Krisis bezeichnet in der Medizin eine plötzlich auftretende Veränderung des Gesundheitszustandes, hervorgerufen zum Beispiel durch ein akutes Aufflammen einer chronischen Erkrankung. Krisis bedeutet im Griechischen aber auch Scheidung oder Entscheidung.
Daß das Jahr 2010 in der Rückschau einmal als Jahr wahrgenommen wird, in dem krisenhafte Veränderungen spür- und sichtbar wurden, erscheint sehr wahrscheinlich. Es wird möglicherweise einmal auch als Jahr wahrgenommen werden, in dem schicksalhafte Entscheidungen getroffen oder eingeleitet wurden.
Krisenhafte Veränderungen sind sowohl außen- als auch innenpolitisch erkennbar. Die wohl für alle bedrohlichste Krise zeigt sich im Hinblick auf die europäische Kunstwährung Euro, deren Konstruktionsschwächen immer offensichtlicher werden. Zu befürchten ist, daß die Eurozone zu einer Transferunion mutiert, die für den deutschen Steuerzahler zum Milliardengrab wird.
Vorschläge, einen „dauerhaften Rettungsmechanismus“ für angeschlagene Euro-Staaten zu etablieren oder gesamteuropäische Staatsanleihen („Euro-Bonds“) auszugeben, um Staaten wie Irland oder Portugal die Kreditaufnahme an den internationalen Finanzmärkten zu erleichtern, sind Etappen hin zu einer neuen Verfaßtheit der Eurozone.
Unsere Hightech-Gesellschaft ist anfällig geworden
Aus deutscher Perspektive ist es von elementarer Bedeutung, daß die sich hier abzeichnenden Szenarien, die gerne auch als Ausdruck „europäischer Solidarität“ bemäntelt, ohne weitere Begründung abgewehrt werden. An der Brisanz dieser Fragen ändert der Euro-Rettungsplan, der Ende letzter Woche auf dem EU-Gipfel beschlossen wurde, kaum etwas.
Bedrohlich sind aber nicht nur die Wolken, die sich über der Eurozone zusammengezogen haben. Auch in anderen Bereichen gibt es unübersehbare Alarmsignale. Zum Beispiel im Hinblick auf die Sicherung strategisch wichtiger Rohstoffe. Wie anfällig unsere Hightech-Gesellschaft ist, zeigen schlaglichtartig die Folgen der chinesischen Politik der Verknappung von „Metallen der Seltenen Erden“, was mittlerweile auch in Deutschland zu spürbaren Engpässen führt.
Daß es hier nicht um Petitessen geht, zeigen die Konsequenzen, sollte es zu einer Unterbrechung der Zulieferung kommen; die Produktion zahlreicher Elektronikprodukte könnte ins Stocken geraten. Mit anderen Worten: Die strategische Sicherung von Rohstoffen ist zu einer existentiellen nationalen Frage geworden. >>
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Zu all dem ist in diesem Jahr das getreten, was als „Weltkrieg der Währungen“ die Runde macht, also der Versuch, mit bewußtem Währungsdumping oder anderen fragwürdigen Kunstgriffen Wettbewerbsvorteile erzwingen zu wollen. Mehr und mehr zeigen sich jetzt die Konsequenzen des Endes des Systemwettbewerbs zwischen Ost und West. An dessen Stelle sind eine verschärfte Standort- und Währungskonkurrenz bzw. ein verschärfter Kampf um Einflußsphären getreten.
Stichwort Kampf um Einflußsphären: Hier sind wohl auch die maßgeblich von den Vereinigten Staaten angestoßenen Kriege und Interventionen wie zum Beispiel im Irak und Afghanistan einzuzeichnen, die als „asymmetrische Auseinandersetzungen“ mit den Besatzern weiterschwelen. In Afghanistan sind in diese Auseinandersetzungen auch deutsche Soldaten verwickelt, die gerade in diesem Jahr schmerzliche Verluste hinnehmen mußten.
„Verschwendung von Menschenleben und Steuergeldern“
Der Versuch, die dortigen Taliban allein mit militärischen Mitteln auszuschalten, gilt als gescheitert. Dennoch sollen die Einheiten der Bundeswehr weiter in der „Frontstadt“ Kundus verbleiben; eine Reduktion der Bundeswehreinheiten wird frühestens Ende nächsten Jahres ins Auge gefaßt. Was bei diesem Einsatz unter dem Strich herauskommt, hat der wohl beste deutsche Afghanistan-Kenner, der Journalist Christoph R. Hörstel, wie folgt zugespitzt: „Der Konfliktfall Afghanistan ist für Deutschland die gigantischste Verschwendung von Menschenleben und Steuergeldern seit dem Zweiten Weltkrieg.“
Auch innenpolitisch konstatieren wir eine krisenhafte Zuspitzung bestimmter Entwicklungen, die nicht zuletzt das Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin, flankiert durch Udo Ulfkottes „Kein Schwarz, kein Rot, kein Gold“, auf den Punkt gebracht hat. Insbesondere Sarrazin ist es gelungen, endlich eine größere Diskussion darüber anzustoßen, inwieweit die Massenzuwanderung nach Deutschland unseren Interessen dient. Ob all dies auch politische Konsequenzen haben wird, hängt indes von den Deutschen selbst ab. Alle diejenigen jedenfalls, denen etwas am Fortbestand eines christlich-abendländisch geprägten Deutschlands liegt, sind spätestens mit diesem Jahr vor die Entscheidung gestellt.
Die Geburt Christi als Symbol für einen Neuanfang
Christlich-abendländisch geprägtes Deutschland: Das kommende Weihnachtsfest ist, trotz seiner erbarmungslosen Kommerzialisierung, ein integraler Bestandteil unserer Kultur. Es lohnt, daran zu erinnern, welche Bedeutung ihm im Kirchenjahr zukommt. Weihnachten ist – nach einer vorweihnachtlichen Buß- und Fastenzeit im Advent – eine Freudenzeit. Wir freuen uns über die Geburt Jesu als einem Symbol, das auch für den Neuanfang im Leben steht. So sieht es zum Beispiel der Theologe und Psychologe Hans Gerhard Behringer, der feststellte, daß das Bild einer Geburt in Träumen immer dann erscheine, wenn Richtungswechsel anstünden, wenn sich neue Ziele abzeichneten.
Allerdings, auch darauf weist Behringer hin, „Verwandlungsprozesse sind langwierig“. Das dürfte auch für jene Richtungswechsel gelten, die sich viele gerade auch im Hinblick auf jene existentiellen politischen Fragen wünschen, die uns in diesem Jahr beschäftigt haben und wohl auch weiter beschäftigen werden. Verbinden wir mit dem Fest der Geburt des „großen Verwandlers“ doch die Hoffnung, daß sich diese „Verwandlung“ eben auch dort bemerkbar machen möge, und zwar sowohl im Großen als auch im Kleinen.
(JF 52/10)