GENF. Der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, hält die Bezeichnung Flüchtlingskrise in Europa für übertrieben. „Wir reden die ganze Zeit über eine Flüchtlingskrise in Europa, die so gar nicht existiert“, sagte er dem Handelsblatt.
Echte Flüchtlingskrisen gebe es im Libanon, in Pakistan, in Kenia oder in Kolumbien. „Aber Europa ist besessen von einer Krise, die einer verzerrten politischen Wahrnehmung entspringt.“
Gegen Asylzentren in Afrika
Mit Bezug auf Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Migration sei die Mutter aller Probleme, entgegnete Grandi: „Die ständige Problematisierung der Migration schürt eine Atmosphäre der Angst und manchmal sogar der Feindseligkeit, die sehr gefährlich ist.“ Es entstehe ein Teufelskreis. „Die aufgeheizte Stimmung stärkt die Gegner der Migration, was wiederum die Suche nach Lösungen erschwert.“
Asylzentren auf dem afrikanischen Kontinent lehnt Grandi ab. „Ich als UN-Hochkommissar kann keinen Vorschlag unterstützen, der Menschen das Recht nimmt, in Europa Asyl zu beantragen“, stellte er klar. Es gebe Menschen, die „sehr dringende Gründe haben, in der EU um Schutz zu bitten“.
Grandi appellierte zudem an europäische Länder, Rettungsschiffe, die auf dem Mittelmeer Flüchtlinge aufgreifen, in ihre Häfen einfahren zu lassen. „Ich hoffe, daß zumindest einige europäische Staaten einwilligen, die Boote in die Häfen zu lassen, die Schutzbedürftigkeit beschleunigt zu prüfen und die Schutzberechtigten dann auf aufnahmebereite Länder zu verteilen.“ (tb)