LUBMIN. Die deutschen Betreiber der beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 haben einen Druckabfall bei beiden Gasröhren binnen kürzester Zeit verzeichnet. Wie ein Sprecher der Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG laut der „Tagesschau“ mitteilte, habe es in der Nacht zu Montag in der fertiggestellten, aber nie in Betrieb genommenen Pipeline in Röhre A ein rapides Abfallen des Druckes auf deutscher Seite gegeben.
Er sank demnach von 105 auf sieben Bar, damit ist eine Gaszufuhr technisch nicht mehr möglich. Auch die zuständigen Marinebehörden von Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland und Rußland seien informiert.
Kapazität durch Druckabfall „auf Null gesunken“
Dänische Behörden teilten mit, daß südöstlich der Insel Bornholm ein Leck aufgetreten sei. Eine Sicherheitszone sei dort eingerichtet, Untersuchen dauerten an. Vertreter der Deutschen Umwelthilfe gehen von keinen Umweltschäden durch das auftretende Gas aus, da es sich in Wasser verflüchtige.
Kurz darauf war in der Nacht zu Dienstag auch an zwei Strängen der „Schwesterpipeline“ Nord Stream 1 Druckverlust festgestellt worden. Laut einer für Netzbetreiber verpflichtenden Marktinformation ist die Kapazität der Pipeline „ungeplant auf Null gesunken“, nach der Ursache werde weiterhin geforscht, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Gasröhre werde voraussichtlich für einen Monat ausfallen. Betroffen von der Störung an der Greifswalder Erdgasübernahmestation sind auch die Anschlußleitungen Opal und Nel.
Grünen-Politiker Trittin vermutet Anschlag
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, bezeichnete die Lage in beiden Gasröhren als „angespannt“. Ein „einzig positiver Aspekt“ sei die Tatsache, daß Deutschland und die EU nun „nicht mehr abhängig“ von russischen Energieimporten sei, schrieb er auf Twitter.
Diese @handelsblatt Meldung gibt sehr zu denken … einzig positiver Aspekt ist, dass 🇩🇪 & 🇪🇺 von der #NordStream1 Pipeline nicht mehr abhängig sind. Aber ein derartiger wiederholter Druckabfall auf der NS1 & NS2 unterstreicht die @bnetza Einschätzung einer „angespannten“ Lage. pic.twitter.com/go2J4Re0sy
— Klaus Müller (@Klaus_Mueller) September 26, 2022
Das Bundeswirtschaftsministerium versucht nach eigener Aussage, den Sachverhalt zu klären. Das Haus wies auf die gefüllten Gasspeicherstände hin, die aktuell bei rund 91 Prozent lägen. Einem Bericht des Tagesspiegels zufolge schließen das Ministerium und weitere Bundesbehörden Sabotage an den Pipelines nicht aus.
Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Jürgen Trittin, vermutet eine „gewaltsame Störung“ beim Gasleck von Nord Stream 2, sagte er dem Fernsehsender ntv. Die Pipeline sei „relativ neu und aus massivem und gutem deutschem Stahl gebaut“. Wenn eine solche Röhre schlagartig lecke, müsse untersucht werden, ob es sich dabei möglicherweise um einen Anschlag handle.
Nord-Stream-Rohrleitungen bis Mecklenburg-Vorpommern
Die beiden Pipelines sind Unterwasser-Gasleitungen, die von Rußland nach Deutschland verlaufen und sich mehrheitlich im Besitz des russischen Staatskonzerns Gazprom befinden. Der Doppelstrang der Pipeline Nord Stream 2 verläuft auf dem Meeresboden der Ostsee über eine Strecke von 1.230 Kilometer bis nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern. Gas wurde durch sie nie importiert, da die Bundesregierung das Zertifizierungsverfahren für die fertige Leitung vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gestoppt hatte.
Bereits im Jahre 2011 wurde das Vorgänger-Röhrensystem in Betrieb genommen, das bis August russisches Erdgas bis nach Lubmin transportiert hatte. An den beiden Energieprojekten sind unter anderem auch britische, österreichische, und niederländische Unternehmen beteiligt. (ab)