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Den rechten Flügel stärken

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wofür stehen die Christdemokraten heute eigentlich noch? Was zeichnet die CDU gegenüber den politischen Konkurrenten aus? Schon seit vielen Jahren gehören diese Fragen zum Standardrepertoire politischer Diskussionen. Doch konkrete Antworten darauf gibt es kaum. Selbst die Debatten um das jüngste CDU-Grundsatzprogramm haben eher zu weiterer Verwirrung als zu mehr Klarheit beigetragen. Der Duisburger Politikwissenschaftler Hans Jörg Hennecke analysierte in der vergangenen Woche in der Konrad-Adenauer—Stiftung in Berlin die Grundbausteine der Partei — das Christlich-Soziale, das Liberale und das Konservative — und deren heutige Gewichtung. Hennecke erinnerte daran, daß sich die CDU bei ihrer Gründung bewußt als „Union“ und nicht als klassische „Partei“ definiert habe. Sie verstand sich als Sammlungsbewegung unterschiedlicher politischer Richtungen. Verbindende Elemente waren das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und die Ablehnung kollektivistischer Vorstellungen. Als Integrationspartei ging die Union zudem nicht von weltanschaulichen Vorgaben, sondern von Menschenbildern aus. Lange Zeit habe die CDU von dieser Integrationsfähigkeit stark profitiert; doch im Laufe mehrerer Jahrzehnte begann sie dieses Vermögen deutlich zu überschätzen, erläuterte Hennecke. Bislang daran gewöhnt, im Regelfall zusammen mit der FDP die entsprechenden Mehrheiten zur Regierungsbildung zu erreichen, habe die Union die Suche nach weiteren potentiellen Partnern stark vernachlässigt. Heute sei jedoch gerade die Möglichkeit, Koalitionen mit unterschiedlichen Parteien bilden zu können, zu einem wichtigen Gradmesser von politischer Macht geworden. Ein prozentualer Wahlsieg als stärkste Einzelpartei reiche dagegen längst nicht mehr aus. Der „Koalitionsmarkt“ sei laut Hennecke heute mindestens ebenso wichtig wie der eigene „Wählermarkt“. Eine Folge dieses umkämpften Koalitionsmarktes sei zwangsläufig, daß sich gerade größere Parteien gut überlegen müßten, ob sie es in Wahlkämpfen auf eine starke Konfrontation mit anderen Bewerbern ankommen ließen, da der heutige Konkurrent schon morgen einen potentiellen Koalitionspartner darstellen könne. Keine Antwort auf die Entchristianisierung Dennoch müßten die Parteien freilich für den Wähler unterscheidbar bleiben. Doch gerade damit habe die Union ein großes Problem, sagte Hennecke. So laufe die CDU in der derzeitigen Großen Koalition mit der SPD häufig traditionellen sozialen Denkmustern der Sozialdemokraten hinterher. Dies müsse an sich noch nicht problematisch sein, solange dabei der Union eine klare Unterscheidung zwischen sozialen und kollektivistischen Zielstellungen gelinge und sie dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit einen eigenen Stempel aufdrücken könne. Doch auch mit dem Besetzen eigener Themenfelder tue sich die Union sehr schwer, so Hennecke. Auf der anderen Seite seien die Begriffe, die eine breite Öffentlichkeit mit der CDU assoziiere, zum überwiegenden Teil negativ besetzt wie etwa Freiheit, soziale Marktwirtschaft, Neoliberalismus oder Kapitalismus. Dies liege nicht zuletzt daran, daß es den politischen Wettbewerbern der Union gelungen sei, diesen Termini mit einem anderen Inhalt als dem ursprünglichen zu füllen. Grundsätzlich habe die Union zudem ihr politisches Programm nach den gesellschaftlichen Veränderungen von 1989/90 zu wenig der neuen Realität angepaßt. Mit der Wiedervereinigung habe sich für die CDU die „deutsche Frage“ weitestgehend erledigt, ebenso der klassische Antikommunismus der Partei. Eine Reaktivierung dieser klassischen Themen sei nicht in Sicht. Ebenso wüßten die C-Parteien weiterhin nicht, wie sie auf die schwindende Bedeutung des Christentums in Deutschland reagieren sollen. Und auch auf wirtschaftlichem Gebiet sind laut Hennecke die Forderungen der Union kaum noch vermittelbar. Dies hätte nicht zuletzt der Bundestagswahlkampf 2005 gezeigt. Überdies werde von der CDU eine wichtige Säule ihres Selbstverständnisses — das Konservative — „weit unter Wert verkauft“. In den vergangenen Jahren sei es lediglich in kurzen Debatten über Leitkultur, Nationalstolz und Zuwanderung punktuell thematisiert worden. Dabei stelle der Konservatismus eine „philosophische Grundhaltung“ dar, die auch in unserer heutigen Zeit nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt habe. Er stehe primär für Föderalismus und Dezentralität. Er sei die Basis der Erkenntnis, „daß die Politik ihre Aufgabe in der Verbesserung des Bestehenden sehen sollte und nicht in dem Streben nach Perfektion“. Und er sei das Symbol eines abendländischen Wertebewußtseins. Dieses Wertebewußtsein — das die Wertschätzung des Eigenen einschließe — bilde wiederum die Grundlage für den Dialog mit anderen Kulturen, nicht die Anpassung und Unterordnung. Dies mache den Konservatismus in Henneckes Augen so wertvoll. Doch auch Werte seien letztlich ohne größeren Belang, sofern sie nicht in konkrete politische Handlungen übersetzt werden. Dabei müsse der Rückgriff auf die Traditionen mit der Erarbeitung zukunftsfähiger Lösungen in Einklang stehen. Auf jeden Fall sei es notwendig, daß das bürgerliche Lager politisch weit aktiver werde, als es bislang der Fall sei, und sich um die Wiedererlangung der geistigen Führung bemühe. Statt sich dem Zeitgeist anzupassen, müsse die CDU ihn wieder prägen, wie sie es nach dem Krieg über Jahrzehnte erfolgreich praktiziert habe, forderte Hennecke.

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