BERLIN. Mediziner und Verkehrsexperten haben die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide (NO2) und deren Erhebungsmaßnahmen in Frage gestellt. „Es gibt keine Feinstaub-Erkrankung der Lunge oder des Herzens und es gibt keine NO2-Erkrankung der Lunge oder des Herzens, die man im Krankenhaus antrifft. Es gibt auch keinen einzigen Todesfall, der kausal auf Feinstaub oder NO2 zurückzuführen wäre. Das sind konstruierte mathematische Modelle“, sagte der ärztliche Direktor des Stuttgarter Krankenhauses vom Roten Kreuz, Martin Hetzel, in der ARD-Dokumentation „Das Diesel-Desaster“.
Es sei nicht plausibel, daß derart geringe Feinstaub- und NO2-Konzentrationen die Gesundheit schädigen. Den regelmäßig in Stuttgart ausgerufenen Feinstaubalarm bezeichnete er als „Volksverdummung“. Auch der Lungenspezialist und frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Dieter Köhler, zweifelt an einer Gesundheitsgefahr im Zusammenhang mit den gemessenen Stickoxid-Konzentrationen in deutschen Städten.
„Man macht aus einer zufälligen Korrelation eine Kausalität, für die es keine Begründung gibt“, erläuterte Köhler. Als Beispiel nannte er das erwiesenermaßen gesundheitsschädliche Rauchen. Raucher inhalierten bis zu einer Million Mikrogramm NO2. „Ein Raucher müßte sofort tot umfallen.“ Das Bundesumweltamt hatte behauptet, jedes Jahr stürben 6.000 Deutsche durch zu hohe Stickoxidwerte.
Grenzwerte geschätzt
Die Direktorin des Münchener Helmholtz-Zentrums für Umweltmedizin, Annette Peters, erklärte, die seit 2010 geltenden Grenzwerte seien einfach geschätzt worden. „Man dachte damals, daß man die Bevölkerung mit diesem Grenzwert wirkungsvoll schützen kann.“
Die „Deutsche Umwelthilfe“ hatte in den vergangenen Monaten auf Grundlage der EU-Grenzwerte vor Verwaltungsgerichten Diesel-Fahrverbote in mehreren Städten erwirkt. Sie schreiben maximal40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel und 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel vor.
Meßstationen in der Kritik
Doch auch die Meßstationen stehen in der Kritik. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme, Matthias Klingner, zweifelte in der Sendung an ihrer rechtmäßigen Platzierung. „Trickreicher kann man eine Station nicht aufstellen, wenn man Feinstaub-Grenzwertverletzungen messen will.“ Zuvor hatte bereits das Bundesumweltministerium bestätigt, daß viele Meßanlagen zu nah an verkehrsreichen Kreuzungen stehen.
Die Stadt Oldenburg hatte im Oktober eigene Feinstaub- und NO2-Werte erhoben und kam auf deutlich niedrigere Ergebnisse als die Stationen der Landesbehörden. Zudem registrierte eine Meßanlage sogar eine Grenzwertüberschreitung, als die betroffene Straße wegen eines Marathons den ganzen Tag für Autos gesperrt war. (ls)