WIEN. Nach dem Messerattentat eines Syrers in Villach und dem tödlichen Amoklauf in Graz hat Österreichs Bundesregierung erneut soziale Medien ins Visier genommen. Sie fordert eine „transparente und funktionale Beschränkung“ von TikTok und Co. – zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Konkret arbeitet die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos an einem verpflichtenden Altersverifikationssystem. Zwar schreibt das Datenschutzgesetz bereits jetzt ein Mindestalter von 14 Jahren für die eigenständige Nutzung vor – doch de facto wird diese Regelung von den Konzernen ignoriert.
„Plattformen müssen endlich dazu verpflichtet werden, das Alter ihrer User zuverlässig zu überprüfen“, fordert Digitalisierungs-Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP). Als Vorbild nennt er Banken, die ihre Kunden eindeutig identifizieren müssen. Auch ein Social-Media-Verbot bis 14 Jahre befürwortet der Staatssekretär.
EU soll Social Media stärker beschränken
Die Initiative zur Verschärfung stammt von SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried. In seinem Ressort liegt die Zuständigkeit für die Nachrichtendienste. Diese beobachten mit Sorge die zunehmende Online-Radikalisierung von Jugendlichen. „Allein im vergangenen Jahr haben sich die Fälle verdoppelt“, warnt Leichtfried. Kinder dürften nicht „in digitalen Echokammern mit Haß und Verschwörungstheorien allein gelassen werden“.
Österreich setzt dabei auf den Digital Services Act der EU. In einem gemeinsamen Schreiben mit Frankreich, Kroatien und Dänemark fordert Wien von der EU-Kommission eine strikte Durchsetzung – insbesondere von Artikel 28, der den Schutz Minderjähriger betrifft. Auch Frankreich forciert ein europaweites Vorgehen: Nach einem Mord an einer Schulaufsicht durch einen 14jährigen kündigte Präsident Emmanuel Macron ein mögliches nationales Alleingangsgesetz an, sollte Brüssel nicht binnen weniger Monate handeln.
Rückenwind erhält die Debatte von Deutschlands Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Sie verweist auf das Suchtpotential sozialer Netzwerke und fordert altersgerechte Regelungen – sowohl in Schulen als auch zu Hause. Prien zieht Parallelen zum Jugendschutz bei Alkohol und warnt vor „massiven psychischen Störungen“, wenn Kinder unkontrolliert Zugang zu Bildschirmmedien erhalten. Eine gesetzlich verankerte Altersverifikation könne dabei helfen.

Unterstützung kommt aus Schleswig-Holstein: CDU-Landeschef Daniel Günther forderte auf einem Kleinen Parteitag ein Verbot sozialer Medien für unter 16jährige. Der Staat müsse alles tun, damit Kinder und Jugendliche nicht mit Gewaltverherrlichung, Mobbing oder sexueller Belästigung konfrontiert würden. Zusätzlich fordern Günther und die Landespartei eine Klarnamenpflicht für Plattformen wie Instagram, TikTok oder Facebook, um strafbare Inhalte konsequenter verfolgen zu können. Der CDU-Digitalisierungsminister Dirk Schrödter sieht darin ein „klares Signal“, den Jugendschutz in Deutschland zu stärken: „Wir müssen deutlich schneller werden, weil es fünf nach zwölf ist.“
Kritik hingegen kommt aus Bayern: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält Altersgrenzen für „realitätsfremd“ und setzt auf Medienkompetenz und elterliche Verantwortung statt Verbote. Da Bildung in der Kompetenz der Länder liegt, sind bundesweite Regelungen ohnehin nur eingeschränkt möglich. (rr)