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„Alternative für Deutschland“: Sprung in die Wirklichkeit

„Alternative für Deutschland“: Sprung in die Wirklichkeit

„Alternative für Deutschland“: Sprung in die Wirklichkeit

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„Alternative für Deutschland“
 

Sprung in die Wirklichkeit

Vor ihrem ersten Bundesparteitag an diesem Wochenende in Berlin sieht sich die Euro-kritische Partei einem beispiellosen Ansturm gegenüber. Umfragen bescheinigen ihr ein Stimmenpotential von 24 Prozent. Die JUNGE FREIHEIT wird am Sonntag mit einem Live-Ticker vom Parteitag berichten.
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AfD-Chef Bernd Lucke: Ein Kraftakt steht bevor Foto: JF

Würde die Bundestagswahl im Internet entschieden, hätte Bernd Lucke schon jetzt die besten Aussichten, im September in den Bundestag einzuziehen. Die Facebook-Seite seiner „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist derzeit eine der aktivsten Seiten überhaupt und hat wenige Wochen nach dem Start schon mehr Anhänger als etwa der Facebook-Auftritt der CSU. Doch Lucke und seine Mitstreiter wissen, daß die Bundestagswahl nicht im Internet, sondern auf den Straßen, Plätzen und in den Fußgängerzonen entschieden wird.

An diesem Sonntag setzt die AfD daher im vornehmen Berliner Hotel Interconti zum Sprung in die Wirklichkeit an. Dort, wo sich jedes Jahr im November Politik und Journalisten zum Bundespresseball treffen, soll der Grundstein für einen erfolgreichen Antritt der Euro-kritischen Partei bei der Bundestagswahl am 22. September  gelegt werden.

Ein wahrer Kraftakt steht bevor

Der noch im Aufbau befindlichen Parteiorganisation und den Mitgliedern, die sich in Scharen angekündigt haben, steht dabei ein wahrer Kraftakt bevor. Zunächst gilt es, überhaupt die Grundlagen für eine funktionierende Partei zu schaffen: Parteisatzung, Geschäftsordnung sowie die „Finanz- und Erstattungsordnung“ stehen ganz oben auf der Tagesordnung des Parteitages. Dann müssen die Führungspositionen der Partei neu besetzt werden, und das kann dauern – allein für die Plätze als Beisitzer im Vorstand kandidieren 90 Parteimitglieder. Nicht nur nach Einschätzung von Parteisprecherin Frauke Petry ein „sportliches Programm“.

Hinzu kommt ein beispielloser Ansturm von Parteimitgliedern. Als der Veranstaltungsraum vor vier Wochen angemietet wurde, ging die Parteiführung noch von bis zu 400 Teilnehmern aus. Nun lagen bis Anfang der Woche 1.800 Anmeldungen vor. Der Saal faßt indes nur 1.300. „Die haben uns überrollt“, heißt es in einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen aus der Partei, die noch immer nicht fassen kann, von welcher Sympathiewelle sie seit ihrer Gründung im Februar getragen wird.

Platzproblem durch Video-Übertragung lösen

Nicht wenige fürchten, daß der Parteitag angesichts des Ansturms und der teilweise politisch völlig unerfahrenen Parteiführung unkontrollierbar wird und im Chaos enden könnte. In der Partei blickt man daher mit wachsender Sorge auf die Veranstaltung, von der so viel abhängt. „Ich habe ganz große Bauchschmerzen“, sagt ein Landeskoordinator. Hinzu kommt der äußerst knappe Zeitplan. „Es wäre wohl schlauer gewesen, sich zwei Tage Zeit zu nehmen.“

In der Parteiführung wurde daher in den vergangenen Tagen händeringend nach einem Ausweg gesucht und sogar erwogen, zeitnah einen Sonderparteitag einzuberufen, um das Programm zeitlich etwas zu entzerren. Nun soll zumindest versucht werden, das Platzproblem zu lösen, indem der Parteitag per Video-Übertragung auch in Nachbarsälen verfolgt werden kann. „Wir wollen vermeiden, daß Parteimitglieder, die nach Berlin gereist sind, abgewiesen werden müssen“, heißt es aus dem Vorstand.

Wählerpotential von 24 Prozent

Geht der Parteitag am Wochenende einigermaßen unfallfrei über die Bühne, kann sich die Partei nach Ansicht der Demoskopen Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft machen. Laut einer Umfrage im Auftrag der Welt am Sonntag  können sich 24 Prozent der Deutschen vorstellen, bei der Bundestagswahl die AfD zu wählen. Dieses sogenannte Wählerpotential sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie viele Wähler am 22. September dann tatsächlich das Kreuz bei der Euro-kritischen Partei machen würden.

Doch die Zahlen sind vor allem für Union und FDP eine deutliche Warnung, die „Professorenpartei“ nicht zu unterschätzen. Schon wird im Konrad-Adenauer-Haus an einer Gegenstrategie gebastelt, mit der potentielle AfD-Wähler unter den Unions-Anhängern wieder eingefangen werden sollen. So wurde in den vergangenen Tagen auffällig oft darauf hingewiesen, daß für den Machtwechsel in Niedersachsen 335 fehlende Stimmen für Schwarz-Gelb verantwortlich waren.

Nicht nur Zulauf aus dem schwarz-gelben Lager

Die angebliche Ursache wurde gleich mitgeliefert: Die Freien Wähler, die zu diesem Zeitpunkt noch von Lucke unterstützt wurden, hätten den bürgerlichen Parteien die entscheidenden Stimmen weggenommen. Die Botschaft ist klar: Das dürfe sich bei der Bundestagswahl nicht wiederholen, heißt es aus der CDU mit Blick auf die AfD.

Doch dort glaubt man nicht, daß diese Strategie unter dem Motto „Augen zu, CDU“, die in früheren Jahren so mancher bürgerlichen Alternative zur CDU das Leben schwergemacht hat, angesichts der dramatischen Folgen der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung noch verfängt. Zudem erhält die neue Partei längst nicht nur Zulauf aus dem schwarz-gelben Lager. Auch wenn sich unter den Gründern der AfD vor allem ehemalige Mitglieder von CDU und FDP befinden, gelingt es der Partei offenbar, auch Bürger zu mobilisieren, die sich bislang nicht parteipolitisch engagiert haben.

„Populistische Tendenzen, am rechten Rand zu fischen“

Eine Analyse der Mitgliederstruktur der AfD hat ergeben, daß rund 50 Prozent der mittlerweile mehr als 7.000 Mitglieder vorher noch nie einer Partei angehört haben. Der Rest setzt sich ziemlich gleichmäßig aus früheren Mitgliedern von Union, FDP und SPD zusammen.

Unterdessen versuchen einige Medien im Zusammenspiel mit Linksextremisten immer wieder, die Partei in den Ruch des Rechtspopulismus oder gar -extremismus zu bringen. So sah sich Parteichef Lucke erst Anfang der Woche in einem Interview mit dem Magazin Cicero dem massiven Vorwurf ausgesetzt, in der AfD gebe es „mitunter populistische Tendenzen, am rechten Rand zu fischen“. Schon beim ersten Auftritt der Partei vor den Hauptstadtkorrespondenten in Berlin mußte sich der Vorstand im März gegen ähnliche Vorwürfe wehren.

Linksextreme legen Dossiers von AfD-Politikern an

Auf linksextremistischen Internetseiten werden zudem regelrechte Dossiers über führende AfD-Politiker angelegt, um vermeintlich belastendes Material zusammenzutragen, mit dem die Personen in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt werden sollen. Journalisten bedienen sich nur zu gerne aus derlei „Materialsammlungen“, die bislang zur Enttäuschung so mancher Aktivisten allerdings äußerst mager ausfallen. Derzeit, so scheint es zumindest, gelingt es der Partei, sich gegen Provokateure und Glücksritter mit einer „zweifelhaften“ politischen Vergangenheit erfolgreich abzuschotten.

An der Parteibasis hat man derweil ganz andere Sorgen. „Ich kenne viele, die mitunter 16 bis 18 Stunden pro Tag für die Partei arbeiten“, berichtet ein Mitglied von seinen Erfahrungen. Um möglichst zügig die notwendigen Parteistrukturen aufzubauen, opfere so mancher seinen Urlaub und zahle das notwendige Büromaterial teilweise aus der eigenen Tasche. „Der Aufbau eines Landesverbandes ist für die meisten ein privates Hobby“, berichtet ein Landeskoordinator. Auch aus diesen Gründen richten sich viele Hoffnungen auf einen erfolgreichen Verlauf des Parteitages und damit auf eine weitere Professionalisierung der Partei.

JF 16/13

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