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Landtagswahlen 2023: Mißtrauensvotum in Blau

Landtagswahlen 2023: Mißtrauensvotum in Blau

Landtagswahlen 2023: Mißtrauensvotum in Blau

Auf dem Foto befindet sich die Wahlparty der AfD in Bayern. (Themenbild)
Auf dem Foto befindet sich die Wahlparty der AfD in Bayern. (Themenbild)
Die AfD: Klarer Profiteur der Landtagswahlen. Foto: picture alliance/dpa | Uwe Lein
Landtagswahlen 2023
 

Mißtrauensvotum in Blau

Die Ampel-Koalition bekommt heute in Bayern und Hessen vom Wähler die Quittung für ihre verheerende Leistung. Das bundespolitische Signal, das von diesen Landtagswahlen ausgeht: Eine wachsende Zahl von Unzufriedenen hat von linker Politik die Nase voll. Ein Kommentar von Christian Vollradt.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wer diesen Wahlabend in Bayern und Wiesbaden nur durch die landespolitische Brille ansieht, könnte mit den Schultern zucken: bleibt ja alles beim Alten. Sowohl in München als auch in Wiesbaden könnten die bisherigen Koalitionen weiter regieren, und es sind keine Umzugswagen vor den Staatskanzleien zu erwarten.

Für Markus Söder stand die Fortsetzung der Regierung mit den Freien Wählern ohnehin schon vor der Wahl fest, sein hessischer Amtskollege Boris Rhein von der CDU könnte als klarer Wahlsieger bei der Partnerwahl noch von Grün auf Rot wechseln also zum ganz großen Verlierer. Wie bei den vorherigen Landtagswahlen wurden die Amtsinhaber bestätigt, Rhein mit deutlichen Gewinnen, Söder mit Verlusten.

Aber das ist bei weitem nicht die entscheidende Botschaft. Der politische Wind hat gedreht und er bläst der im Bund regierenden „Fortschrittskoalition“ mächtig ins Gesicht. Alle Ampel-Parteien haben Federn gelassen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Noch am wenigsten hart traf das Strafgericht der Wähler die Grünen, für SPD und FDP ist es desaströs.

Zustimmung für AfD nicht auf Umfragen beschränkt

Die deutlichste Botschaft des 8. Oktober 2023 ist jedoch das Ergebnis der AfD, die in beiden Bundesländern zweitstärkste Kraft werden kann. Westdeutschen Flächenstaaten mit vielen Einwohnern, wohlgemerkt. Es war dies der erste Praxistest nach all den bundesweiten Umfrage-Höhenflügen – und der Beweis, daß die keine Chimäre sind. Wie will man solch eine Stimmenzahl, diese Rangfolge anders interpretieren als ein deutlich vernehmbares Mißtrauensvotum in Richtung der etablierten Parteien?

Die CSU als gefühlte bayerische Staatspartei hat ihr bis dato schlechtestes Abschneiden von 2018 offenbar noch ein bißchen unterboten, wenn die ersten Zahlen sich bestätigen sollten. Mit diesem Ergebnis dürften sich die vielleicht bisher noch vorhandenen Ambitionen Söders, 2025 Kanzlerkandidat der Union zu werden, erledigt haben. Ginge es um eine Alternative zu Friedrich Merz, was sollte die möglichen Frondeure Daniel Günther – mit 43,4 Prozent in Schleswig-Holstein gewählt – oder Hendrik Wüst 35,7 Prozent in Nordrhein-Westfalen – dazu bewegen, ausgerechnet den längst nicht mehr übermächtigen Bayern auf den Schild zu heben?

Nicht unwahrscheinlich, daß unter diesen Bedingungen die Verhandlungen mit den Freien Wählren, die trotz – oder gerade wegen? – der Medienkampagne gegen Spitzenkandidat und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger zugelegt haben, schwieriger werden. Außerhalb Bayerns werden die Freien Wähler oft noch als politische Orchideen belächelt, auch wenn sie bereits in zwei weiteren Landtagen sitzen. Ob sich die Partei, in deren eigenen Reihen viele mit der bundesweiten Ausdehnung fremdelten, nun einen gesamtdeutschen Ruck zu geben vermag?

FDP erneut in außerparlamentarischer Opposition

Ihr heutiges Ergebnis – nicht nur, aber vor allem im Freistaat – deutet jedenfalls an, daß die Unzufriedenen im bürgerlichen Lager oder rechts der Mitte nicht nur bei der AfD ihr Kreuzchen machen. Das ist unter dem Gesichtspunkt einer lebendigen Demokratie ein gutes Zeichen, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Und nichts macht Parteien träger als anstrengungsloser Erfolg. Aber auch in ihrer Hochburg Bayern liegen die Freien Wähler hinter der AfD. Doch Prozente sind das eine. Das andere ist der Unterschied, Koalitionspartner in einer Landesregierung oder parlamentarischer Paria zu sein.

Doppelt bitter ist der Wahlabend für die FDP. Klar raus aus dem Münchner Maximilianeum, und gerade noch knapp drin im Wiesbadener Landtag, sollten sich die ersten Hochrechnungen bestätigen. Offenbar danken es die Wähler den Liberalen nicht, daß sie sich als eine Art Opposition in der Regierung verkaufen und „Schlimmeres verhindern“. Nein, sie werden eher als die Mehrheitsbeschaffer einer verheerenden Wirtschafts- und Energiepolitik wahrgenommen. Es ist nach Niedersachsen und Berlin die nächste Quittung: außerparlamentarische Opposition. So beginnen die Karrieren von Parteivorsitzenden zu enden. Christian Lindners Rettung dürfte sein, daß es derzeit keine personelle Alternative zu ihm gibt. Die Fingerhakeleien am Kabinettstisch mit den Grünen könnten also noch zunehmen; als letztes Mittel gegen den endgültigen Profilverlust.

Vom Wähler verschmähte Bundesinnenministerin

Eine andere große Verliererin des heutigen Abends ist Hessens sozialdemokratische Spitzenkandidatin Nancy Faeser, die ihre im Voraus gebuchte und vom Kanzler genehmigte Rückfahrkarte nach Berlin einlösen wird. Vom Wähler verschmäht und mit dem schlechtesten Wahlergebnis zwischen Reinhards- und Odenwald abgestraft. Den Platz am Kabinettstisch rettet ihr vor allem, daß Olaf Scholz keine profilierte Innenpolitikerin hat, die Faeser ersetzen könnte und so die versprochene Parität nicht über den Haufen wirft. Einen zweiten Boris Pistorius gibt es nicht. Gut für Faeser, schlecht für das Land, das die affärenbelastete Chefin in einem der wichtigsten Ressorts noch länger aushalten muß.

Wie werden die am heutigen Wahlabend in zwei großen und wichtigen Bundesländern derart gerupften Ampel-Parteien in Berlin reagieren – und weiter regieren? Haben sie verstanden und steuern um? Eine Insa-Umfrage im Auftrag der JUNGEN FREIHEIT hat kurz vor diesem Wahlsonntag ergeben, daß für nahezu die Hälfte der Wähler in Hessen und Bayern die Migrationspolitik wahlentscheidend war. 47 Prozent der Wähler in Hessen und 49 Prozent der Wähler in Bayern sahen das Thema als das wichtigste. Es fehlt die Phantasie, sich vorzustellen, wie das derzeitige politische Führungspersonal daraus die entsprechenden Lehren zieht. Weiterwursteln wie bisher, dürfte die wahrscheinlichere Variante sein, auch wenn einige Minister jüngst in Vorwahl-Panik plötzlich schärfere Töne angeschlagen haben.

Es zeichnet sich indes ab, daß eine zunehmende Zahl von Wählern linke politische Projekte sowie linke Antworten auf die aktuellen existentiellen Herausforderungen in diesem Land als Luxus ansehen; als einen Luxus, den wir uns nicht mehr länger leisten können.

Die AfD: Klarer Profiteur der Landtagswahlen. Foto: picture alliance/dpa | Uwe Lein
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