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Rennen um AfD-Spitzenkandidatur: Die Herausforderer und die Etablierten

Rennen um AfD-Spitzenkandidatur: Die Herausforderer und die Etablierten

Rennen um AfD-Spitzenkandidatur: Die Herausforderer und die Etablierten

Die Bewerberduos für die AfD-Spitzenkandidatur Joana Cotar und Joachim Wundrak (links) sowie Alice Weidel und Tino Chrupalla
Die Bewerberduos für die AfD-Spitzenkandidatur Joana Cotar und Joachim Wundrak (links) sowie Alice Weidel und Tino Chrupalla
Die Bewerberduos für die AfD-Spitzenkandidatur Joana Cotar und Joachim Wundrak (links) sowie Alice Weidel und Tino Chrupalla Fotos: picture alliance / Kay Nietfeld / JF-Montage
Rennen um AfD-Spitzenkandidatur
 

Die Herausforderer und die Etablierten

Bis Pfingstmontag können AfD-Mitglieder sich für eines der zwei Bewerber-Duos entscheiden, das die Partei in den Bundestagswahlkampf führen soll. Die Siegesgewißheit bei den Unterstützern des Favoriten-Teams scheint zuletzt etwas abgenommen zu haben. Die Herausforderer fordern „Zeit für Neues“.
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Der Startschuß im Rennen um die AfD-Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl ist gefallen. Ab dem heutigen Montag können eine Woche lang alle Parteimitglieder darüber abstimmen: Soll Parteichef Tino Chrupalla gemeinsam mit der Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel das bundesweite Aushängeschild sein? Oder aber die beiden Herausforderer, nämlich die hessische Bundestagsabgeordnete und Beisitzerin im Bundesvorstand, Joana Cotar, sowie der niedersächsische Spitzenkandidat Joachim Wundrak?

Zwar gilt das Team Chrupalla/Weidel in den Augen der meisten Beobachter nach wie vor als Favorit, doch die Siegesgewißheit bei Teilen ihrer Unterstützer scheint in den vergangenen Tagen etwas abgenommen zu haben. Chrupalla, 2017 als einer von drei AfD-Kandidaten direkt in den Bundestag gewählt, galt parteiintern schon lange als „gesetzt“. Er repräsentiert mit dem Landesverband Sachsen eines der Schwergewichte in Sachen Wahlerfolg, hinter ihm steht die gesamte Ost-AfD. Das schließt auch die Unterstützung des inzwischen offiziell aufgelösten „Flügels“ ein, dem Chrupalla – wie er stets betont –  selbst nie angehörte.

Darüber hinaus ist der Sachse seit 2019 Co-Parteichef und damit der in der Parteihierarchie ranghöchste Bundestagskandidat, da sein Amtskollege Jörg Meuthen nicht antritt, sondern sein Mandat in Brüssel weiter wahrnimmt. Mit der Spitzenkandidatur würde Chrupalla zum zweiten Mal auf einem Posten dem Partei-Senior Alexander Gauland folgen, der sich im Herbst auch aus der Führung der Fraktion zurückziehen möchte. Als Vize der AfD im Bundestag ist der Sachse zudem bereits in deren inneren Zirkel eingebunden, kennt die Strukturen – und hat Zugriff auf das dortige Personal.

Weidel mit Rückenwind aus ihrem Landesverband

Genauso Alice Weidel, die bereits 2017 Spitzenkandidatin war und seit vier Jahren der Fraktion gemeinsam mit Gauland vorsteht. Sie gehört darüber hinaus zu den prominentesten Gesichtern der Partei. Seit dem gestrigen Sonntag steht zudem fest: Weidel ist Favoritin auf den Spitzenplatz auf der Landesliste in Baden-Württemberg. Sie hatte mit 71 Prozent die größte Zustimmung der teilnehmenden Mitglieder bei der Briefwahl des Landesverbandes erhalten. In einem zweiten Wahlgang werden noch weitere Kandidaten gewählt, die das Quorum von 50 Prozent erreichen müssen. Über die Reihenfolge wird dann im dritten Wahlgang vom 3. bis 12. Juni entschieden. Maximal sind bis zu fünf Wahlgänge möglich. Dieser erste Erfolg verleiht Weidel Rückenwind, denn immer wieder mußte sich die Fraktionschefin von innerparteilichen Kritikern vorhalten lassen, sie habe sich wichtigen und vor allem strittigen Entscheidungen durch Abwesenheit entzogen. Ein Gespann Weidel/Chrupalla aber gilt vielen in der AfD als ideale Proporz-Besetzung: die Frau aus dem Westen mit dem Mann aus dem Osten.

Kein Geheimnis ist dagegen, daß Co-Parteichef Jörg Meuthen und seine Mitstreiter im Bundesvorstand dafür eine andere Konstellation lieber gewesen wäre; eine, die auch die innerparteilichen Richtungen erkennbarer ausbalanciert hätte. Doch auf das Ansinnen, Chrupalla könnte gemeinsam mit der Hessin Joana Cotar antreten, die eindeutiger dem wirtschaftsliberalen Flügel zugeordnet wird, ging der Sachse nicht ein.

Daß die im vergangenen Jahr in den Bundesvorstand nachgewählte Cotar dennoch für eine bundesweite Spitzenkandidatur antritt – gemeinsam mit dem bisher in der AfD überregional kaum in Erscheinung getretenen pensionierten Luftwaffen-General Joachim Wundrak –, stößt bei den Anhängern von Weidel und Chrupalla, vor allem in den Ost-Landesverbänden, auf Kritik.

Aufbegehren gegen die „Etablierten“ gehört zur Partei-DNS

So schrieb der stellvertretende Thüringer Landesvorsitzende und Bundestagskandidat Torben Braga am Sonntag auf Twitter: „Nur die AfD schafft es, die Kandidatur einer weithin unbekannten, selbsternannten ‘Digitalpolitikerin’ ohne formelle Ausbildung und eines Mannes, der für die Partei noch nie, in keiner Funktion Verantwortung übernommen hat, derart zu fördern, daß die gleichzeitige Kandidatur eines Bundessprechers Tino Chrupalla und der Bundestags-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel unter anderem zur Kandidatur des Partei-Establishments wird.“ Das sei „wirklich schwer zu begreifen“.

Dabei ist ein Aufbegehren gegen „die da oben“, gegen die „Etablierten“, ein Beharren auf den weitreichenden Mitentscheidungskompetenzen der Basis ein Phänomen, das geradezu eingeschrieben zu sein scheint in der Partei-DNS der AfD. Und gerade Vertreter des ehemaligen „Flügels“ hatten auf ähnliche Weise und mit vergleichbaren Argumenten gern Neulinge gegen Erfahrenere in Stellung gebracht.

Auf den Vorwurf, er sei innerparteilich zu unbekannt, hatte Wundrak am Wochenende in einem Video schon reagiert. Darin betonte der frühere Dreisternegeneral seine Bundeswehr-Laufbahn und den Eid, den er geschworen habe. „Im Gegensatz zu führenden Politikern dieser Republik betrachte ich meinen Eid auf das deutsche Volk weder als Lippenbekenntnis noch als Folklore. Ich fühle mich weiterhin an diesen Eid gebunden.“ Er sei und bleibe weiterhin ein „Diener Deutschlands“. Aus diesem Grund sei er in die AfD eingetreten. Sein Ziel sei es, Mehrheiten zu erlangen, und das gelinge nur durch „Seriosität und Kompetenz“. Er sei gegen „jede Art von Kollektivismus oder Sozialismus“. Die sozialen Fragen könnte nur dann gelöst werden, wenn die Wirtschaft stabil sei. Er wolle seine Energie für die Interessen „Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand für das deutsche Volk“ einsetzten.

Bereits zuvor hatte seine Bewerberkollegin Cotar ein Wahlkampvideo für den innerparteilichen Wettbewerb veröffentlicht. Darin betonte sie ihre Funktion als digitalpolitische Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion und setzte sich als Kämpferin für Meinungsfreiheit im Internet in Szene. „In Zeiten, in denen Politik verrückt geworden ist, muß Deutschland normal werden“, fordert Cotar in dem Video in Anlehnung an die Bundestagswahlkampf-Kampagne der AfD. Der Titel des Videos lautet „Zeit für Neues“, ergänzt mit der Unterzeile „Jemand Neues.“

Die Wahl wird nicht allein auf geographischer Basis entschieden

In den für die AfD sehr relevanten Sozialen Netzwerken wurden diese Videos von den Parteigängern Meuthens und seiner Mehrheit im Bundesvorstand ausgiebig geteilt. Das sagt nichts über die tatsächlichen Wahlchancen der Herausforderer aus. Es wird indes als Indiz dafür wahrgenommen, daß es die Favoriten vielleicht doch nicht so leicht haben werden wie anfangs gedacht. Angesprochen auf die anhand der beiden konkurrierenden Bewerber-Duos erkennbare Teilung in ein Pro- und ein Anti-Meuthen-Lager, sagte Weidel am Sonntag in einer Live-Befragung des rheinland-pfälzischen Landesverbands, sie führe seit vier Jahren zusammen mit Alexander Gauland eine große Bundestagsfraktion. Dort seien alle Lager vertreten und es gelte, niemanden auszugrenzen. Sei sparte dabei nicht mit Lob für Chrupalla als stellvertretenden Fraktionschef, der „extrem zuverlässig“ sei und „viel Arbeit wegräumt“.

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Chrupalla betonte: „Dieses Schubladendenken müssen wir verlassen.“ Die AfD sei eine Volkspartei, im Osten wie auch in Teilen Westens und da gehörten verschiedene Strömungen dazu. Er warnte davor, Personen in bestimmte Ecken zu stellen, nur weil sie mal mit diesem oder jenem aufgetreten seien. „Wir müssen mal anfangen, in destruktiv und konstruktiv zu unterscheiden.“ Wer konstruktiv sei, sei herzlichen willkommen. Auf die Frage, was er davon halte, wenn Cotar und Wundrak damit würben, neue Zielgruppen anzusprechen, verwies der sächsische Spitzenkandidat auf die östlichen Bundesländer. Dort habe man eher das luxuriöse Problem, Wahlergebnisse von fast 30 Prozent zu halten. „Wir reden hier nicht über neue Zielgruppen, wir sind froh, wenn wir diese Zielgruppen halten.“

Daß Chrupalla – und dadurch auch seine Wahl-Partnerin Weidel – im Osten eine deutliche Mehrheit erzielen wird, gilt als sicher. Dort hat die AfD nach eigenen Angaben rund 7.500 Mitglieder, im Westen sind es knapp 24.300. Nun wird die Wahl zweifelsohne nicht allein auf geographischer Basis entschieden. Letztlich kommt es nun darauf an, wer seine Anhängerschaft am besten mobilisieren kann. Und auch im Westen wissen die Mitglieder um die Bedeutung der AfD-Hochburgen, die eine personelle Repräsentation rechtfertigt. Doch jeder Prozentpunkt für die Herausforderer Cotar/Wundrak wäre ein Indikator, daß auch das andere Lager seine Berücksichtigung einfordert.

Unter Mitgliedern herrschen Frustration und Zufriedenheit

Einen ersten Vorgeschmack darauf bekam Parteichef Tino Chrupalla am Wochenende in Braunschweig beim – schließlich abgebrochenen – Parteitag der Niedersachsen-AfD. Dort standen Abwahl-Anträge gegen mehrere Vorstandsmitglieder auf der Tagesordnung, darunter auch gegen den rechtsnationalen Landesvorsitzenden Jens Kestner. Ihm und seinen Vorstandskollegen wird seitens der Bürgerlich-Konservativen unter anderem vorgeworfen, die bereits im Dezember gewählte Bundestagsliste bewußt zu hintertreiben. Denn dort setzen sich ausschließlich die Kestner-Gegner durch, was dessen Wiedereinzug in den Bundestag unmöglich machen würde.

Chrupalla trat nun erkennbar als Kestner-Fürsprecher in Braunschweig auf. In seinem Grußwort forderte er die Mitglieder auf, „von Verletzungen und Demütigungen abzulassen“, nach vorne und nicht zurück zu schauen. Dann mahnte er: „Stellt eine rechtssichere Liste auf“ – eine klare Parteinahme für den amtierenden Vorstand, aber gegen die Mehrheit der anwesenden Mitglieder; von denen nicht wenige Chrupallas Worte mit Buhrufen quittierten. Denn das Pikante: Auf Platz 1 dieser lediglich vom eigenen Landesvorstand in Zweifel gezogenen Wahlliste steht Herausforderer Joachim Wundrak.

„Diese polarisierten Duos spalten die Partei“, äußerte sich ein einfaches AfD-Mitglied frustriert. Andere wenden ein, dieses Gegeneinander der Konkurrenten sei weniger Grund als vielmehr Symptom einer Gespaltenheit innerhalb der AfD. Eine dritte Position besagt, es sei doch ein gutes Zeichen, die Wahl zwischen zwei vorzeigbaren Teams zu haben. „Ich könnte mit jedem von beiden leben“, hört man daher durchaus.

Bis Pfingstmontag läuft die Online-Abstimmung noch. Einen Tag später soll das Ergebnis offiziell bekannt gegeben werden.

 

Mitarbeit: Lukas Steinwandter
Die Bewerberduos für die AfD-Spitzenkandidatur Joana Cotar und Joachim Wundrak (links) sowie Alice Weidel und Tino Chrupalla Fotos: picture alliance / Kay Nietfeld / JF-Montage
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