BERLIN. Trotz des Drängens von 17 Jura-Professoren auf ein schnelles AfD-Verbot hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag dagegen ausgesprochen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe er keine Chancen.
Die Juristen, die ihre „rechtswissenschaftliche Stellungnahme“ unaufgefordert an den Rechts- und Innenausschuß des Bundestages geschickt hatten, behaupteten dagegen, das Verbot habe „Aussicht auf Erfolg“. Eine Empfängerin, die Rechtsauschuß-Vorsitzende Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), hatte zuvor bereits den vom Parteifreund Marko Wanderwitz initiierten AfD-Verbotsantrag unterzeichnet.
Das Papier der Rechtswissenschaftler, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, erwies sich bei näherem Hinsehen als ausgesprochen dünn. Auf den 29 Seiten präsentieren die Autoren zahlreiche Zitate von AfD-Politikern, die nach bisherigem Verständnis unter die Meinungsfreiheit fallen. Ausführlich hatten sie sich auch mit dem von ihnen sogenannten „Geheimtreffen in Potsdam“ beschäftigt.
Scholz: „Bei AfD-Verbot vorsichtig sein“
Allerdings drehten sie dabei die längst juristisch widerlegte Correctiv-Behauptung weiter, es sei dort um die „Abschiebung von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, die nicht in das ethnisch-kulturelle Volksverständnis der Teilnehmenden passen“, gegangen. Davon hatte sich Correctiv bereits vor Monaten vor Gericht distanziert. Im Übrigen waren in Potsdam mindestens genauso viele CDU- wie AfD-Mitglieder zugegen.
Scholz sagte nun, zunächst sollten die Verfassungsschutzbehörden ihre Beobachtung fortsetzen und Material sammeln. „Wenn das so umfassend ist, daß man daraus Schlüsse ziehen kann, dann muß man sich mit dieser Frage nochmal neu befassen.“
Seine Haltung sei, so der Bundeskanzler, „daß man bei einem Verbotsverfahren sehr vorsichtig sein muß“. Laut dpa sagte er: „Das Schlimmste wäre ein Verfahren, das man beantragt, das mehrere Jahre dauert und wo es dann vielleicht am Ende schiefgeht.“
Mitte November hat eine 113 Abgeordneten starke überfraktionelle Gruppe um die CDU-Politiker Wanderwitz und Roderich Kiesewetter einen Antrag für das AfD-Verbotsverfahren vorgelegt. Sie wollen dieses möglichst noch vor den Neuwahlen im Februar durch das Parlament bringen. Die Chancen auf eine Mehrheit werden – nun auch nach der Absage des Kanzlers – jedoch als gering eingeschätzt. (fh)