DRESDEN. Einen Tag nach den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit haben mehrere Politiker den lautstarken Protest Hunderter Bürger in Dresden scharf kritisiert. „Ich ärgere mich ganz eindeutig“, sagte der Bürgermeister der sächsischen Landeshauptstadt, Detlef Sittel, im rbb-Inforadio. Gleichzeitig sei er aber froh, daß große Schreckensszenarien wie Anschläge oder Ausschreitungen ausgeblieben seien. „Genau deshalb treten natürlich diese schlimmen Entgleisungen einzelner Bürger oder auch Ansammlungen von Bürgern in den Vordergrund.“
Claudia Roth sieht Demokratieproblem
Dieser „offen gezeigte, organisierte, brutale, entgrenzte Haß“ und mit „wieviel Unanständigkeit vor keiner Obszönität Halt gemacht“ wurde, seien „unvorstellbar“ gewesen, sagte die Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), gegenüber N24. „Ich hatte wirklich ganz intensiv das Gefühl, daß es nur noch ein ganz winzig kleiner Schritt ist hin zu physischer Gewalt.“
In Dresden hätte man sehen können, daß Deutschland eine echtes Demokratieproblem habe und daß „in Teilen unseres Landes ganz offensichtlich etwas wegkippt“. Es räche sich, daß „jahrelang verharmlost“ und „geleugnet“ worden sei. Notwendig sei eine „Demokratieoffensive“, die „finanziell gut ausgestattet ist“ und die „in die politische Bildung investiert“.
Lautstarker Protest gegen Merkel, Gauck und Roth
Beim zentralen Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden wurden Kanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert und andere Gäste von mehreren hundert Demonstranten mit Pfeifkonzerten und Rufen wie „Volksverräter“, „Haut ab“, oder „Merkel muß weg“ empfangen.
Die Polizei teilte via Twitter mit, daß Personen „zurückgedrängt“ werden mußten, um „den Zugang der Ehrengäste zu den Protokollveranstaltungen am Neumarkt zu gewährleisten“.
Als die Grünen-Politikerin Claudia Roth einzelne Demonstranten darauf ansprach, warum sie abhauen solle, antworteten diese: „Weil Sie eine Hetzerin sind. Weil Sie die Vernichtung des Deutschen Volkes vorantreiben.“
Polizei verteidigt ihr Vorgehen, bestellt aber Kollegen ein
Die sächsische Polizei verteidigte sich, die Störungen vor der Frauenkirche zugelassen zu haben. In Abstimmung mit der Stadt habe man die Menschenmenge als „Versammlung angesehen“, hieß es in einer Erklärung. Da von den Personen keine Gefahr ausgegangen sei, habe man „die verbalen Äußerungen bzw. die Trillerpfeifen“ als „Form der Meinungsäußerung“ bewertet und nicht eingegriffen.
Allerdings distanzierte sich die Polizei von einem Kollegen, der Pegida einen „erfolgreichen Tag“ gewünscht hatte. Die Äußerung entspräche „nicht unserer Philosophie und wird einer Überprüfung unterzogen“. Der Beamte hatte vor Beginn der Pegida-Demonstration zunächst über einen Lautsprecherwagen die Versammlungsauflagen verlesen, obwohl dies üblicherweise der Veranstalter tut. Er begründete dies mit einem Defekt an der Technik von Pegida und betonte, er „mache das gerne“. Am Ende seiner Durchsage erklärte der Polizist: „Wir wünschen einen erfolgreichen Tag für Sie.“
Der sächsische CDU-Landtagsabgeordnete Alexander Krauß verteidigte das Verhalten der Einsatzkräfte. „Die Polizei hat alles in allem einen guten Job gemacht. Die Feier zum Tag der Deutschen Einheit war ein Großereignis. Der Tag verlief friedlich, wenn auch nicht beschaulich. Daß Links- und Rechtsextremisten kaum Gewalttaten verüben konnten, ist ein Verdienst der Polizei“, sagte Krauß der JUNGEN FREIHEIT.
Zwar seien die Pöbeleien vor der Frauenkirche unwürdig gewesen und einigen Demonstranten habe das nötige Maß an Anstand gefehlt. Die Polizei hätte jedoch keine Möglichkeit zum Eingreifen gehabt, weil das Recht auf Meinungsäußerung ein hohes Gut sei. „Insofern schließe ich mich der Kritik einiger am Handeln der Polizei ausdrücklich nicht an“, betonte der CDU-Politiker. (gb/krk)