BERLIN. Europa muß sich in diesem Jahr laut Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) auf Hunderttausende Flüchtlinge aus Afrika einstellen. „In den ersten drei Monaten hat sich die Zahl der Flüchtlinge aus Afrika verdoppelt. Wenn wir das hochrechnen, könnten in diesem Jahr 300.000 bis 400.000 Menschen in Italien ankommen“, sagte Müller der Rheinischen Post. „Niemand kann garantieren, daß es nicht wesentlich mehr werden, wenn wir in Afrika nicht mehr in Bildung, Ausbildung und die Bekämpfung der Schlepperstrukturen investieren.“
Nur mit Grenzzäunen ließen sich die Afrikaner nicht von ihrem Vorhaben abbringen, nach Europa zu kommen, warnte Müller. „Deshalb werden wir die Zäune in Nordafrika gar nicht so hoch bauen können, daß nicht Hunderttausende, vielleicht Millionen zu uns kommen – aus Not, aus Elend, als Klima-, als Hungerflüchtlinge. Europa braucht einen völlig neuen Ansatz für den Partnerkontinent Afrika.“
Forderung nach freiem Marktzugang
Die einzige Lösung sei deshalb, die Verhältnisse in Afrika vor Ort zu verbessern, zum Beispiel durch fairen Handel. „Die Afrikaner müssen in den Wertschöpfungsketten Chancen haben, die eigene Wirtschaft aufzubauen“, forderte der Minister. „Wenn der Kaffeebauer für das Kilo 50 Cent bekommt und das Kilo hier zehn Euro kostet, dann kann man das nur Ausbeutung nennen.“
Es sei paradox, daß Europa Ländern wie Tunesien keinen kompletten Marktzugang gewähre. „Wir lassen nicht zu, daß Tunesien mit hervorragenden Produkten in Europa Geld verdient, verlangen dann aber, daß ich deutsches Geld in Tunesien in die Entwicklungshilfe stecke. Starten wir mit Tunesien, Marokko, Algerien und Ägypten eine neue Phase der Integration in den europäischen Binnenmarkt, dann ist das die effektivste Bekämpfung der Fluchtursachen.“ (krk)