Die Aufregung ist groß. Nicht nur Affen – schlimm genug – sollen für Abgasversuche mißbraucht worden sein. Sogar an menschlichen Probanden soll die deutsche Autoindustrie „Abgas-Tests“ durchgeführt haben. Deutschlandweit überschlagen sich Berichterstatter und Kommentatoren vor Erregung.
Der Kölner Stadt-Anzeiger beispielsweise kommentiert: „Es bleibt im wahrsten Wortsinn unfaßbar, daß diese Tests von einer Branche veranlaßt wurden, die seit Jahren systematisch und mit teils betrügerischen Methoden die Stickoxid-Belastung durch ihre Erzeugnisse heruntermanipulierte. Ebenso, daß dies in einem Land geschieht, in dem die Begriffe ‘Menschenversuch’ und ‘Gas’ ein ewiges Tabu markieren sollten, dies aber offenbar nicht mehr tun.“
Versuche nur innerhalb gesetzlicher Grenzwerte
Dabei sei es unerheblich, ob die Versuche im Zusammenhang mit dem Dieselskandal oder ob sie, wie die Uni Aachen nun behauptete, im Zusammenhang mit Stickoxid-Grenzwerten am Arbeitsplatz gestanden seien. Auslöser der Panik war eine Aktion der Auto-Lobby EUGT („Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor“), die die Ergebnisse einer Studie der Aachener Uniklinik in ihre Lobbyarbeit hatte einfließen lassen.
Die Universität Aachen stellt nun klar, worum es bei den Studien wirklich ging. In einem Interview auf dem Youtube-Kanal der Uniklinik berichtet Thomas Kraus, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, daß bei diesen Versuchen lediglich die Wirkung von veränderten gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerten untersucht wurde. Vertreter der Autoindustrie seien dabei in keiner Phase beteiligt gewesen.
Vier Kontrollgruppen
Der Ablauf der Versuche gestaltete sich demnach folgendermaßen:
Die Probanden wurden in vier Kontrollgruppen eingeteilt. Eine Gruppe atmete ganz saubere Luft, eine andere die Luft an einem normalen Arbeitsplatz, eine weitere die Luft an einem Arbeitsplatz gemäß dem neuen Grenzwert. Die vierte Gruppe atmete die Luft an einem Arbeitsplatz mit einem Drittel des alten Grenzwertes.
„Die Studie wurde im Jahr 2012 konzipiert – mit der Fragestellung, ob es gesundheitliche Wirkung von Stickoxiden am Arbeitsplatz für den Menschen gibt. Hintergrund war, dass der arbeitsmedizinsche Grenzwert gesenkt wurde“, sagte Kraus in dem Gespräch. „Wir versuchen immer, optimale Arbeitsplatz-Grenzwerte für die Arbeitsplätze zu finden, damit die Menschen auch nach 40jähriger Belastung gesund bleiben.“
Ziel der Studie sei es gewesen, „zu prüfen, ob eventuell auch unterhalb früherer oder existierender Grenzwerte – zum Beispiel ob auch bei Stickoxid-Belastungen aus dem Umweltbereich – schon Effekte nachweisbar sind, die früher mit gröberen Methoden vielleicht nicht verstehbar waren.“
Autoindustrie habe keinen Einfluß genommen
Und vor allem habe die Autoindustrie in keiner Weise Einfluß auf die Tests genommen. Sie war nie involviert. „Mit dem Dieselskandal hat das überhaupt nichts zu tun. Der Dieselskandal wurde erst viel später offenkundig. Wir haben ja auch keine Belastung mit Motoremissionen gemacht, sondern nur mit Stickoxid, das heißt unsere Ergebnisse sind auch überhaupt nicht übertragbar auf Dieselbelastungen. Und sie beantworten auch überhaupt nicht die Frage, ob Dieselemissionen gefährlich oder ungefährlich sind.“
Ganz anders natürlich die Ethikkommission, die – wie immer bei solchen Versuchen mit Menschen üblich – von Anfang eingebunden worden sei. Kraus: Sie gab vor dem Versuchsbeginn grünes Licht.