BERLIN. Einer WDR-Recherche zufolge soll der Starjournalist Peter Scholl-Latour über Jahre hinweg mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) zusammengearbeitet haben. „Der BND hat sich sehr früh schon für Peter Scholl-Latour interessiert – schon Anfang der 60er Jahre“, erläuterte der mit dem Fall betraute Journalist Florian Waade seinen Kenntnisstand im ARD-Podcast „11KM“.
Archivmaterial lege den Verdacht nahe, daß zwischen Scholl-Latour und dem deutschen Auslandsgeheimdienst eine Verbindung bestanden habe. Seit den 80er Jahren sei er vom BND als „Gelegenheitsquelle“ geführt worden. Als solche habe er sich in unregelmäßigen Abständen mit Kontaktmännern – Codenamen „Sallinger und Tebs – des BND getroffen, um Informationen auszutauschen. So soll er soll dem BND beispielsweise angeboten haben, Filmmaterial von einer Afghanistanreise zu sichten, bevor es im Fernsehen ausgestrahlt wurde.
„Ich halte so eine Zusammenarbeit für problematisch“
Zunächst sei der Journalist, der auch für die JUNGE FREIHEIT schrieb, unter den Decknamen „Frank“ und „Pedro“ gelaufen, später aber unter dem Namen „Scholar“ (englisch für „Gelehrter“) aktenkundig geworden. Außerdem habe Peter Scholl-Latour womöglich eine Quelle des BND in Beirut getroffen und den deutschen Auslandsgeheimdienst über einen Funktionär des Deutschen Roten Kreuzes aus der DDR informiert.
„Ich halte so eine Form von Kontakt und Zusammenarbeit für sehr problematisch, weil wir als Journalisten natürlich Objektivität wahren müssen. Das hat etwas mit dem Berufsethos zu tun, daß wir nicht mit staatlichen Stellen zusammenarbeiten in der Form, daß wir da Aufträge erledigen und zum Hilfssheriff werden“, kommentierte Flade seine Recherchen.
BND schwärzt zahlreiche Stellen mit Verweis auf „Wohl der Bundesrepublik“
„Natürlich müssen wir als Journalisten auch mit Geheimdiensten reden, soweit möglich – und sie mit gewissen Dingen konfrontieren “, so der WDR-Reporter. Doch was er in den Akten gelesen habe, gehe darüber hinaus. Die „11KM“-Episode referiert, daß diese Zusammenarbeit an sich keine Besonderheit in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen sei. Allerdings habe sich mit Peter Scholl-Latour ein außerordentlich berühmter Journalist mit dem BND an einen Tisch gesetzt.
Vor der Herausgabe der Akten schwärzte der BND einige Stellen des Archivmaterials, teils mit Verweis auf „nachrichtendienstlichen Methodenschutz“, teils mit Rücksicht auf das „Wohl der Bundesrepublik Deutschland“. Zudem verweigerte der Bundesnachrichtendienst die Herausgabe von 25 weiteren Seiten aus den Akten, da für diese Papiere noch Schutzfristen gälten.
ZDF will von nichts gewußt haben
Das ZDF, für das Scholl-Latour lange Jahre gearbeitet hatte, erklärte dem WDR, nichts von der mutmaßlichen Verbindung zum BND gewußt zu haben: „Das ZDF hat keine Kenntnis über die von Ihnen geschilderten angeblichen Vorgänge aus den 80er-Jahren.“ Die Witwe von Scholl-Latour habe sich zu den Vorwürfen nicht äußern wollen.
Der BND äußerte unterdessen der Bild-Zeitung gegenüber, Scholl-Latour sei niemals als reguläre Quelle in der Behörde geführt worden. „Er hat auch keinen Auftrag zur stetigen Informationsgewinnung bekommen oder Geld erhalten.“ Wäre er eine richtige Quelle gewesen, hätte der BND die Akten aus Gründen des „operativen Quellenschutzes“ niemals herausgegeben.
Scholl-Latour: Autor und Freund der JUNGEN FREIHEIT
Seine Recherchereisen rund um den Globus führten Peter Scholl-Latour nach Afrika, wo er als Korrespondent für die ARD arbeitete, nach Fernost, wo er und sein Fernsehteam vom Vietcong gefangengenommen wurden und nach Afghanistan, wo er islamische Gotteskrieger interviewte. Seiner Reisetätigkeit entsprangen mehrere Bestseller, darunter das Buch „Der Tod im Reisfeld“ über den Ersten Indochinakrieg in den 40er und 50er Jahren, das über eine Million Mal verkauft wurde.
Im Laufe seiner Karriere wandte sich Scholl-Latour der JUNGEN FREIHEIT zu, deren Arbeit er mit zahlreichen Interviews und Artikeln unterstütze. „Die JF bedeutet für mich, daß es noch unabhängige Geister in der deutschen Medienlandschaft gibt und Journalisten das Risiko eingehen, gegen den Strom zu schwimmen“, lautete sein Urteil über die konservative Wochenzeitung aus Berlin. (fw)