieht. Ein zweiter eher nationalkonservativ-liberaler Flügel sammelt sich um Frauke Petry, die ihre Hausmacht systematisch ausbaut, sowie ein dritter um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, der die Partei jedoch noch weiter nach rechtsaußen in eine politische Sackgasse führen möchte.
Besonders bei der Höcke-Gruppe sind Hasardeure einer „Rechten“ am Werk, die keinen Ruf zu verlieren haben und denen es gleichgültig ist, ob sich die AfD durch einen Rechtsruck und die Aufgabe des liberalen Flügels an den Rand des diskutablen politischen Spektrums manövriert. Vorneweg Lucke und sein Umfeld wiederum sind nicht bereit, die bürgerliche Fassade für eine sich aus ihrer Sicht zunehmend radikalisierende Partei abzugeben.
Merkel läßt den Sekt kaltstellen
Wenig deutet darauf hin, daß es jenseits einer notwendigen Abgrenzung nach Rechtsaußen zu einer Koalition der Vernunft zwischen den eigentlichen Integrationsfiguren Lucke und Petry kommt. Es ist kein Brückenbauer in Sicht. Vor unseren Augen spielt sich eine politische Tragödie ab. Alles könnte auf den knappen Pyrrhussieg einer Seite hinaus laufen – und eine folgende Spaltung der AfD.
Der Vorrat an Gemeinsamkeiten scheint aufgebraucht. Im Konrad-Adenauer-Haus läßt Angela Merkel indes schon den Sekt kaltstellen. Diejenigen, denen eine Alternative zu FDP und Union im bürgerlichen Spektrum stets ein Graus war, reiben sich die Hände.
Wo Gefahr ist, wächst manchmal das Rettende auch – vielleicht besinnen sich die Akteure noch ihrer einmaligen historischen Verantwortung, die sie dazu verpflichtet, persönliche Befindlichkeiten, Eitelkeiten und Machtkalkül zurückzustellen und ihre Pflicht zu erfüllen.